Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.mus, eine Abkürzung der tödtlich weitschweifigen Verhandlungen und damit Dieses Programm, von national-liberaler Seite aufgestellt und proclamirt, Ein weiterer Schritt zur Consolidation einer gemeinsamen liberalen Partei So vorbereitet trat die Partei in den Landtag von 1869/70 ein. Das mus, eine Abkürzung der tödtlich weitschweifigen Verhandlungen und damit Dieses Programm, von national-liberaler Seite aufgestellt und proclamirt, Ein weiterer Schritt zur Consolidation einer gemeinsamen liberalen Partei So vorbereitet trat die Partei in den Landtag von 1869/70 ein. Das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193239"/> <p xml:id="ID_1466" prev="#ID_1465"> mus, eine Abkürzung der tödtlich weitschweifigen Verhandlungen und damit<lb/> auch der schon an sich, vollends aber im Hinblick auf die parlamentarischen<lb/> Anforderungen des größeren Ganzen (damals noch des Norddeutschen Bundes)<lb/> unerträglich langen Landtagssessionen, in Aussicht genommen. Es ward dabei<lb/> sogar das kühne Wort: Einkammersystem—- mehr noch aus Zwcckmäßigkeits-<lb/> gründen der eben angedeuteten Art, als aus politischer Antipathie gegen die<lb/> Erste Kammer, wie sie dermalen in Sachsen ist — ausgesprochen. Dann folgten<lb/> Wünsche nach Reformen der Staats- und Gemeindeverfassung im Sinne größerer<lb/> Selbstverwaltung und Verminderung der bureaukratischen Zuvielregiererei,<lb/> Wünsche nach Verbesserung des Schulwesens durch Beschränkung des Kirchlichen,<lb/> dagegen Hebung des Einflusses der Gemeinde und der Familie auf die Schule,<lb/> sowie Erweiterung des Volksunterrichts besonders in seiner Anwendbarkeit<lb/> fürs Leben, Wünsche nach Aushebung des Patronatsrcchts, Wünsche nach<lb/> einer gerechteren und richtigeren Vertheilung der Steuerkasten u. tgi. in.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467"> Dieses Programm, von national-liberaler Seite aufgestellt und proclamirt,<lb/> ward die gemeinsame Grundlage der ganzen damaligen Wahlagitation im<lb/> liberalen Lager. Fast kein liberaler Candidat ward gewählt, der nicht auf die<lb/> darin enthaltenen Grundsätze sich verpflichtet hätte, oder verpflichtet worden<lb/> wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1468"> Ein weiterer Schritt zur Consolidation einer gemeinsamen liberalen Partei<lb/> geschah dadurch, daß bald nach den Wahlen und einige Zeit vor Zusammen¬<lb/> tritt des Landtags eine Versammlung der neugewählten liberalen Abgeordneten<lb/> — ohne Unterschied der speciellen Parteischattirung — nach Chemnitz berufen<lb/> ward. Bei dieser erschienen Mitglieder der Fortschrittspartei so gut wie<lb/> National-Liberale und solche, die keiner dieser beiden Gruppen streng angehörten-<lb/> Dort ward, auf Grund des Leipziger Programms, der Feldzugsplan und die<lb/> Taktik der liberalen Partei im Landtage selbst im Einzelnen vorberathen,<lb/> bestimmte Anträge, die man stellen wollte, wurden verabredet, die Rollen für<lb/> den bevorstehenden parlamentarischen Kampf wurden vertheilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1469" next="#ID_1470"> So vorbereitet trat die Partei in den Landtag von 1869/70 ein. Das<lb/> äußere Band war und blieb noch ein lockeres: zeitweilige Gesammtversamm-<lb/> lungen aller sog. Liberalen, woneben aber gesonderte Fractionen der National-<lb/> Liberalen, der Fortschrittspartei, endlich einer Anzahl solcher fortbestanden,<lb/> die sich keiner bestimmten Fraction und selber dem Nahmen einer