Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Lösung dieser Frage bis jetzt sich nicht einverstanden erklären mögen. Wider die Man bedenke doch nur, daß, wollten alle deutschen Staaten im Verhält¬ Lösung dieser Frage bis jetzt sich nicht einverstanden erklären mögen. Wider die Man bedenke doch nur, daß, wollten alle deutschen Staaten im Verhält¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193247"/> <p xml:id="ID_1497" prev="#ID_1496"> Lösung dieser Frage bis jetzt sich nicht einverstanden erklären mögen. Wider die<lb/> Vertauschung des Einzel-Staatspapiergeldes gegen ein Reichspapiergeld würde die<lb/> sächsische Negierung nichts haben, aNein die Reduction des ganzen Staats¬<lb/> papiergeldes auf eine so geringe Summe wie 3 Mark (1 Thlr.) per Kopf<lb/> der Bevölkerung bedingt ja freilich für Sachsen, das über 12 Millionen<lb/> Papiergeld hat, einen Ausfall von über 9—10 Millionen, der anderweit<lb/> ersetzt werden müßte. Dagegen sträubt man sich trotz aller Erleichterungen,<lb/> welche für diesen Uebergang die Reichsgesetzgebung den betheiligten Staaten<lb/> und namentlich Sachsen gewähren will. Der Minister des Auswärtigen v-<lb/> Friesen, der gewiß gern in dieser wie in allen Angelegenheiten seine „reichs-<lb/> sreundliche" Gesinnung bethätigen möchte, geräth hier in einen fatalen Con¬<lb/> flict mit dem Finanzminister v. Friesen, dem es obliegt, für die blühenden<lb/> Finanzen in Sachsen zu sorgen. Die Particularisten werden natürlich im<lb/> sächsischen Landtag dieses Motiv in den Vordergrund rücken (wie es Abg.<lb/> Günther bereits im Reichstage gethan hat) und damit auftrumpfen. Für<lb/> die liberale Partei ist die Stellung zu dieser Frage keine ganz leichte. In<lb/> Geldsachen hört nicht blos die Gemüthlichkeit, sondern bei vielen Leuten auch<lb/> die „Reichsfreundlichkeit" auf, sobald diese pecuniäre Opfer fordert. Und ein<lb/> pecuniäres Opfer ist allerdings für Sachsen die Einlösung eines so bedeuten¬<lb/> den Theiles seines Staatspapiergeldes, mögen die Modalitäten der Einlösung<lb/> noch so glimpfliche sein. Hier wird es sich zeigen, ob die Liberalen Sachsens<lb/> sich auf den höheren als den blos caleulatorischen Standpunkt zu stellen fähig<lb/> und bereit sind. Daß die Reduction des Staatspapiergeldes aus allgemeinen<lb/> volkswirtschaftlichen Gründen geboten, daß ferner die Jnswerksetzung dieser<lb/> Maßregel bei Gelegenheit der Einführung der Goldwährung angezeigt ist,<lb/> wird kaum Jemand leugnen wollen. Sachsen hat bisher durch Ausgabe<lb/> eines verhältnißmäßig ziemlich starken Betrages von Staatspapiergeld — etwa<lb/> 8 Thlr. auf den Kopf — eine sehr namhafte Zinsenersparniß gemacht. Es<lb/> kann und wird sich mit diesem Vortheil, den es in der Vergangenheit genossen<lb/> hat, begnügen und nicht verlangen, daß derselbe verewigt werde auf Kosten einer<lb/> volkswirtschaftlich rationellen Regelung des gesammten Geldwesens und des<lb/> Verhältnisses von Geld- und Waarenpreisen zueinander, wie eine solche zu<lb/> den unabweisbaren Nothwendigkeiten und Aufgaben des neuen deutschen Rei¬<lb/> ches gehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_1498"> Man bedenke doch nur, daß, wollten alle deutschen Staaten im Verhält¬<lb/> niß wie Sachsen Staatspapiergeld ausgeben, statt der einigen 60 Mill. Thlr.,<lb/> die wir jetzt haben, und der 40 Mill., auf welche diese Summe allmählig re-<lb/> ducirt werden soll, der deutsche Markt mit etwa 200 Mill. Thlr. Staats¬<lb/> papiergeld überschwemmt würde! Und wer wollte es den anderen deutschen<lb/> Staaten verdenken, wenn sie den Vortheil, den Sachsen von seinem vielen<lb/> Staatspapiergeld zieht, gleichermaßen auch für sich ansprachen?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
