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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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ging auf die Papyrusstreifen*) über und ist noch in unserem Worte "Karte"
erhalten.

Als Tinte wurde eine von Gummi und feingeriebener Kohle hergestellte
Flüssigkeit, zu rother und gelber Schrift aber Bleioxyd und Ocker benützt;
als Federn lSchreibrohre) dienten die Binsenstäbe der Papyrusstaude oder
Pinsel von Haaren. Das Schreiben in dieser Art ist uralt; nach Lepstus
(Todtenbuch S. 17) will man bereis in Namensringen der vierten Dy¬
nastie, zu welcher die Erbauer der Pyramiden von Memphis gehören, die
Hieroglyphen für "Tintengefäß" und "Griffel" erkannt haben. Darstellungen
von Schreibern finden sich mehrfach an ägyptischen Bildsäulen. Der Schrei¬
ber kauert oder hockt sich nieder, hat auf einem Untersatz eine Tafel mit
ihrem einen Ende aufgelegt, während er das andere Ende mit der linken
Hand festhält, und führt mit der rechten Hand, in der sich zwischen Daumen
und Zeigefinger der Stift befindet, letzteren schräg über die Tafel. Die Schrift
lief gewöhnlich in senkrechten Säulen, die von rechts anfingen und
durch Längenstriche abgetheilt waren über das Papier; in der Mitte und
zur Seite wurde öfters Gemäldeschrift gesetzt. Später schlug die Richtung in
die wagerechte um, wobei die Theilung in Spalten und Seiten beibehalten
wurde.

Wie mühselig war sonst die Steinschrift gewesen, und wie leicht ließ
sich nach Bereitung des Papyrusstoffes durch schreibkundige alles Wichtige
aus dem Leben des Volkes hundelt! Religiöse Schriften, geschichtliche, medi¬
zinische und astronomische Abhandlungen wurden nun verfaßt (die "heiligen
Bücher" schon um 2700 v. Chr.); Rechtsgeschäfte, Verträge, Steuerregister,
Rechnungen ohne Mühe auf Papyrus vermerkt, und an die Stelle der alten
Stein-, Obelisken-, Gräber-, und Tempel-Schrift war die leichte Papyrusrolle
getreten.

Wie die Wurzeln der Hellenischen Kultur auf Aegypten hinweisen, so
läßt sich nach den Ergebnissen der Alterthumsforschung nicht verkennen, daß
die Grundlage der sehr alten Schriftentwicklung der Chaldäer ebenfalls in
Aegypten zu suchen ist. Wuttke hat dies durch eine eingehende Analyse der
Assyrischer Keilschrift nachgewiesen. Die heiligen Lieder der alten Eranier
(Parsen) enthalten noch keine Anspielung auf das Schreiben; die Zeit Zara-
thrusta's etwa 2000 v. Chr.) war jedenfalls eine schriftlose. Früher als die
Eranier haben die Chaldäer, welche in Mesopotamien (Aram-Naharin) wohn¬
ten und dort das große Reich Babylonien mit der Hauptstadt Babel (vor



") I" Rom hielt man mehrere sollen- vn"rta Mlwoa, L-üties,, Regia, in der Kaiser¬
zeit edin-es, LIimai-z,, voi-nvIiÄ ze. seil. Zu Perikles Zeit kostete in Athen ein "Bogen" Pa¬
pyrus 8 Drachmen -- 1 Thlr. 14 Sgr. <Vergl, Böckh, Staatshaushaltung der Athener
I. 16).

ging auf die Papyrusstreifen*) über und ist noch in unserem Worte „Karte"
erhalten.

Als Tinte wurde eine von Gummi und feingeriebener Kohle hergestellte
Flüssigkeit, zu rother und gelber Schrift aber Bleioxyd und Ocker benützt;
als Federn lSchreibrohre) dienten die Binsenstäbe der Papyrusstaude oder
Pinsel von Haaren. Das Schreiben in dieser Art ist uralt; nach Lepstus
(Todtenbuch S. 17) will man bereis in Namensringen der vierten Dy¬
nastie, zu welcher die Erbauer der Pyramiden von Memphis gehören, die
Hieroglyphen für „Tintengefäß" und „Griffel" erkannt haben. Darstellungen
von Schreibern finden sich mehrfach an ägyptischen Bildsäulen. Der Schrei¬
ber kauert oder hockt sich nieder, hat auf einem Untersatz eine Tafel mit
ihrem einen Ende aufgelegt, während er das andere Ende mit der linken
Hand festhält, und führt mit der rechten Hand, in der sich zwischen Daumen
und Zeigefinger der Stift befindet, letzteren schräg über die Tafel. Die Schrift
lief gewöhnlich in senkrechten Säulen, die von rechts anfingen und
durch Längenstriche abgetheilt waren über das Papier; in der Mitte und
zur Seite wurde öfters Gemäldeschrift gesetzt. Später schlug die Richtung in
die wagerechte um, wobei die Theilung in Spalten und Seiten beibehalten
wurde.

Wie mühselig war sonst die Steinschrift gewesen, und wie leicht ließ
sich nach Bereitung des Papyrusstoffes durch schreibkundige alles Wichtige
aus dem Leben des Volkes hundelt! Religiöse Schriften, geschichtliche, medi¬
zinische und astronomische Abhandlungen wurden nun verfaßt (die „heiligen
Bücher" schon um 2700 v. Chr.); Rechtsgeschäfte, Verträge, Steuerregister,
Rechnungen ohne Mühe auf Papyrus vermerkt, und an die Stelle der alten
Stein-, Obelisken-, Gräber-, und Tempel-Schrift war die leichte Papyrusrolle
getreten.

Wie die Wurzeln der Hellenischen Kultur auf Aegypten hinweisen, so
läßt sich nach den Ergebnissen der Alterthumsforschung nicht verkennen, daß
die Grundlage der sehr alten Schriftentwicklung der Chaldäer ebenfalls in
Aegypten zu suchen ist. Wuttke hat dies durch eine eingehende Analyse der
Assyrischer Keilschrift nachgewiesen. Die heiligen Lieder der alten Eranier
(Parsen) enthalten noch keine Anspielung auf das Schreiben; die Zeit Zara-
thrusta's etwa 2000 v. Chr.) war jedenfalls eine schriftlose. Früher als die
Eranier haben die Chaldäer, welche in Mesopotamien (Aram-Naharin) wohn¬
ten und dort das große Reich Babylonien mit der Hauptstadt Babel (vor



") I» Rom hielt man mehrere sollen- vn»rta Mlwoa, L-üties,, Regia, in der Kaiser¬
zeit edin-es, LIimai-z,, voi-nvIiÄ ze. seil. Zu Perikles Zeit kostete in Athen ein „Bogen" Pa¬
pyrus 8 Drachmen — 1 Thlr. 14 Sgr. <Vergl, Böckh, Staatshaushaltung der Athener
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/374>, abgerufen am 06.02.2025.