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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Gottesdienstes möglich zu machen, finden sich manche, die uns nicht gan^ mit
der Erklärung des Verfassers zu stimmen scheinen, durch welche er es beg" reif¬
lich zu machen sucht, daß der Versuch, Freikirchen für die Armen zu errichten,
gescheitert ist. Seine eigenen Mittheilungen widerlegen die Behauptung, dckß
"sich der Stolz selbst des niedrigsten Amerikaners dagegen auflehnt, seine
Armuth zu offenbaren, und umsonst etwas zu nehmen. Amerikanische Dienst¬
boten verlangen nie Trinkgelder und würden sich beleidigt fühlen, wenn ihnen
ein solches für einen unbedeutenden Dienst angeboten würde, und der nied¬
rigste Arbeiter würde es übel ausnehmen, als Bettler in seiner Religion ge¬
brandmarkt zu werden."

In Bezug auf den Vermögenserwerb sind den kirchlichen Corporattonen
Grenzen gesteckt, ob in allen Staaten, und wo die Grenzlinien gezogen werden,
darüber schweigt der Verfasser. Wir hören nur, daß die Gesetze des Staates
New-Uork ein Maximum beweglichen und unbeweglichen Eigenthums nach
den jährlichen Einkünften für die Kirche bestimmen, in der Absicht, zu große
Ansammlung von Reichthum und Macht in kirchlichen Corporationen zu ver¬
hindern. Detaillirtere Bestimmungen fehlen, nur in Bezug auf die katholi¬
schen Kirchen des Staates New.Uork wird uns mitgetheilt "daß das ge¬
stimmte unbewegliche und bewegliche Vermögen einer solchen Kirche -- erclu-
sive des Kirchengebäudes, der Pfarr- und Schulhäuser, sowie des Grundes
und Bodens, auf dem sie stehen--nicht mehr Einkommen als 3000 Dollars
ergeben soll." Sehr ungern vermissen wir nähere Angaben.

Greift in dieser mehr äußeren Hinsicht der Staat in die kirchlichen Be¬
ziehungen ein, so wird der begeisterte Verehrer der Freikirche in diese Be¬
schränkung sich leicht ergeben, bleibt doch die Regelung des innern kirchlichen
Handelns unangetastet. Und doch auch dies kann sich nicht völlig den Ein¬
griffen des Staats entziehen. So ist die disciplinarische Thätigkeit der Kirche
keineswegs völlig unbeaufsichtigt. Wir lassen wieder den Verfasser selbst
sprechen. "Wenn die persönlichen oder bürgerlichen Rechte von Bürgern durch
Disciplinarmaßregeln einer Kirche bedroht würden, so würden sowohl die öf¬
fentliche Meinung, als auch die Gerichtshöfe einschreiten. Ein Kirchenmit¬
glied, welches des Ehebruchs beschuldigt und deshalb ercommunicirt war,
glaubte sich noch aufrecht erhalten zu können, da die Beweise seiner Schuld
für eine Verurtheilung seitens einer Jury nicht klar genug waren, und strengte
gegen den Pfarrer eine Verläumdungsklage an wegen öffentlicher Verkündi¬
gung der Excommunication. Der Gerichtshof entschied, daß in einem Falle
öffentlichen Scandals, der die Reinheit einer Kirche berühre, diese wohl das Recht
zu einer öffentlichen Rüge habe; daß aber dennoch schuldige Vorsicht geboten
sei, um den guten Namen einer Person nicht durch übereiltes oder vorein¬
genommenes Verfahren zu schädigen. Der Ausgang des Prozesses ist dem Ver-


Gottesdienstes möglich zu machen, finden sich manche, die uns nicht gan^ mit
der Erklärung des Verfassers zu stimmen scheinen, durch welche er es beg« reif¬
lich zu machen sucht, daß der Versuch, Freikirchen für die Armen zu errichten,
gescheitert ist. Seine eigenen Mittheilungen widerlegen die Behauptung, dckß
„sich der Stolz selbst des niedrigsten Amerikaners dagegen auflehnt, seine
Armuth zu offenbaren, und umsonst etwas zu nehmen. Amerikanische Dienst¬
boten verlangen nie Trinkgelder und würden sich beleidigt fühlen, wenn ihnen
ein solches für einen unbedeutenden Dienst angeboten würde, und der nied¬
rigste Arbeiter würde es übel ausnehmen, als Bettler in seiner Religion ge¬
brandmarkt zu werden."

In Bezug auf den Vermögenserwerb sind den kirchlichen Corporattonen
Grenzen gesteckt, ob in allen Staaten, und wo die Grenzlinien gezogen werden,
darüber schweigt der Verfasser. Wir hören nur, daß die Gesetze des Staates
New-Uork ein Maximum beweglichen und unbeweglichen Eigenthums nach
den jährlichen Einkünften für die Kirche bestimmen, in der Absicht, zu große
Ansammlung von Reichthum und Macht in kirchlichen Corporationen zu ver¬
hindern. Detaillirtere Bestimmungen fehlen, nur in Bezug auf die katholi¬
schen Kirchen des Staates New.Uork wird uns mitgetheilt „daß das ge¬
stimmte unbewegliche und bewegliche Vermögen einer solchen Kirche — erclu-
sive des Kirchengebäudes, der Pfarr- und Schulhäuser, sowie des Grundes
und Bodens, auf dem sie stehen—nicht mehr Einkommen als 3000 Dollars
ergeben soll." Sehr ungern vermissen wir nähere Angaben.

