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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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der König als Herrschersymbol seinen eigenen Siegelring. Im Britischen Mu¬
seum werden noch uralte Aegyptische Siegelringe aufbewahrt, deren Hiero¬
glyphen auf Amasis II. und Nepherophis hinweisen.

Als Beschreibstoffe dienten den Aegyptern ferner Palmblätter, Thierfelle,
Leder, Leinwand und Baumwollenzeug. Der wichtigste specifisch Aegyptische
Beschreibstoff war jedoch die Papyrusstaude, deren Benutzung zum Schrei¬
ben nach Isidorus zuerst in Memphis gelehrt sein soll. Das Verfahren der
Papierbereitung war ein ziemlich einfaches.

Man verfuhr, wie Wuttke nach Plinius berichtet, bei der Zurichtung
jener in den Sümpfen des Nil in Manneshöhe wachsenden, im Uebrigen
auch zu Tauen, Stricken, Schleiern und selbst als Gemüse dienenden Schilf"
Pflanze in folgender Weise: Zuerst wurden die Enden abgeschnitten, so daß
der mittlere 2--4 Fuß lange Stamm übrig blieb. Eine Pflanze lieferte 30
und mehr Stengel. Diese wurden in ihrer Länge gespalten und die inneren
Häute darauf mit Hülfe einer Nadel in schmalen, zwei bis drei Finger
breiten Bändern so abgezogen, daß aus einem Stengel 20 lange dünne Strei¬
fen entstanden. Die Häute der armdicken Wurzel wurden gleichfalls abge¬
zogen. Sodann wusch man die Streifen, breitete sie auf einer hölzernen Ta¬
fel schichtweise quer- und neben- und übereinander, so daß die Fasern sich
kreuzten, aus, beschnitt sie gleichmäßig und befeuchtete sie zum Zwecke der
Auflösung mit Nilwasser, welches die klebrigen Säfte hervortrieb; sodann
wurden die Lagen mit Leim oder Gummi unter Aufguß von heißem Wasser
verbunden. Diese Masse kam unter eine Presse, welche sie flach zusammen¬
drückte, worauf sie an der Sonne getrocknet, nochmals mit Kleister und Essig
befestigt, wieder getrocknet und endlich mit einem Elfenbeinzahn oder einer
Muschel geglättet wurde. Die der Wurzel näheren Holzfäden sind derber und
gröber, die oberen Durchschnitte liefern daher feineres, zarteres Papier. Der zu
heiligen Schriften verwendete Papyrus hatte 13 Zoll Breite, für gewöhn¬
lichen Gebrauch nahm man schmäleres Papier. Die Länge aber stieg, da die
Aegypter die einzelnen Streifen aneinander keimten, oft von 2 bis zu 40 Fuß.
Ein Stück Papyrus im Museum zu Turin hat 57, ein zweites sogar 144 Fuß
Länge.

Die Dicke eines Bogens überstieg nur wenig das Doppelte unseres ge¬
wöhnlichen Schreibpapiers; der bessere Papyrus sah lichtgelb oder röthlich,
der schlechtere dunkelbraun oder grauschwarz aus. Als bester wurde der in
Sais bereitete geschätzt. Außerhalb Aegyptens war die Papierherstellung, ob¬
wohl die Papyrusstaude auch am Jordan, am Euphrat u. s. w. wuchs, nicht
bekannt. Der Name Charta (ursprünglich für Leinwand-Pnpier im Gebrauch)


der König als Herrschersymbol seinen eigenen Siegelring. Im Britischen Mu¬
seum werden noch uralte Aegyptische Siegelringe aufbewahrt, deren Hiero¬
glyphen auf Amasis II. und Nepherophis hinweisen.

Als Beschreibstoffe dienten den Aegyptern ferner Palmblätter, Thierfelle,
Leder, Leinwand und Baumwollenzeug. Der wichtigste specifisch Aegyptische
Beschreibstoff war jedoch die Papyrusstaude, deren Benutzung zum Schrei¬
ben nach Isidorus zuerst in Memphis gelehrt sein soll. Das Verfahren der
Papierbereitung war ein ziemlich einfaches.

