Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Es ist nunmehr beschlossen worden, daß alles Papiergeld, Banknoten und Dieser neue § 18, welchem die Reichsregierung durch ihren Vertreter Die Abendsitzung des 23. Juni ist berühmt geworden durch die Hinrich¬ Es ist nunmehr beschlossen worden, daß alles Papiergeld, Banknoten und Dieser neue § 18, welchem die Reichsregierung durch ihren Vertreter Die Abendsitzung des 23. Juni ist berühmt geworden durch die Hinrich¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192845"/> <p xml:id="ID_108" prev="#ID_107"> Es ist nunmehr beschlossen worden, daß alles Papiergeld, Banknoten und<lb/> Staatskassenscheine bis zum I. Januar 1876 eingelöst werden muß. Bankno¬<lb/> ten dürfen nur ausgegeben werden, wenn sie auf Neichswährung im Betrage<lb/> von mindestens 100 Mark lauten. Ueber die Ausgabe des Reichspapiergeldes<lb/> wird ein besonderes Neichsgesetz vorbehalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_109"> Dieser neue § 18, welchem die Reichsregierung durch ihren Vertreter<lb/> zugestimmt, enthält also zwei selbständige Bestimmungen: erstens, die Ein¬<lb/> ziehung des Papiergeldes bis zum 1. Januar 1876; zweitens, die Vorschrift<lb/> zur Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Schaffung von Reichspapiergeld.<lb/> Die Erfahrung ist in Deutschland hinlänglich gemacht, daß Vorschriften zum<lb/> Erlaß von Gesetzen, welche die Uebereinstimmung selbständiger Faktoren er¬<lb/> fordern, nichts sind als legislative Monologe, wie Herr v. Gerlach den Cha¬<lb/> rakter solcher Vorschriften treffend bezeichnet hat. Man kann sich also sehr<lb/> wohl denken, daß das Gesetz über die Ausgabe von Reichspapiergeld niemals<lb/> zu Stande kommt, während die Vorschrift zur Einziehung des Staatspapier¬<lb/> geldes kategorisch ist. Das deutsche Volk könnte sich zu diesem Verlauf aufs<lb/> lebhafteste Glück wünschen. Der Vertreter der Reichsregierung hat die Zu¬<lb/> stimmung des Bundesrathes zwar in Aussicht gestellt, aber wir können uns<lb/> nicht ganz der Furcht erwehren, daß die particularistischen Interessen nach¬<lb/> träglich sich gegen eine Bestimmung sträuben, die sie mindestens zwingen<lb/> würde, ihre Ansprüche bei der Schaffung des Reichspapiergeldes auf ein ge¬<lb/> bührendes Maß herabzusetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_110" next="#ID_111"> Die Abendsitzung des 23. Juni ist berühmt geworden durch die Hinrich¬<lb/> tung, welche Feldmarschall Moltke an dem Projekt, oder sollen wir sagen, an<lb/> der Illusion des Nordostseekanals vollzog. Unsererseits können wir freilich<lb/> mit dem Bekenntniß nicht zurückhalten, daß die Ausführung des großen<lb/> Strategen uns nur theilweise überzeugt hat. Für den Handel würde die Be¬<lb/> deutung des Canals nur eine ganz sekundäre sein: dieser Theil der Aus-<lb/> führung scheint unwiderleglich. Was aber die militärisch-maritime Bedeu¬<lb/> tung anlangt, so vermag ein profanes Auge schwer zu erkennen, daß die<lb/> Verbindung der beiden Meere, welche deutsche Küsten umspülen, auf dem<lb/> kürzesten Wege, nicht ein immenser Vortheil sein sollte. Wenn Graf Moltke<lb/> es sagt, so zweifeln wir nicht im geringsten daran, daß die großen Schiffe,<lb/> die wir in unserm Nordseerriegshafen bergen, auf keinen Fall verwendbar<lb/> sind in der Ostsee. Aber wir haben doch auch in der Nordsee kleinere Kriegs¬<lb/> schiffe, und die kleineren Kriegsschiffe der Ostsee können unter Umständen sehr<lb/> nützlich sein in der Nordsee. Zwei selbständige Flotten zu unterhalten, wozu<lb/> Graf Moltke den Reichstag hypothetisch aufforderte, scheint uns denn doch<lb/> ein Unding. Wir sind sehr dafür, die Zumuthungen an die Reichsfinanzen<lb/> nicht zu übertreiben. Dann möchten wir aber am liebsten, so lange der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
Es ist nunmehr beschlossen worden, daß alles Papiergeld, Banknoten und
Staatskassenscheine bis zum I. Januar 1876 eingelöst werden muß. Bankno¬
ten dürfen nur ausgegeben werden, wenn sie auf Neichswährung im Betrage
von mindestens 100 Mark lauten. Ueber die Ausgabe des Reichspapiergeldes
wird ein besonderes Neichsgesetz vorbehalten.
