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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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fasser nicht mehr genau erinnerlich, nur soviel ist sicher, daß seitdem die Geist¬
lichen mit der öffentlichen Verkündigung von Solcherlei Vergehen, was früher
außerordentlich häusig geschah, erstaunlich vorsichtig geworden sind." "Die
Cincinnati Gazette berichtet über einen Todesfall durch Excommunication:
Ein katholischer Einwohner von Kalamazoo, Michigan, lieh einem Priester
eine Summe Geldes als Beihülfe zum Bau eines Pfarrhauses. Der Bischof
weigerte sich später, dies als Darlehn anzuerkennen, so daß der arme
Mann, aus Furcht, daß eine verpfändete Hypothek auf seiner Farm verfallen
könne, einen Prozeß gegen den Bischof anstrengte. Er wurde excommunicirt
und die Urkunde ihm vorgelesen; zu Tode erschrocken, frug er, was sein Ver¬
brechen sei, und erhielt die Antwort, weil er einen Bischof vor Gericht ge¬
fordert. Da er als frommer Mann ganz in der Gewalt des Klerus war,
kam er fast von Sinnen und flehte den Bischof fußfällig an, das Decret zu¬
rückzunehmen. Dies geschah nur unter der Bedingung, daß er seine Klage
zurückzöge. Er willigte ein und die Excommunication wurde widerrufen, je¬
doch zu spät; der Bedauernswerthe sank unter der Last seiner eingebildeten
Schuld zu Boden und war todt. Der Borfall schuf, wie man glauben
kann, viel Aufregung in Michigan; Senator Emerson nahm hieraus Veran¬
lassung, in die Legislatur eine Bill einzubringen, welche mit einer Geld¬
strafe von 1 -- 3000 Dollars oder Gefängniß von 1 -- 6 Jahren einen Bi¬
schof oder Priester bedroht, der ein Mitglied einer Kirche, um es von der
Einleitung eines Prozesses oder der Geltendmachung einer Forderung abzu¬
halten, excommunicirt oder mit der Excommunication bedroht."

Noch in einer andern Hinsicht greift der Staat in innere kirchliche Ver¬
hältnisse ein, und zwar auf Grund von Rechtsansprüchen, welche kirchliche
Parteien erheben. Die Entscheidungen, welche hier gefällt werden müssen,
setzen häusig voraus, daß der Gerichtshof dogmatische Fragen beantwortet.
Leider folgen die verschiedenen Staaten häusig nicht denselben, sondern ent¬
gegengesetzten Grundsätzen. Beispiele werden beides belegen, die Anlässe zu
staatlichem Handeln und den Gegensatz der Normen, denen es folgt. "Im
Jahre 1837 verfügte die General-Assembly der presbyterianischer Kirche,
welche diese im ganzen Bereiche der Vereinigten Staaten repräsentirt, durch
summarisches Votum die Exklusion gegen Presbyterien und Synoden, wegen
angeblicher Irrthümer in Glauben und Disciplin. Die exkludirte Partei organi-
sirte auf der Stelle eine neue General-Assembly, auch unter demselben Namen,
und jede Assembly beanspruchte, die presbyterianische Kirche der Vereinigten Staaten
zu repräsentiren. Die schon vor der Spaltung vorhandene Assembly besaß
gewisse Güter für Erziehungs- und sonstige milde Zwecke, und die alte Schule,
wie sie genannt wurde, blieb in deren Besitz. Da diese indessen aus einem
Freibriefe des Staates Pennsylvanien herrührten, so machte die neue Schule


Grmzborm III. !873. 57

fasser nicht mehr genau erinnerlich, nur soviel ist sicher, daß seitdem die Geist¬
lichen mit der öffentlichen Verkündigung von Solcherlei Vergehen, was früher
außerordentlich häusig geschah, erstaunlich vorsichtig geworden sind." „Die
Cincinnati Gazette berichtet über einen Todesfall durch Excommunication:
Ein katholischer Einwohner von Kalamazoo, Michigan, lieh einem Priester
eine Summe Geldes als Beihülfe zum Bau eines Pfarrhauses. Der Bischof
weigerte sich später, dies als Darlehn anzuerkennen, so daß der arme
Mann, aus Furcht, daß eine verpfändete Hypothek auf seiner Farm verfallen
könne, einen Prozeß gegen den Bischof anstrengte. Er wurde excommunicirt
und die Urkunde ihm vorgelesen; zu Tode erschrocken, frug er, was sein Ver¬
brechen sei, und erhielt die Antwort, weil er einen Bischof vor Gericht ge¬
fordert. Da er als frommer Mann ganz in der Gewalt des Klerus war,
kam er fast von Sinnen und flehte den Bischof fußfällig an, das Decret zu¬
rückzunehmen. Dies geschah nur unter der Bedingung, daß er seine Klage
zurückzöge. Er willigte ein und die Excommunication wurde widerrufen, je¬
doch zu spät; der Bedauernswerthe sank unter der Last seiner eingebildeten
Schuld zu Boden und war todt. Der Borfall schuf, wie man glauben
kann, viel Aufregung in Michigan; Senator Emerson nahm hieraus Veran¬
lassung, in die Legislatur eine Bill einzubringen, welche mit einer Geld¬
strafe von 1 — 3000 Dollars oder Gefängniß von 1 — 6 Jahren einen Bi¬
schof oder Priester bedroht, der ein Mitglied einer Kirche, um es von der
Einleitung eines Prozesses oder der Geltendmachung einer Forderung abzu¬
halten, excommunicirt oder mit der Excommunication bedroht."

