Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Auffände im Hroszherzogthum Luxemburg und ihre
Ursachen.

Das Luxemburgische Volk ist ein durch und durch deutsches. Seine
Gemüthsart, seine Sprache, seine Sitten und Bräuche, sein Volkslied --
alles ist deutsch an ihm. Dies Volk, wie seine Sprache das unwiderleglich
darthut, ist rein altsächsischen Stammes. Sein Dialekt ist fast genau derselbe,
wie derjenige der Sachsen in Siebenbürgen. Verschiedene Luxemburger, die
durch Siebenbürgen gekommen sind, haben sich dort wie in ihrer Heimath
unter den vaterländischen Lauten wiedergefunden. -- Die Bevölkerung des
Großherzogthums ist im Großen und Ganzen genommen noch immer eine
durch und durch gesunde und unverdorbene, so vieles auch die Jesuiten und
ihre Helfershelfer seit etwa 40 Jahren gethan haben, um sie zu demoralifiren
und für ihre schlechten Zwecke reif zu machen. Das arme Völklein, so treu,
so bieder,*) so rührig und so gutmüthig, ist, soweit man zurückdenken kann,
stets der Spielball in der Hand des Fremdlings gewesen. Es hat mit seinem
Blute alle Schlachtgesilde Europas düngen helfen müssen. Es hat allen
fremden Mächten ringsherum der Reihe nach gedient: dem Burgunder, dem
Spanier, dem Oesterreicher, dem Franzosen, dem Holländer, dem Belgier, und
ist meistens nur ein Mittel in der Hand der Gewaltherrschaft zu fremden
Zwecken gewesen. Von keiner Gewaltherrschaft aber ist es so Mitleids- und
rücksichtslos ausgebeutet worden, als von der Priesterherrschaft, nicht einmal
von der Feudalherrschaft. Sogar die französische Revolution von 1793, die in
diesem Ländchen mit so vielen alten und verrotteten Zuständen aufgeräumt
hat, konnte die Priesterherrschaft nicht auf die Dauer brechen. -- Wie groß
die Macht der schwarzen Sippe im Luxemburger Lande schon wieder im Jahre
1830 war, beweist die ungeheuere Leichtigkeit, mit welcher in diesem Jahre
ein ganzes Volk, auf das Wort seiner Priester und ihrer verkappten Helfers¬
helfer, seinem angestammten Fürsten den Eid der Treue brach, sich von dem
Herrscherhnuse lossagte, und sich den Revolutionshelden in Belgien, diesen
Werkzeugen des Jesuitismus, anschloß. Von dieser belgischen Revolution an
datirt der Aufschwung der finstern, reactionären Mächte, die heute das Luxem¬
burger Land so zu sagen unumschränkt beherrschen. Die Dynastie des er¬
lauchten Hauses von Oranien-Nassau war den Dunkelmännern in Belgien
und bei uns viel zu liberal. Wilhelm I., der König von Holland und
Großherzog von Luxemburg, that zu viel für Volksbildung, sowohl in Bel¬
gien und bei uns, als in Holland selbst. Die Volksschulen, die bis dahin so



') Ein alter Geschichtschreiber hat die Luxemburger "Ein gut getrew Volt" ge¬
nannt.
Die Auffände im Hroszherzogthum Luxemburg und ihre
Ursachen.