Lösung dieser Frage bis jetzt sich nicht einverstanden erklären mögen. Wider die
Vertauschung des Einzel-Staatspapiergeldes gegen ein Reichspapiergeld würde die
sächsische Negierung nichts haben, aNein die Reduction des ganzen Staats¬
papiergeldes auf eine so geringe Summe wie 3 Mark (1 Thlr.) per Kopf
der Bevölkerung bedingt ja freilich für Sachsen, das über 12 Millionen
Papiergeld hat, einen Ausfall von über 9—10 Millionen, der anderweit
ersetzt werden müßte. Dagegen sträubt man sich trotz aller Erleichterungen,
welche für diesen Uebergang die Reichsgesetzgebung den betheiligten Staaten
und namentlich Sachsen gewähren will. Der Minister des Auswärtigen v-
Friesen, der gewiß gern in dieser wie in allen Angelegenheiten seine „reichs-
sreundliche" Gesinnung bethätigen möchte, geräth hier in einen fatalen Con¬
flict mit dem Finanzminister v. Friesen, dem es obliegt, für die blühenden
Finanzen in Sachsen zu sorgen. Die Particularisten werden natürlich im
sächsischen Landtag dieses Motiv in den Vordergrund rücken (wie es Abg.
Günther bereits im Reichstage gethan hat) und damit auftrumpfen. Für
die liberale Partei ist die Stellung zu dieser Frage keine ganz leichte. In
Geldsachen hört nicht blos die Gemüthlichkeit, sondern bei vielen Leuten auch
die „Reichsfreundlichkeit" auf, sobald diese pecuniäre Opfer fordert. Und ein
pecuniäres Opfer ist allerdings für Sachsen die Einlösung eines so bedeuten¬
den Theiles seines Staatspapiergeldes, mögen die Modalitäten der Einlösung
noch so glimpfliche sein. Hier wird es sich zeigen, ob die Liberalen Sachsens
sich auf den höheren als den blos caleulatorischen Standpunkt zu stellen fähig
und bereit sind. Daß die Reduction des Staatspapiergeldes aus allgemeinen
volkswirtschaftlichen Gründen geboten, daß ferner die Jnswerksetzung dieser
Maßregel bei Gelegenheit der Einführung der Goldwährung angezeigt ist,
wird kaum Jemand leugnen wollen. Sachsen hat bisher durch Ausgabe
eines verhältnißmäßig ziemlich starken Betrages von Staatspapiergeld — etwa
8 Thlr. auf den Kopf — eine sehr namhafte Zinsenersparniß gemacht. Es
kann und wird sich mit diesem Vortheil, den es in der Vergangenheit genossen
hat, begnügen und nicht verlangen, daß derselbe verewigt werde auf Kosten einer
volkswirtschaftlich rationellen Regelung des gesammten Geldwesens und des
Verhältnisses von Geld- und Waarenpreisen zueinander, wie eine solche zu
den unabweisbaren Nothwendigkeiten und Aufgaben des neuen deutschen Rei¬
ches gehört.
Man bedenke doch nur, daß, wollten alle deutschen Staaten im Verhält¬
niß wie Sachsen Staatspapiergeld ausgeben, statt der einigen 60 Mill. Thlr.,
die wir jetzt haben, und der 40 Mill., auf welche diese Summe allmählig re-
ducirt werden soll, der deutsche Markt mit etwa 200 Mill. Thlr. Staats¬
papiergeld überschwemmt würde! Und wer wollte es den anderen deutschen
Staaten verdenken, wenn sie den Vortheil, den Sachsen von seinem vielen
Staatspapiergeld zieht, gleichermaßen auch für sich ansprachen?
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