allgemeinen<lb/> liberalen Partei nur ungern einfügten, daher meist auch fortwährend unsichere<lb/> und unzuverlässige Bundesgenossen waren. Trotz dieser mangelhaften Orga¬<lb/> nisation, die sich nicht nur in dem häufigen Abfall einzelner Mitglieder von<lb/> der Gesammtpartei bei wichtigen Fragen (der Präsidentenwahl, der Adresse,<lb/> dem sogen. Riedel'schen Antrage wegen Verfassungsänderung), sondern auch<lb/> in einzelnen selbst feindlichen Gegenüberstellungen der verschiedenen liberalen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
mus, eine Abkürzung der tödtlich weitschweifigen Verhandlungen und damit
auch der schon an sich, vollends aber im Hinblick auf die parlamentarischen
Anforderungen des größeren Ganzen (damals noch des Norddeutschen Bundes)
unerträglich langen Landtagssessionen, in Aussicht genommen. Es ward dabei
sogar das kühne Wort: Einkammersystem—- mehr noch aus Zwcckmäßigkeits-
gründen der eben angedeuteten Art, als aus politischer Antipathie gegen die
Erste Kammer, wie sie dermalen in Sachsen ist — ausgesprochen. Dann folgten
Wünsche nach Reformen der Staats- und Gemeindeverfassung im Sinne größerer
Selbstverwaltung und Verminderung der bureaukratischen Zuvielregiererei,
Wünsche nach Verbesserung des Schulwesens durch Beschränkung des Kirchlichen,
dagegen Hebung des Einflusses der Gemeinde und der Familie auf die Schule,
sowie Erweiterung des Volksunterrichts besonders in seiner Anwendbarkeit
fürs Leben, Wünsche nach Aushebung des Patronatsrcchts, Wünsche nach
einer gerechteren und richtigeren Vertheilung der Steuerkasten u. tgi. in.
Dieses Programm, von national-liberaler Seite aufgestellt und proclamirt,
ward die gemeinsame Grundlage der ganzen damaligen Wahlagitation im
liberalen Lager. Fast kein liberaler Candidat ward gewählt, der nicht auf die
darin enthaltenen Grundsätze sich verpflichtet hätte, oder verpflichtet worden
wäre.
Ein weiterer Schritt zur Consolidation einer gemeinsamen liberalen Partei
geschah dadurch, daß bald nach den Wahlen und einige Zeit vor Zusammen¬
tritt des Landtags eine Versammlung der neugewählten liberalen Abgeordneten
— ohne Unterschied der speciellen Parteischattirung — nach Chemnitz berufen
ward. Bei dieser erschienen Mitglieder der Fortschrittspartei so gut wie
National-Liberale und solche, die keiner dieser beiden Gruppen streng angehörten-
Dort ward, auf Grund des Leipziger Programms, der Feldzugsplan und die
Taktik der liberalen Partei im Landtage selbst im Einzelnen vorberathen,
bestimmte Anträge, die man stellen wollte, wurden verabredet, die Rollen für
den bevorstehenden parlamentarischen Kampf wurden vertheilt.
So vorbereitet trat die Partei in den Landtag von 1869/70 ein. Das
äußere Band war und blieb noch ein lockeres: zeitweilige Gesammtversamm-
lungen aller sog. Liberalen, woneben aber gesonderte Fractionen der National-
Liberalen, der Fortschrittspartei, endlich einer Anzahl solcher fortbestanden,
die sich keiner bestimmten Fraction und selber dem Nahmen einer allgemeinen
liberalen Partei nur ungern einfügten, daher meist auch fortwährend unsichere
und unzuverlässige Bundesgenossen waren. Trotz dieser mangelhaften Orga¬
nisation, die sich nicht nur in dem häufigen Abfall einzelner Mitglieder von
der Gesammtpartei bei wichtigen Fragen (der Präsidentenwahl, der Adresse,
dem sogen. Riedel'schen Antrage wegen Verfassungsänderung), sondern auch
in einzelnen selbst feindlichen Gegenüberstellungen der verschiedenen liberalen
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