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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Die liberalen Notabilitäten des Landes hatten sich während dieser Zeit
zu verschiedenen Malen mit der Bitte an den König-Großherzog gewandt, den
religiös-politischen Wirren, wie sie durch Hrn. Laurent bei uns geschaffen
worden waren, dadurch ein Ende zu machen, daß er den "Ränkeschmied" aus
dem Land weise. Und wirklich, die intelligente öffentliche Meinung war be-
reits so laut und so mächtig bei uns geworden, daß es selbst dem Fürsten
nicht leicht mehr war, derselben noch länger zu widerstehen. Da brach zu
Paris die Revolution von 1848 aus und wie ein Lauffeuer verbreitete sich
dieselbe über ganz Europa.

Hr. Laurenr glaubte jetzt den Moment gekommen, seine absolute unbe¬
grenzte Herrschaft über unser Land zu begründen. Seine Pastöre und Vi¬
kare, alles Zöglinge seines Priesterseminars und ihm mit blindem Fanatis¬
mus ergeben, waren allenthalben die Herren und Meister in ihren Pfarreien.
In der Hauptstadt selbst wie in deren nächsten Umgebung hatten sich fromme
Jünglings- und Männervereine während der Zeit gebildet, die von Creaturen
des Bischofs geleitet wurden. Die Normalschüler, sowie auch die Studenten
des Athenäums, welche sich hier auf den geistlichen Stand vorbereiteten, wa¬
ren von ihren Neligionslehrern während einiger Zeit gedrillt, und auf die
Dinge, die da kommen sollten, vorbereitet worden. Kurz Alles war, wie es
Hr. Laurenr gewünscht hatte und er glaubte nun nicht länger mehr mit dem
Zeichen warten zu brauchen, das die Massen zu seinen Gunsten und wider die
Gesetze und die Regierung des Landes aufrufen sollte.

Das Zeichen ward gegeben und der Sturm (allerdings der Sturm im
Glase Wasser) brach los. Die Hefe des Volkes war das Element dieses Sturmes.
Schmutzig und gemein waren die tobenden Rotten und schmutzig und gemein
die Handlungen derselben. Hin und wieder sah man die Soutane eines Priesters
durch die schmutzigen, zerlumpten Massen durchscheinen. Die jungen Mkare
oder Kapläne des hochwürdigen Bischofs spielten hier die Rädelsführer, wenn
nicht die Anführer. Doch der ganze Pulses scheiterte an dem gesunden Sinne
und der Ordnungsliebe der Luxemburger. Die Bürger der Hauptstadt ließen
sich von dem Stadtcommandanten der Garnison Waffen geben und durchzogen
bewaffnet die Straßen, wo die tobende, in Branntwein berauschte rohe Menge
die besten Bürger beschimpfte, "Tod der Regierung und den Freimaurern!"
schrie, und den Leuten die Fensterläden entzweischlug und die Scheiben ein¬
warf. Wie Spreu flog das Pack auseinander beim Anblick der bewaffneten
Bürgerwehr. Auf preußische Flinten hatte die feige Bande nicht gerechnet.
Diese machten ihre ganze Rechnung zu Schanden. Kurz, der Pulses war
verpfuscht; Hr. Laurent hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht, und
mußte zu seinem größten Verdruß von allen Kanzeln des Landes wieder ab¬
wiegeln lassen. Er fühlte, daß er einen kolossalen politischen Fehler gemacht


Die liberalen Notabilitäten des Landes hatten sich während dieser Zeit
zu verschiedenen Malen mit der Bitte an den König-Großherzog gewandt, den
religiös-politischen Wirren, wie sie durch Hrn. Laurent bei uns geschaffen
worden waren, dadurch ein Ende zu machen, daß er den „Ränkeschmied" aus
dem Land weise. Und wirklich, die intelligente öffentliche Meinung war be-
reits so laut und so mächtig bei uns geworden, daß es selbst dem Fürsten
nicht leicht mehr war, derselben noch länger zu widerstehen. Da brach zu
Paris die Revolution von 1848 aus und wie ein Lauffeuer verbreitete sich
dieselbe über ganz Europa.

Hr. Laurenr glaubte jetzt den Moment gekommen, seine absolute unbe¬
grenzte Herrschaft über unser Land zu begründen. Seine Pastöre und Vi¬
kare, alles Zöglinge seines Priesterseminars und ihm mit blindem Fanatis¬
mus ergeben, waren allenthalben die Herren und Meister in ihren Pfarreien.
In der Hauptstadt selbst wie in deren nächsten Umgebung hatten sich fromme
Jünglings- und Männervereine während der Zeit gebildet, die von Creaturen
des Bischofs geleitet wurden. Die Normalschüler, sowie auch die Studenten
des Athenäums, welche sich hier auf den geistlichen Stand vorbereiteten, wa¬
ren von ihren Neligionslehrern während einiger Zeit gedrillt, und auf die
Dinge, die da kommen sollten, vorbereitet worden. Kurz Alles war, wie es
Hr. Laurenr gewünscht hatte und er glaubte nun nicht länger mehr mit dem
Zeichen warten zu brauchen, das die Massen zu seinen Gunsten und wider die
Gesetze und die Regierung des Landes aufrufen sollte.

