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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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reform im Wege der Selbstverwaltung ist aber nicht zu erreichen, wenn, wie
dies in der Theorie und Praris noch oft geschieht, die Ausgaben der Selbst¬
verwaltungskörper, Gemeinden, Kreise und Provinzen von denen des Staates
grundsätzlich getrennt werden. Die Beantwortung der Frage, welches natur¬
gemäße Verhältniß zwischen Staats- und Gemeindesteuer bestehe, d. h. mit
andern Worten, wem die Kosten der Selbstverwaltung zur Last zu legen
seien, schöpft der Verfasser aus der preußischen Geschichte der Communal-
steuern und Provinzialfonds, und gelangt zu dem Resultate, daß die Selbst¬
verwaltung zu einer Ueberweisung von Theilen des Budgets an die Selbst¬
verwaltungskörper führen müsse, also mittels einer finanziellen Auseinander¬
setzung zwischen diesen und dem Staate verwirklicht werden müsse. Die ge-
sammten Summen, deren der Staat und die Selbstverwaltung bedürfen, seien
zusammenzustellen und nach Maßgabe des Gesammtbedürfnisses die bisherigen
Steuersätze zu erhöhen. Den Gemeinden sollen dann im Budget entweder
bestimmte Einnahmezweige zugewiesen werden, oder haben sie ihre Bezüge
durch Vermittelung der Generalkasse zu erhalten. Die Controle und Decharche
der Rechnungen würde dann unter gemeinsamer Mitwirkung staatlicher und
gemeindlicher Behörden, oder von einer jeden derselben besonders für gewisse
Rechnungen geübt werden können.

Ein solches Verfahren werde einmal dadurch nothwendig, daß gewisse
Kreise schon jetzt außer Stande seien, aus eigener Tasche die Kosten der Selbst"
Verwaltung zu bestreiten, während sich andererseits aus dem Principe der
letzteren, welches darin besteht, daß gewisse bisher vom Staate ausgeführte
Leistungen auf die corporativen Verbände seines Organismus übertragen wer¬
den, die Verpflichtung sich construiren lasse, die dafür bisher bezogenen und
verwendeten Julräder zurückzugewähren.

Der Verfasser berührt hier die oft ventilirte Frage des Verhältnisses der
Staats- zu den Gemeindesteuern, welche auch seiner Zeit auf der Tagesord¬
nung der IX. Jahresversammlung des Kongresses Deutscher Volkswirthe, sowie
des letzten Sächsischen Städtetages gestanden hat. Können wir uns nun auch
weniger mit den von dem ersteren, dem Congresse Deutscher Volkswirthe ge¬
faßten Resolutionen befreunden, welche in der Hauptsache dahin gingen, daß
bei der wesentlichen Verschiedenheit der Zwecke des Staates und der Gemeinde
grundsätzlich eine Jdentificirung der Staats- und Gemeindesteuern nicht gerecht¬
fertigt erscheine, vielmehr Princip und Distributionsmodus der erforderlichen
Gemeindesteuer hauptsächlich von dem Zwecke abhängig sei, für den die be¬
treffende Steuer verwendet werde, so scheint uns doch aus der andern Seite
der Verfasser in Betreff der Identificirung der Staats- und Gemeindesteuern
zu weit zu gehen. Das Nichtige dürfte nach unserer Ansicht vielmehr in der
Mitte liegen: sobald der Staat statt der bisherigen Steuersysteme das vom
rein theoretischen Standpunkte allein richtige und. wenn auch unter Ueber-


reform im Wege der Selbstverwaltung ist aber nicht zu erreichen, wenn, wie
dies in der Theorie und Praris noch oft geschieht, die Ausgaben der Selbst¬
verwaltungskörper, Gemeinden, Kreise und Provinzen von denen des Staates
grundsätzlich getrennt werden. Die Beantwortung der Frage, welches natur¬
gemäße Verhältniß zwischen Staats- und Gemeindesteuer bestehe, d. h. mit
andern Worten, wem die Kosten der Selbstverwaltung zur Last zu legen
seien, schöpft der Verfasser aus der preußischen Geschichte der Communal-
steuern und Provinzialfonds, und gelangt zu dem Resultate, daß die Selbst¬
verwaltung zu einer Ueberweisung von Theilen des Budgets an die Selbst¬
verwaltungskörper führen müsse, also mittels einer finanziellen Auseinander¬
setzung zwischen diesen und dem Staate verwirklicht werden müsse. Die ge-
sammten Summen, deren der Staat und die Selbstverwaltung bedürfen, seien
zusammenzustellen und nach Maßgabe des Gesammtbedürfnisses die bisherigen
Steuersätze zu erhöhen. Den Gemeinden sollen dann im Budget entweder
bestimmte Einnahmezweige zugewiesen werden, oder haben sie ihre Bezüge
durch Vermittelung der Generalkasse zu erhalten. Die Controle und Decharche
der Rechnungen würde dann unter gemeinsamer Mitwirkung staatlicher und
gemeindlicher Behörden, oder von einer jeden derselben besonders für gewisse
Rechnungen geübt werden können.

Ein solches Verfahren werde einmal dadurch nothwendig, daß gewisse
Kreise schon jetzt außer Stande seien, aus eigener Tasche die Kosten der Selbst»
Verwaltung zu bestreiten, während sich andererseits aus dem Principe der
letzteren, welches darin besteht, daß gewisse bisher vom Staate ausgeführte
Leistungen auf die corporativen Verbände seines Organismus übertragen wer¬
den, die Verpflichtung sich construiren lasse, die dafür bisher bezogenen und
verwendeten Julräder zurückzugewähren.

Der Verfasser berührt hier die oft ventilirte Frage des Verhältnisses der
Staats- zu den Gemeindesteuern, welche auch seiner Zeit auf der Tagesord¬
nung der IX. Jahresversammlung des Kongresses Deutscher Volkswirthe, sowie
des letzten Sächsischen Städtetages gestanden hat. Können wir uns nun auch
weniger mit den von dem ersteren, dem Congresse Deutscher Volkswirthe ge¬
faßten Resolutionen befreunden, welche in der Hauptsache dahin gingen, daß
bei der wesentlichen Verschiedenheit der Zwecke des Staates und der Gemeinde
grundsätzlich eine Jdentificirung der Staats- und Gemeindesteuern nicht gerecht¬
fertigt erscheine, vielmehr Princip und Distributionsmodus der erforderlichen
Gemeindesteuer hauptsächlich von dem Zwecke abhängig sei, für den die be¬
treffende Steuer verwendet werde, so scheint uns doch aus der andern Seite
der Verfasser in Betreff der Identificirung der Staats- und Gemeindesteuern
zu weit zu gehen. Das Nichtige dürfte nach unserer Ansicht vielmehr in der
Mitte liegen: sobald der Staat statt der bisherigen Steuersysteme das vom
rein theoretischen Standpunkte allein richtige und. wenn auch unter Ueber-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/397>, abgerufen am 06.02.2025.