Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Konflikts, in welche die Gründung der hier in Rede stehenden Centralisation
Indessen, zu Ehren unserer Landsleute sei es gesagt, nur bei sehr we¬ Der Cen er alverein der deutschen Hilfsvereine in der Schweiz umfaßt Konflikts, in welche die Gründung der hier in Rede stehenden Centralisation
Indessen, zu Ehren unserer Landsleute sei es gesagt, nur bei sehr we¬ Der Cen er alverein der deutschen Hilfsvereine in der Schweiz umfaßt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193193"/> <p xml:id="ID_1329" prev="#ID_1328"> Konflikts, in welche die Gründung der hier in Rede stehenden Centralisation<lb/> fällt, bitter gehaßt und befehdet. Aber unsere damalige Art von Haß und<lb/> Fehde ist ein sanftes Mailüfterl im Vergleich zu dem atridisch - göttlichen<lb/> Vertilgungszorn, mit welchem der deutsche Flüchtling im Exil zu hassen<lb/> pflegte. Alles haßte, was anders denkt, dachte, gedacht hat und denken wird,<lb/> als er; anders handelt, handelte, gehandelt hat und handeln wird, als er.<lb/> Und er denkt und handelt allezeit einzig in seiner Art. Zu den großen<lb/> Meinungsverschiedenheiten über die Politik der damaligen Gegenwart traten<lb/> diejenigen über die Vergangenheit, namentlich über das Jahr 1848. Jeder<lb/> Einzelne hatte aus dem Schiffbruch seiner Carriere und Jugendhoffnungen<lb/> wenigstens die eine köstliche Ueberzeugung gerettet, daß es Anno 48 hätte<lb/> gelingen müssen, wenn es nach seinem Kopfe gegangen wäre, und daß alle<lb/> Andern schuld seien an dem Mißlingen der Revolution. Man kann sich<lb/> denken, wie wenig diese Weltanschauung von Haus aus zu einem freundlichen<lb/> Zusammenwirken der deutschen Flüchtlinge im Auslande, zu einer Verwirk,<lb/> lichung der alten Verse Simon Dach's führte:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_5" type="poem"> <l> Krankheit, Verfolgung, Betrübniß und Pein,<lb/> ' Soll unsrer Liebe Verknotigung sein.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1330"> Indessen, zu Ehren unserer Landsleute sei es gesagt, nur bei sehr we¬<lb/> nigen unserer Achtundvierziger, hat sich dieser unbelehrbare Dünkel unaus¬<lb/> rottbar gezeigt. Alle Andern haben im letzten Menschenalter sehr viel gelernt<lb/> und sehr viel vergessen, vor allem gelernt, Deutschland über Alles zu stellen,<lb/> und vergessen, den Werth des Menschen nur nach der eigenen Parteischablone<lb/> zu messen. Ihnen und den Hunderten von Deutschen, welche in der Schweiz<lb/> freiwillig zur Ausübung gelehrter, industrieller, kaufmännischer Berufsarten oder<lb/> aller denkbaren Gewerke ihr Domizil genommen haben, ist die Gründung<lb/> der deutschen Hilfsvereine in der Schweiz zu verdanken. Noch heute steht der<lb/> alte Achtundvierziger Nauwerk an der Spitze des Züricher, der Bruder Karl<lb/> Blind's. Herr Heinrich Blind, an der Spitze des Genfer-Deutschen Hilfsvereins.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331" next="#ID_1332"> Der Cen er alverein der deutschen Hilfsvereine in der Schweiz umfaßt<lb/> nach seiner neuesten Generalversammlung vom 29. Juni 1873 sieben Local-<lb/> vereine, diejenigen von Zürich, Basel, Bern. Genf, Aarau, Lausanne, Chur.<lb/> Da ein Localverein in den Ccntralverband nur aufgenommen werden darf,<lb/> wenn er „mindestens ein Jahr bestanden und seine Lebensfähigkeit bewiesen<lb/> hat", so haben wir es selbst bei den jüngsten deutschen Hilfsvereinen in der<lb/> Schweiz, denjenigen von Chur und Lausanne die erst dieses Jahr in den Cen-<lb/> tralverband aufgenommen wurden, mit bereits erprobten Verbindungen zu<lb/> thun. Ueber welche Mittel die Localvereine zu ihren mildthätigen Zwecken<lb/> durch Beisteuern der Mitglieder verfügen, können wir daraus berechnen, daß<lb/> die fünf Vereine der Kantone Aargau, Basel, Bern, Genf, Zürich an die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
Konflikts, in welche die Gründung der hier in Rede stehenden Centralisation
fällt, bitter gehaßt und befehdet. Aber unsere damalige Art von Haß und
Fehde ist ein sanftes Mailüfterl im Vergleich zu dem atridisch - göttlichen
Vertilgungszorn, mit welchem der deutsche Flüchtling im Exil zu hassen
pflegte. Alles haßte, was anders denkt, dachte, gedacht hat und denken wird,
als er; anders handelt, handelte, gehandelt hat und handeln wird, als er.
