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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Sachsen erhält aus der französischen Kriegsentschädigung einen Antheil
baar herausgezahlt, der zwar (wegen der vielen Ausgaben für das Reich, die
vorweg daraus bestellten werden mußten, die aber auch Sachsen, als einem Gliede
des Reiches, zu gute kommen) nicht so bedeutend, als man früher wohl ge¬
hofft, vielmehr ziemlich gering ausfallen, immer aber doch noch einige Millionen
betragen wird. Dieser Betrag, wie groß oder klein derselbe auch sei, ist ein
rein finanzieller Gewinn, den Sachsen ganz und ausschließlich seiner Zuge¬
hörigkeit zu einem starken und mächtigen Gemeinwesen, dergleichen das deut¬
sche Reich ist. verdankt. Aus allen früheren Kriegen, in die Sachsen ver¬
flochten wurde, ebenso gut aus dem schlesischen und dem siebenjährigen im
vorigen Jahrhundert, wie aus den Napoleonischen in diesem Jahrhundert (von
noch näher liegenden Beispielen ganz zu schweigen) ist dasselbe jedesmal mit
sehr bedeutenden finanziellen Opfern, außerdem meist mit noch größeren Be¬
schädigungen an seinem Volkswohlstande hervorgegangen. Diesmal erhält es,
nächst der prompter Wiedererstattung alles dessen, was Staat und Gemeinde
für die Kriegsbereitschaft und im Kriege selbst geleistet haben, noch baar Geld
herausgezahlt!

Dabei wolle man auch noch folgendes nicht übersehen. Bei der Verthei-
lung des Ueberschusses aus der französischen Kriegsentschädigung hat der lei¬
tende Staat Deutschlands, Preußen, mit anerkennenswerther Selbstlosigkeit
darein gewilligt, daß diese Bertheilung zum größeren Theile nach der Kopf¬
zahl stattfinde, während die strenge Gerechtigkeit unzweifelhaft den Ma߬
stab der Leistungen für den Krieg als den allein richtigen auch für Bemessung
des Urtheiles an der Beute empfohlen hätte. Nach diesem Maßstabe aber
hätte Sachsen viel weniger, Preußen viel mehr erhalten, als nach der Kopf¬
zahl, denn Sachsen hatte vermöge seiner noch nicht in allen Stadien durchge¬
führten Heeresorganisation, wonach es nur sehr wenig Landwehr stellen
konnte, viel weniger geleistet, als Preußen mit seinen vielen Jahrgängen
Landwehr.

Diese actenkundige Thatsache wird zwar der Leipziger Zeitung und ihrer
Coterie sehr unbequem sein und von ihr auf die eine oder andere Weise ver¬
dunkelt werden wollen, aber sie ist und bleibt wahr und sie ist schlagend!
Man ersieht daraus, was es mit der von unsern Partieularisten so gern be¬
tonten "Eigensucht" Preußens auf sich hat und man ersieht daraus, wie die
kleineren deutschen Staaten solche Opfer von preußischer Seite gern und ver¬
gnügt annehmen, während sie sich heftig sträuben und ein groß Geschrei er¬
heben, wenn auch sie einmal dagegen eine ähnliche Selbstentsagung zu Gun¬
sten des großen Ganzen üben sollen.

Das sind die Ansichten eines aufmerksamen Beobachters der sächsischen
Zustände in den letzten Jahren und eines aufrichtigen Freundes der liberalen


Sachsen erhält aus der französischen Kriegsentschädigung einen Antheil
baar herausgezahlt, der zwar (wegen der vielen Ausgaben für das Reich, die
vorweg daraus bestellten werden mußten, die aber auch Sachsen, als einem Gliede
des Reiches, zu gute kommen) nicht so bedeutend, als man früher wohl ge¬
hofft, vielmehr ziemlich gering ausfallen, immer aber doch noch einige Millionen
betragen wird. Dieser Betrag, wie groß oder klein derselbe auch sei, ist ein
rein finanzieller Gewinn, den Sachsen ganz und ausschließlich seiner Zuge¬
hörigkeit zu einem starken und mächtigen Gemeinwesen, dergleichen das deut¬
sche Reich ist. verdankt. Aus allen früheren Kriegen, in die Sachsen ver¬
flochten wurde, ebenso gut aus dem schlesischen und dem siebenjährigen im
vorigen Jahrhundert, wie aus den Napoleonischen in diesem Jahrhundert (von
noch näher liegenden Beispielen ganz zu schweigen) ist dasselbe jedesmal mit
sehr bedeutenden finanziellen Opfern, außerdem meist mit noch größeren Be¬
schädigungen an seinem Volkswohlstande hervorgegangen. Diesmal erhält es,
nächst der prompter Wiedererstattung alles dessen, was Staat und Gemeinde
für die Kriegsbereitschaft und im Kriege selbst geleistet haben, noch baar Geld
herausgezahlt!