Greift in dieser mehr äußeren Hinsicht der Staat in die kirchlichen Be¬
ziehungen ein, so wird der begeisterte Verehrer der Freikirche in diese Be¬
schränkung sich leicht ergeben, bleibt doch die Regelung des innern kirchlichen
Handelns unangetastet. Und doch auch dies kann sich nicht völlig den Ein¬
griffen des Staats entziehen. So ist die disciplinarische Thätigkeit der Kirche
keineswegs völlig unbeaufsichtigt. Wir lassen wieder den Verfasser selbst
sprechen. „Wenn die persönlichen oder bürgerlichen Rechte von Bürgern durch
Disciplinarmaßregeln einer Kirche bedroht würden, so würden sowohl die öf¬
fentliche Meinung, als auch die Gerichtshöfe einschreiten. Ein Kirchenmit¬
glied, welches des Ehebruchs beschuldigt und deshalb ercommunicirt war,
glaubte sich noch aufrecht erhalten zu können, da die Beweise seiner Schuld
für eine Verurtheilung seitens einer Jury nicht klar genug waren, und strengte
gegen den Pfarrer eine Verläumdungsklage an wegen öffentlicher Verkündi¬
gung der Excommunication. Der Gerichtshof entschied, daß in einem Falle
öffentlichen Scandals, der die Reinheit einer Kirche berühre, diese wohl das Recht
zu einer öffentlichen Rüge habe; daß aber dennoch schuldige Vorsicht geboten
sei, um den guten Namen einer Person nicht durch übereiltes oder vorein¬
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[0456] Gottesdienstes möglich zu machen, finden sich manche, die uns nicht gan^ mit der Erklärung des Verfassers zu stimmen scheinen, durch welche er es beg« reif¬ lich zu machen sucht, daß der Versuch, Freikirchen für die Armen zu errichten, gescheitert ist. Seine eigenen Mittheilungen widerlegen die Behauptung, dckß „sich der Stolz selbst des niedrigsten Amerikaners dagegen auflehnt, seine Armuth zu offenbaren, und umsonst etwas zu nehmen. Amerikanische Dienst¬ boten verlangen nie Trinkgelder und würden sich beleidigt fühlen, wenn ihnen ein solches für einen unbedeutenden Dienst angeboten würde, und der nied¬ rigste Arbeiter würde es übel ausnehmen, als Bettler in seiner Religion ge¬ brandmarkt zu werden." In Bezug auf den Vermögenserwerb sind den kirchlichen Corporattonen Grenzen gesteckt, ob in allen Staaten, und wo die Grenzlinien gezogen werden, darüber schweigt der Verfasser. Wir hören nur, daß die Gesetze des Staates New-Uork ein Maximum beweglichen und unbeweglichen Eigenthums nach den jährlichen Einkünften für die Kirche bestimmen, in der Absicht, zu große Ansammlung von Reichthum und Macht in kirchlichen Corporationen zu ver¬ hindern. Detaillirtere Bestimmungen fehlen, nur in Bezug auf die katholi¬ schen Kirchen des Staates New.Uork wird uns mitgetheilt „daß das ge¬ stimmte unbewegliche und bewegliche Vermögen einer solchen Kirche — erclu- sive des Kirchengebäudes, der Pfarr- und Schulhäuser, sowie des Grundes und Bodens, auf dem sie stehen—nicht mehr Einkommen als 3000 Dollars ergeben soll." Sehr ungern vermissen wir nähere Angaben. Greift in dieser mehr äußeren Hinsicht der Staat in die kirchlichen Be¬ ziehungen ein, so wird der begeisterte Verehrer der Freikirche in diese Be¬ schränkung sich leicht ergeben, bleibt doch die Regelung des innern kirchlichen Handelns unangetastet. Und doch auch dies kann sich nicht völlig den Ein¬ griffen des Staats entziehen. So ist die disciplinarische Thätigkeit der Kirche keineswegs völlig unbeaufsichtigt. Wir lassen wieder den Verfasser selbst sprechen. „Wenn die persönlichen oder bürgerlichen Rechte von Bürgern durch Disciplinarmaßregeln einer Kirche bedroht würden, so würden sowohl die öf¬ fentliche Meinung, als auch die Gerichtshöfe einschreiten. Ein Kirchenmit¬ glied, welches des Ehebruchs beschuldigt und deshalb ercommunicirt war, glaubte sich noch aufrecht erhalten zu können, da die Beweise seiner Schuld für eine Verurtheilung seitens einer Jury nicht klar genug waren, und strengte gegen den Pfarrer eine Verläumdungsklage an wegen öffentlicher Verkündi¬ gung der Excommunication. Der Gerichtshof entschied, daß in einem Falle öffentlichen Scandals, der die Reinheit einer Kirche berühre, diese wohl das Recht zu einer öffentlichen Rüge habe; daß aber dennoch schuldige Vorsicht geboten sei, um den guten Namen einer Person nicht durch übereiltes oder vorein¬ genommenes Verfahren zu schädigen. Der Ausgang des Prozesses ist dem Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/456>, abgerufen am 06.02.2025.