Das Zeichen ward gegeben und der Sturm (allerdings der Sturm im
Glase Wasser) brach los. Die Hefe des Volkes war das Element dieses Sturmes.
Schmutzig und gemein waren die tobenden Rotten und schmutzig und gemein
die Handlungen derselben. Hin und wieder sah man die Soutane eines Priesters
durch die schmutzigen, zerlumpten Massen durchscheinen. Die jungen Mkare
oder Kapläne des hochwürdigen Bischofs spielten hier die Rädelsführer, wenn
nicht die Anführer. Doch der ganze Pulses scheiterte an dem gesunden Sinne
und der Ordnungsliebe der Luxemburger. Die Bürger der Hauptstadt ließen
sich von dem Stadtcommandanten der Garnison Waffen geben und durchzogen
bewaffnet die Straßen, wo die tobende, in Branntwein berauschte rohe Menge
die besten Bürger beschimpfte, „Tod der Regierung und den Freimaurern!"
schrie, und den Leuten die Fensterläden entzweischlug und die Scheiben ein¬
warf. Wie Spreu flog das Pack auseinander beim Anblick der bewaffneten
Bürgerwehr. Auf preußische Flinten hatte die feige Bande nicht gerechnet.
Diese machten ihre ganze Rechnung zu Schanden. Kurz, der Pulses war
verpfuscht; Hr. Laurent hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht, und
mußte zu seinem größten Verdruß von allen Kanzeln des Landes wieder ab¬
wiegeln lassen. Er fühlte, daß er einen kolossalen politischen Fehler gemacht


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[0427] Die liberalen Notabilitäten des Landes hatten sich während dieser Zeit zu verschiedenen Malen mit der Bitte an den König-Großherzog gewandt, den religiös-politischen Wirren, wie sie durch Hrn. Laurent bei uns geschaffen worden waren, dadurch ein Ende zu machen, daß er den „Ränkeschmied" aus dem Land weise. Und wirklich, die intelligente öffentliche Meinung war be- reits so laut und so mächtig bei uns geworden, daß es selbst dem Fürsten nicht leicht mehr war, derselben noch länger zu widerstehen. Da brach zu Paris die Revolution von 1848 aus und wie ein Lauffeuer verbreitete sich dieselbe über ganz Europa. Hr. Laurenr glaubte jetzt den Moment gekommen, seine absolute unbe¬ grenzte Herrschaft über unser Land zu begründen. Seine Pastöre und Vi¬ kare, alles Zöglinge seines Priesterseminars und ihm mit blindem Fanatis¬ mus ergeben, waren allenthalben die Herren und Meister in ihren Pfarreien. In der Hauptstadt selbst wie in deren nächsten Umgebung hatten sich fromme Jünglings- und Männervereine während der Zeit gebildet, die von Creaturen des Bischofs geleitet wurden. Die Normalschüler, sowie auch die Studenten des Athenäums, welche sich hier auf den geistlichen Stand vorbereiteten, wa¬ ren von ihren Neligionslehrern während einiger Zeit gedrillt, und auf die Dinge, die da kommen sollten, vorbereitet worden. Kurz Alles war, wie es Hr. Laurenr gewünscht hatte und er glaubte nun nicht länger mehr mit dem Zeichen warten zu brauchen, das die Massen zu seinen Gunsten und wider die Gesetze und die Regierung des Landes aufrufen sollte. Das Zeichen ward gegeben und der Sturm (allerdings der Sturm im Glase Wasser) brach los. Die Hefe des Volkes war das Element dieses Sturmes. Schmutzig und gemein waren die tobenden Rotten und schmutzig und gemein die Handlungen derselben. Hin und wieder sah man die Soutane eines Priesters durch die schmutzigen, zerlumpten Massen durchscheinen. Die jungen Mkare oder Kapläne des hochwürdigen Bischofs spielten hier die Rädelsführer, wenn nicht die Anführer. Doch der ganze Pulses scheiterte an dem gesunden Sinne und der Ordnungsliebe der Luxemburger. Die Bürger der Hauptstadt ließen sich von dem Stadtcommandanten der Garnison Waffen geben und durchzogen bewaffnet die Straßen, wo die tobende, in Branntwein berauschte rohe Menge die besten Bürger beschimpfte, „Tod der Regierung und den Freimaurern!" schrie, und den Leuten die Fensterläden entzweischlug und die Scheiben ein¬ warf. Wie Spreu flog das Pack auseinander beim Anblick der bewaffneten Bürgerwehr. Auf preußische Flinten hatte die feige Bande nicht gerechnet. Diese machten ihre ganze Rechnung zu Schanden. Kurz, der Pulses war verpfuscht; Hr. Laurent hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht, und mußte zu seinem größten Verdruß von allen Kanzeln des Landes wieder ab¬ wiegeln lassen. Er fühlte, daß er einen kolossalen politischen Fehler gemacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/427>, abgerufen am 06.02.2025.