Man verfuhr, wie Wuttke nach Plinius berichtet, bei der Zurichtung
jener in den Sümpfen des Nil in Manneshöhe wachsenden, im Uebrigen
auch zu Tauen, Stricken, Schleiern und selbst als Gemüse dienenden Schilf»
Pflanze in folgender Weise: Zuerst wurden die Enden abgeschnitten, so daß
der mittlere 2—4 Fuß lange Stamm übrig blieb. Eine Pflanze lieferte 30
und mehr Stengel. Diese wurden in ihrer Länge gespalten und die inneren
Häute darauf mit Hülfe einer Nadel in schmalen, zwei bis drei Finger
breiten Bändern so abgezogen, daß aus einem Stengel 20 lange dünne Strei¬
fen entstanden. Die Häute der armdicken Wurzel wurden gleichfalls abge¬
zogen. Sodann wusch man die Streifen, breitete sie auf einer hölzernen Ta¬
fel schichtweise quer- und neben- und übereinander, so daß die Fasern sich
kreuzten, aus, beschnitt sie gleichmäßig und befeuchtete sie zum Zwecke der
Auflösung mit Nilwasser, welches die klebrigen Säfte hervortrieb; sodann
wurden die Lagen mit Leim oder Gummi unter Aufguß von heißem Wasser
verbunden. Diese Masse kam unter eine Presse, welche sie flach zusammen¬
drückte, worauf sie an der Sonne getrocknet, nochmals mit Kleister und Essig
befestigt, wieder getrocknet und endlich mit einem Elfenbeinzahn oder einer
Muschel geglättet wurde. Die der Wurzel näheren Holzfäden sind derber und
gröber, die oberen Durchschnitte liefern daher feineres, zarteres Papier. Der zu
heiligen Schriften verwendete Papyrus hatte 13 Zoll Breite, für gewöhn¬
lichen Gebrauch nahm man schmäleres Papier. Die Länge aber stieg, da die
Aegypter die einzelnen Streifen aneinander keimten, oft von 2 bis zu 40 Fuß.
Ein Stück Papyrus im Museum zu Turin hat 57, ein zweites sogar 144 Fuß
Länge.

Die Dicke eines Bogens überstieg nur wenig das Doppelte unseres ge¬
wöhnlichen Schreibpapiers; der bessere Papyrus sah lichtgelb oder röthlich,
der schlechtere dunkelbraun oder grauschwarz aus. Als bester wurde der in
Sais bereitete geschätzt. Außerhalb Aegyptens war die Papierherstellung, ob¬
wohl die Papyrusstaude auch am Jordan, am Euphrat u. s. w. wuchs, nicht
bekannt. Der Name Charta (ursprünglich für Leinwand-Pnpier im Gebrauch)


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[0373] der König als Herrschersymbol seinen eigenen Siegelring. Im Britischen Mu¬ seum werden noch uralte Aegyptische Siegelringe aufbewahrt, deren Hiero¬ glyphen auf Amasis II. und Nepherophis hinweisen. Als Beschreibstoffe dienten den Aegyptern ferner Palmblätter, Thierfelle, Leder, Leinwand und Baumwollenzeug. Der wichtigste specifisch Aegyptische Beschreibstoff war jedoch die Papyrusstaude, deren Benutzung zum Schrei¬ ben nach Isidorus zuerst in Memphis gelehrt sein soll. Das Verfahren der Papierbereitung war ein ziemlich einfaches. Man verfuhr, wie Wuttke nach Plinius berichtet, bei der Zurichtung jener in den Sümpfen des Nil in Manneshöhe wachsenden, im Uebrigen auch zu Tauen, Stricken, Schleiern und selbst als Gemüse dienenden Schilf» Pflanze in folgender Weise: Zuerst wurden die Enden abgeschnitten, so daß der mittlere 2—4 Fuß lange Stamm übrig blieb. Eine Pflanze lieferte 30 und mehr Stengel. Diese wurden in ihrer Länge gespalten und die inneren Häute darauf mit Hülfe einer Nadel in schmalen, zwei bis drei Finger breiten Bändern so abgezogen, daß aus einem Stengel 20 lange dünne Strei¬ fen entstanden. Die Häute der armdicken Wurzel wurden gleichfalls abge¬ zogen. Sodann wusch man die Streifen, breitete sie auf einer hölzernen Ta¬ fel schichtweise quer- und neben- und übereinander, so daß die Fasern sich kreuzten, aus, beschnitt sie gleichmäßig und befeuchtete sie zum Zwecke der Auflösung mit Nilwasser, welches die klebrigen Säfte hervortrieb; sodann wurden die Lagen mit Leim oder Gummi unter Aufguß von heißem Wasser verbunden. Diese Masse kam unter eine Presse, welche sie flach zusammen¬ drückte, worauf sie an der Sonne getrocknet, nochmals mit Kleister und Essig befestigt, wieder getrocknet und endlich mit einem Elfenbeinzahn oder einer Muschel geglättet wurde. Die der Wurzel näheren Holzfäden sind derber und gröber, die oberen Durchschnitte liefern daher feineres, zarteres Papier. Der zu heiligen Schriften verwendete Papyrus hatte 13 Zoll Breite, für gewöhn¬ lichen Gebrauch nahm man schmäleres Papier. Die Länge aber stieg, da die Aegypter die einzelnen Streifen aneinander keimten, oft von 2 bis zu 40 Fuß. Ein Stück Papyrus im Museum zu Turin hat 57, ein zweites sogar 144 Fuß Länge. Die Dicke eines Bogens überstieg nur wenig das Doppelte unseres ge¬ wöhnlichen Schreibpapiers; der bessere Papyrus sah lichtgelb oder röthlich, der schlechtere dunkelbraun oder grauschwarz aus. Als bester wurde der in Sais bereitete geschätzt. Außerhalb Aegyptens war die Papierherstellung, ob¬ wohl die Papyrusstaude auch am Jordan, am Euphrat u. s. w. wuchs, nicht bekannt. Der Name Charta (ursprünglich für Leinwand-Pnpier im Gebrauch)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/373>, abgerufen am 06.02.2025.