Das Luxemburgische Volk ist ein durch und durch deutsches. Seine
Gemüthsart, seine Sprache, seine Sitten und Bräuche, sein Volkslied —
alles ist deutsch an ihm. Dies Volk, wie seine Sprache das unwiderleglich
darthut, ist rein altsächsischen Stammes. Sein Dialekt ist fast genau derselbe,
wie derjenige der Sachsen in Siebenbürgen. Verschiedene Luxemburger, die
durch Siebenbürgen gekommen sind, haben sich dort wie in ihrer Heimath
unter den vaterländischen Lauten wiedergefunden. — Die Bevölkerung des
Großherzogthums ist im Großen und Ganzen genommen noch immer eine
durch und durch gesunde und unverdorbene, so vieles auch die Jesuiten und
ihre Helfershelfer seit etwa 40 Jahren gethan haben, um sie zu demoralifiren
und für ihre schlechten Zwecke reif zu machen. Das arme Völklein, so treu,
so bieder,*) so rührig und so gutmüthig, ist, soweit man zurückdenken kann,
stets der Spielball in der Hand des Fremdlings gewesen. Es hat mit seinem
Blute alle Schlachtgesilde Europas düngen helfen müssen. Es hat allen
fremden Mächten ringsherum der Reihe nach gedient: dem Burgunder, dem
Spanier, dem Oesterreicher, dem Franzosen, dem Holländer, dem Belgier, und
ist meistens nur ein Mittel in der Hand der Gewaltherrschaft zu fremden
Zwecken gewesen. Von keiner Gewaltherrschaft aber ist es so Mitleids- und
rücksichtslos ausgebeutet worden, als von der Priesterherrschaft, nicht einmal
von der Feudalherrschaft. Sogar die französische Revolution von 1793, die in
diesem Ländchen mit so vielen alten und verrotteten Zuständen aufgeräumt
hat, konnte die Priesterherrschaft nicht auf die Dauer brechen. — Wie groß
die Macht der schwarzen Sippe im Luxemburger Lande schon wieder im Jahre
1830 war, beweist die ungeheuere Leichtigkeit, mit welcher in diesem Jahre
ein ganzes Volk, auf das Wort seiner Priester und ihrer verkappten Helfers¬
helfer, seinem angestammten Fürsten den Eid der Treue brach, sich von dem
Herrscherhnuse lossagte, und sich den Revolutionshelden in Belgien, diesen
Werkzeugen des Jesuitismus, anschloß. Von dieser belgischen Revolution an
datirt der Aufschwung der finstern, reactionären Mächte, die heute das Luxem¬
burger Land so zu sagen unumschränkt beherrschen. Die Dynastie des er¬
lauchten Hauses von Oranien-Nassau war den Dunkelmännern in Belgien
und bei uns viel zu liberal. Wilhelm I., der König von Holland und
Großherzog von Luxemburg, that zu viel für Volksbildung, sowohl in Bel¬
gien und bei uns, als in Holland selbst. Die Volksschulen, die bis dahin so



') Ein alter Geschichtschreiber hat die Luxemburger „Ein gut getrew Volt" ge¬
nannt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193225"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Auffände im Hroszherzogthum Luxemburg und ihre<lb/>
Ursachen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1431" next="#ID_1432"> Das Luxemburgische Volk ist ein durch und durch deutsches. Seine<lb/>
Gemüthsart, seine Sprache, seine Sitten und Bräuche, sein Volkslied &#x2014;<lb/>
alles ist deutsch an ihm. Dies Volk, wie seine Sprache das unwiderleglich<lb/>
darthut, ist rein altsächsischen Stammes. Sein Dialekt ist fast genau derselbe,<lb/>
wie derjenige der Sachsen in Siebenbürgen. Verschiedene Luxemburger, die<lb/>
durch Siebenbürgen gekommen sind, haben sich dort wie in ihrer Heimath<lb/>
unter den vaterländischen Lauten wiedergefunden. &#x2014; Die Bevölkerung des<lb/>
Großherzogthums ist im Großen und Ganzen genommen noch immer eine<lb/>
durch und durch gesunde und unverdorbene, so vieles auch die Jesuiten und<lb/>
ihre Helfershelfer seit etwa 40 Jahren gethan haben, um sie zu demoralifiren<lb/>
und für ihre schlechten Zwecke reif zu machen. Das arme Völklein, so treu,<lb/>
so bieder,*) so rührig und so gutmüthig, ist, soweit man zurückdenken kann,<lb/>
stets der Spielball in der Hand des Fremdlings gewesen. Es hat mit seinem<lb/>
Blute alle Schlachtgesilde Europas düngen helfen müssen. Es hat allen<lb/>
fremden Mächten ringsherum der Reihe nach gedient: dem Burgunder, dem<lb/>
Spanier, dem Oesterreicher, dem Franzosen, dem Holländer, dem Belgier, und<lb/>
ist meistens nur ein Mittel in der Hand der Gewaltherrschaft zu fremden<lb/>
Zwecken gewesen. Von keiner Gewaltherrschaft aber ist es so Mitleids- und<lb/>