Noch in einer andern Hinsicht greift der Staat in innere kirchliche Ver¬
hältnisse ein, und zwar auf Grund von Rechtsansprüchen, welche kirchliche
Parteien erheben. Die Entscheidungen, welche hier gefällt werden müssen,
setzen häusig voraus, daß der Gerichtshof dogmatische Fragen beantwortet.
Leider folgen die verschiedenen Staaten häusig nicht denselben, sondern ent¬
gegengesetzten Grundsätzen. Beispiele werden beides belegen, die Anlässe zu
staatlichem Handeln und den Gegensatz der Normen, denen es folgt. „Im
Jahre 1837 verfügte die General-Assembly der presbyterianischer Kirche,
welche diese im ganzen Bereiche der Vereinigten Staaten repräsentirt, durch
summarisches Votum die Exklusion gegen Presbyterien und Synoden, wegen
angeblicher Irrthümer in Glauben und Disciplin. Die exkludirte Partei organi-
sirte auf der Stelle eine neue General-Assembly, auch unter demselben Namen,
und jede Assembly beanspruchte, die presbyterianische Kirche der Vereinigten Staaten
zu repräsentiren. Die schon vor der Spaltung vorhandene Assembly besaß
gewisse Güter für Erziehungs- und sonstige milde Zwecke, und die alte Schule,
wie sie genannt wurde, blieb in deren Besitz. Da diese indessen aus einem
Freibriefe des Staates Pennsylvanien herrührten, so machte die neue Schule


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[0457] fasser nicht mehr genau erinnerlich, nur soviel ist sicher, daß seitdem die Geist¬ lichen mit der öffentlichen Verkündigung von Solcherlei Vergehen, was früher außerordentlich häusig geschah, erstaunlich vorsichtig geworden sind." „Die Cincinnati Gazette berichtet über einen Todesfall durch Excommunication: Ein katholischer Einwohner von Kalamazoo, Michigan, lieh einem Priester eine Summe Geldes als Beihülfe zum Bau eines Pfarrhauses. Der Bischof weigerte sich später, dies als Darlehn anzuerkennen, so daß der arme Mann, aus Furcht, daß eine verpfändete Hypothek auf seiner Farm verfallen könne, einen Prozeß gegen den Bischof anstrengte. Er wurde excommunicirt und die Urkunde ihm vorgelesen; zu Tode erschrocken, frug er, was sein Ver¬ brechen sei, und erhielt die Antwort, weil er einen Bischof vor Gericht ge¬ fordert. Da er als frommer Mann ganz in der Gewalt des Klerus war, kam er fast von Sinnen und flehte den Bischof fußfällig an, das Decret zu¬ rückzunehmen. Dies geschah nur unter der Bedingung, daß er seine Klage zurückzöge. Er willigte ein und die Excommunication wurde widerrufen, je¬ doch zu spät; der Bedauernswerthe sank unter der Last seiner eingebildeten Schuld zu Boden und war todt. Der Borfall schuf, wie man glauben kann, viel Aufregung in Michigan; Senator Emerson nahm hieraus Veran¬ lassung, in die Legislatur eine Bill einzubringen, welche mit einer Geld¬ strafe von 1 — 3000 Dollars oder Gefängniß von 1 — 6 Jahren einen Bi¬ schof oder Priester bedroht, der ein Mitglied einer Kirche, um es von der Einleitung eines Prozesses oder der Geltendmachung einer Forderung abzu¬ halten, excommunicirt oder mit der Excommunication bedroht." Noch in einer andern Hinsicht greift der Staat in innere kirchliche Ver¬ hältnisse ein, und zwar auf Grund von Rechtsansprüchen, welche kirchliche Parteien erheben. Die Entscheidungen, welche hier gefällt werden müssen, setzen häusig voraus, daß der Gerichtshof dogmatische Fragen beantwortet. Leider folgen die verschiedenen Staaten häusig nicht denselben, sondern ent¬ gegengesetzten Grundsätzen. Beispiele werden beides belegen, die Anlässe zu staatlichem Handeln und den Gegensatz der Normen, denen es folgt. „Im Jahre 1837 verfügte die General-Assembly der presbyterianischer Kirche, welche diese im ganzen Bereiche der Vereinigten Staaten repräsentirt, durch summarisches Votum die Exklusion gegen Presbyterien und Synoden, wegen angeblicher Irrthümer in Glauben und Disciplin. Die exkludirte Partei organi- sirte auf der Stelle eine neue General-Assembly, auch unter demselben Namen, und jede Assembly beanspruchte, die presbyterianische Kirche der Vereinigten Staaten zu repräsentiren. Die schon vor der Spaltung vorhandene Assembly besaß gewisse Güter für Erziehungs- und sonstige milde Zwecke, und die alte Schule, wie sie genannt wurde, blieb in deren Besitz. Da diese indessen aus einem Freibriefe des Staates Pennsylvanien herrührten, so machte die neue Schule Grmzborm III. !873. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/457>, abgerufen am 06.02.2025.