Dieser neue § 18, welchem die Reichsregierung durch ihren Vertreter
zugestimmt, enthält also zwei selbständige Bestimmungen: erstens, die Ein¬
ziehung des Papiergeldes bis zum 1. Januar 1876; zweitens, die Vorschrift
zur Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Schaffung von Reichspapiergeld.
Die Erfahrung ist in Deutschland hinlänglich gemacht, daß Vorschriften zum
Erlaß von Gesetzen, welche die Uebereinstimmung selbständiger Faktoren er¬
fordern, nichts sind als legislative Monologe, wie Herr v. Gerlach den Cha¬
rakter solcher Vorschriften treffend bezeichnet hat. Man kann sich also sehr
wohl denken, daß das Gesetz über die Ausgabe von Reichspapiergeld niemals
zu Stande kommt, während die Vorschrift zur Einziehung des Staatspapier¬
geldes kategorisch ist. Das deutsche Volk könnte sich zu diesem Verlauf aufs
lebhafteste Glück wünschen. Der Vertreter der Reichsregierung hat die Zu¬
stimmung des Bundesrathes zwar in Aussicht gestellt, aber wir können uns
nicht ganz der Furcht erwehren, daß die particularistischen Interessen nach¬
träglich sich gegen eine Bestimmung sträuben, die sie mindestens zwingen
würde, ihre Ansprüche bei der Schaffung des Reichspapiergeldes auf ein ge¬
bührendes Maß herabzusetzen.
Die Abendsitzung des 23. Juni ist berühmt geworden durch die Hinrich¬
tung, welche Feldmarschall Moltke an dem Projekt, oder sollen wir sagen, an
der Illusion des Nordostseekanals vollzog. Unsererseits können wir freilich
mit dem Bekenntniß nicht zurückhalten, daß die Ausführung des großen
Strategen uns nur theilweise überzeugt hat. Für den Handel würde die Be¬
deutung des Canals nur eine ganz sekundäre sein: dieser Theil der Aus-
führung scheint unwiderleglich. Was aber die militärisch-maritime Bedeu¬
tung anlangt, so vermag ein profanes Auge schwer zu erkennen, daß die
Verbindung der beiden Meere, welche deutsche Küsten umspülen, auf dem
kürzesten Wege, nicht ein immenser Vortheil sein sollte. Wenn Graf Moltke
es sagt, so zweifeln wir nicht im geringsten daran, daß die großen Schiffe,
die wir in unserm Nordseerriegshafen bergen, auf keinen Fall verwendbar
sind in der Ostsee. Aber wir haben doch auch in der Nordsee kleinere Kriegs¬
schiffe, und die kleineren Kriegsschiffe der Ostsee können unter Umständen sehr
nützlich sein in der Nordsee. Zwei selbständige Flotten zu unterhalten, wozu
Graf Moltke den Reichstag hypothetisch aufforderte, scheint uns denn doch
ein Unding. Wir sind sehr dafür, die Zumuthungen an die Reichsfinanzen
nicht zu übertreiben. Dann möchten wir aber am liebsten, so lange der
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