rücksichtslos ausgebeutet worden, als von der Priesterherrschaft, nicht einmal<lb/>
von der Feudalherrschaft. Sogar die französische Revolution von 1793, die in<lb/>
diesem Ländchen mit so vielen alten und verrotteten Zuständen aufgeräumt<lb/>
hat, konnte die Priesterherrschaft nicht auf die Dauer brechen. &#x2014; Wie groß<lb/>
die Macht der schwarzen Sippe im Luxemburger Lande schon wieder im Jahre<lb/>
1830 war, beweist die ungeheuere Leichtigkeit, mit welcher in diesem Jahre<lb/>
ein ganzes Volk, auf das Wort seiner Priester und ihrer verkappten Helfers¬<lb/>
helfer, seinem angestammten Fürsten den Eid der Treue brach, sich von dem<lb/>
Herrscherhnuse lossagte, und sich den Revolutionshelden in Belgien, diesen<lb/>
Werkzeugen des Jesuitismus, anschloß. Von dieser belgischen Revolution an<lb/>
datirt der Aufschwung der finstern, reactionären Mächte, die heute das Luxem¬<lb/>
burger Land so zu sagen unumschränkt beherrschen. Die Dynastie des er¬<lb/>
lauchten Hauses von Oranien-Nassau war den Dunkelmännern in Belgien<lb/>
und bei uns viel zu liberal. Wilhelm I., der König von Holland und<lb/>
Großherzog von Luxemburg, that zu viel für Volksbildung, sowohl in Bel¬<lb/>
gien und bei uns, als in Holland selbst.  Die Volksschulen, die bis dahin so</p><lb/>
          <note xml:id="FID_139" place="foot"> ') Ein alter Geschichtschreiber hat die Luxemburger &#x201E;Ein gut getrew Volt" ge¬<lb/>
nannt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0422] Die Auffände im Hroszherzogthum Luxemburg und ihre Ursachen. Das Luxemburgische Volk ist ein durch und durch deutsches. Seine Gemüthsart, seine Sprache, seine Sitten und Bräuche, sein Volkslied — alles ist deutsch an ihm. Dies Volk, wie seine Sprache das unwiderleglich darthut, ist rein altsächsischen Stammes. Sein Dialekt ist fast genau derselbe, wie derjenige der Sachsen in Siebenbürgen. Verschiedene Luxemburger, die durch Siebenbürgen gekommen sind, haben sich dort wie in ihrer Heimath unter den vaterländischen Lauten wiedergefunden. — Die Bevölkerung des Großherzogthums ist im Großen und Ganzen genommen noch immer eine durch und durch gesunde und unverdorbene, so vieles auch die Jesuiten und ihre Helfershelfer seit etwa 40 Jahren gethan haben, um sie zu demoralifiren und für ihre schlechten Zwecke reif zu machen. Das arme Völklein, so treu, so bieder,*) so rührig und so gutmüthig, ist, soweit man zurückdenken kann, stets der Spielball in der Hand des Fremdlings gewesen. Es hat mit seinem Blute alle Schlachtgesilde Europas düngen helfen müssen. Es hat allen fremden Mächten ringsherum der Reihe nach gedient: dem Burgunder, dem Spanier, dem Oesterreicher, dem Franzosen, dem Holländer, dem Belgier, und ist meistens nur ein Mittel in der Hand der Gewaltherrschaft zu fremden Zwecken gewesen. Von keiner Gewaltherrschaft aber ist es so Mitleids- und rücksichtslos ausgebeutet worden, als von der Priesterherrschaft, nicht einmal von der Feudalherrschaft. Sogar die französische Revolution von 1793, die in diesem Ländchen mit so vielen alten und verrotteten Zuständen aufgeräumt hat, konnte die Priesterherrschaft nicht auf die Dauer brechen. — Wie groß die Macht der schwarzen Sippe im Luxemburger Lande schon wieder im Jahre 1830 war, beweist die ungeheuere Leichtigkeit, mit welcher in diesem Jahre ein ganzes Volk, auf das Wort seiner Priester und ihrer verkappten Helfers¬ helfer, seinem angestammten Fürsten den Eid der Treue brach, sich von dem Herrscherhnuse lossagte, und sich den Revolutionshelden in Belgien, diesen Werkzeugen des Jesuitismus, anschloß. Von dieser belgischen Revolution an datirt der Aufschwung der finstern, reactionären Mächte, die heute das Luxem¬ burger Land so zu sagen unumschränkt beherrschen. Die Dynastie des er¬ lauchten Hauses von Oranien-Nassau war den Dunkelmännern in Belgien und bei uns viel zu liberal. Wilhelm I., der König von Holland und Großherzog von Luxemburg, that zu viel für Volksbildung, sowohl in Bel¬ gien und bei uns, als in Holland selbst. Die Volksschulen, die bis dahin so ') Ein alter Geschichtschreiber hat die Luxemburger „Ein gut getrew Volt" ge¬ nannt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/422
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/422>, abgerufen am 06.02.2025.