Dabei wolle man auch noch folgendes nicht übersehen. Bei der Verthei-
lung des Ueberschusses aus der französischen Kriegsentschädigung hat der lei¬
tende Staat Deutschlands, Preußen, mit anerkennenswerther Selbstlosigkeit
darein gewilligt, daß diese Bertheilung zum größeren Theile nach der Kopf¬
zahl stattfinde, während die strenge Gerechtigkeit unzweifelhaft den Ma߬
stab der Leistungen für den Krieg als den allein richtigen auch für Bemessung
des Urtheiles an der Beute empfohlen hätte. Nach diesem Maßstabe aber
hätte Sachsen viel weniger, Preußen viel mehr erhalten, als nach der Kopf¬
zahl, denn Sachsen hatte vermöge seiner noch nicht in allen Stadien durchge¬
führten Heeresorganisation, wonach es nur sehr wenig Landwehr stellen
konnte, viel weniger geleistet, als Preußen mit seinen vielen Jahrgängen
Landwehr.

Diese actenkundige Thatsache wird zwar der Leipziger Zeitung und ihrer
Coterie sehr unbequem sein und von ihr auf die eine oder andere Weise ver¬
dunkelt werden wollen, aber sie ist und bleibt wahr und sie ist schlagend!
Man ersieht daraus, was es mit der von unsern Partieularisten so gern be¬
tonten „Eigensucht" Preußens auf sich hat und man ersieht daraus, wie die
kleineren deutschen Staaten solche Opfer von preußischer Seite gern und ver¬
gnügt annehmen, während sie sich heftig sträuben und ein groß Geschrei er¬
heben, wenn auch sie einmal dagegen eine ähnliche Selbstentsagung zu Gun¬
sten des großen Ganzen üben sollen.

Das sind die Ansichten eines aufmerksamen Beobachters der sächsischen
Zustände in den letzten Jahren und eines aufrichtigen Freundes der liberalen


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[0445] Sachsen erhält aus der französischen Kriegsentschädigung einen Antheil baar herausgezahlt, der zwar (wegen der vielen Ausgaben für das Reich, die vorweg daraus bestellten werden mußten, die aber auch Sachsen, als einem Gliede des Reiches, zu gute kommen) nicht so bedeutend, als man früher wohl ge¬ hofft, vielmehr ziemlich gering ausfallen, immer aber doch noch einige Millionen betragen wird. Dieser Betrag, wie groß oder klein derselbe auch sei, ist ein rein finanzieller Gewinn, den Sachsen ganz und ausschließlich seiner Zuge¬ hörigkeit zu einem starken und mächtigen Gemeinwesen, dergleichen das deut¬ sche Reich ist. verdankt. Aus allen früheren Kriegen, in die Sachsen ver¬ flochten wurde, ebenso gut aus dem schlesischen und dem siebenjährigen im vorigen Jahrhundert, wie aus den Napoleonischen in diesem Jahrhundert (von noch näher liegenden Beispielen ganz zu schweigen) ist dasselbe jedesmal mit sehr bedeutenden finanziellen Opfern, außerdem meist mit noch größeren Be¬ schädigungen an seinem Volkswohlstande hervorgegangen. Diesmal erhält es, nächst der prompter Wiedererstattung alles dessen, was Staat und Gemeinde für die Kriegsbereitschaft und im Kriege selbst geleistet haben, noch baar Geld herausgezahlt! Dabei wolle man auch noch folgendes nicht übersehen. Bei der Verthei- lung des Ueberschusses aus der französischen Kriegsentschädigung hat der lei¬ tende Staat Deutschlands, Preußen, mit anerkennenswerther Selbstlosigkeit darein gewilligt, daß diese Bertheilung zum größeren Theile nach der Kopf¬ zahl stattfinde, während die strenge Gerechtigkeit unzweifelhaft den Ma߬ stab der Leistungen für den Krieg als den allein richtigen auch für Bemessung des Urtheiles an der Beute empfohlen hätte. Nach diesem Maßstabe aber hätte Sachsen viel weniger, Preußen viel mehr erhalten, als nach der Kopf¬ zahl, denn Sachsen hatte vermöge seiner noch nicht in allen Stadien durchge¬ führten Heeresorganisation, wonach es nur sehr wenig Landwehr stellen konnte, viel weniger geleistet, als Preußen mit seinen vielen Jahrgängen Landwehr. Diese actenkundige Thatsache wird zwar der Leipziger Zeitung und ihrer Coterie sehr unbequem sein und von ihr auf die eine oder andere Weise ver¬ dunkelt werden wollen, aber sie ist und bleibt wahr und sie ist schlagend! Man ersieht daraus, was es mit der von unsern Partieularisten so gern be¬ tonten „Eigensucht" Preußens auf sich hat und man ersieht daraus, wie die kleineren deutschen Staaten solche Opfer von preußischer Seite gern und ver¬ gnügt annehmen, während sie sich heftig sträuben und ein groß Geschrei er¬ heben, wenn auch sie einmal dagegen eine ähnliche Selbstentsagung zu Gun¬ sten des großen Ganzen üben sollen. Das sind die Ansichten eines aufmerksamen Beobachters der sächsischen Zustände in den letzten Jahren und eines aufrichtigen Freundes der liberalen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/445>, abgerufen am 06.02.2025.