Und er denkt und handelt allezeit einzig in seiner Art. Zu den großen
Meinungsverschiedenheiten über die Politik der damaligen Gegenwart traten
diejenigen über die Vergangenheit, namentlich über das Jahr 1848. Jeder
Einzelne hatte aus dem Schiffbruch seiner Carriere und Jugendhoffnungen
wenigstens die eine köstliche Ueberzeugung gerettet, daß es Anno 48 hätte
gelingen müssen, wenn es nach seinem Kopfe gegangen wäre, und daß alle
Andern schuld seien an dem Mißlingen der Revolution. Man kann sich
denken, wie wenig diese Weltanschauung von Haus aus zu einem freundlichen
Zusammenwirken der deutschen Flüchtlinge im Auslande, zu einer Verwirk,
lichung der alten Verse Simon Dach's führte:
Krankheit, Verfolgung, Betrübniß und Pein,
' Soll unsrer Liebe Verknotigung sein.
Indessen, zu Ehren unserer Landsleute sei es gesagt, nur bei sehr we¬
nigen unserer Achtundvierziger, hat sich dieser unbelehrbare Dünkel unaus¬
rottbar gezeigt. Alle Andern haben im letzten Menschenalter sehr viel gelernt
und sehr viel vergessen, vor allem gelernt, Deutschland über Alles zu stellen,
und vergessen, den Werth des Menschen nur nach der eigenen Parteischablone
zu messen. Ihnen und den Hunderten von Deutschen, welche in der Schweiz
freiwillig zur Ausübung gelehrter, industrieller, kaufmännischer Berufsarten oder
aller denkbaren Gewerke ihr Domizil genommen haben, ist die Gründung
der deutschen Hilfsvereine in der Schweiz zu verdanken. Noch heute steht der
alte Achtundvierziger Nauwerk an der Spitze des Züricher, der Bruder Karl
Blind's. Herr Heinrich Blind, an der Spitze des Genfer-Deutschen Hilfsvereins.
Der Cen er alverein der deutschen Hilfsvereine in der Schweiz umfaßt
nach seiner neuesten Generalversammlung vom 29. Juni 1873 sieben Local-
vereine, diejenigen von Zürich, Basel, Bern. Genf, Aarau, Lausanne, Chur.
Da ein Localverein in den Ccntralverband nur aufgenommen werden darf,
wenn er „mindestens ein Jahr bestanden und seine Lebensfähigkeit bewiesen
hat", so haben wir es selbst bei den jüngsten deutschen Hilfsvereinen in der
Schweiz, denjenigen von Chur und Lausanne die erst dieses Jahr in den Cen-
tralverband aufgenommen wurden, mit bereits erprobten Verbindungen zu
thun. Ueber welche Mittel die Localvereine zu ihren mildthätigen Zwecken
durch Beisteuern der Mitglieder verfügen, können wir daraus berechnen, daß
die fünf Vereine der Kantone Aargau, Basel, Bern, Genf, Zürich an die
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