Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mindestens als fahrlässige Vermögensbeschädigung strafrechtlich, beziehentlich
auf dem Wege des bürgerlichen Prozesses zu verfolgen sein und diese Perspective
wird genügen, um bei entwickelten Rechtszuständen die Gefahren eines solchen
Zustandes zu beseitigen. Vollkommen richtig erscheint daher die Behauptung
der mehrfach erwähnten Petition:


"Es werde die geschäftliche Concurrenz sowohl zwischen Fabrikanten als Ver¬
käufern (in diesem Punkte) eine Controle führen, die wirksamer sei, als jede, einem an¬
gestellten Wardein übertragne."

Das Publikum wird sich aber auf diese Weise daran gewöhnen, auf
Grund des aus dem Stempel zu erhebenden Edelmetallwerthes der Waare
das Verhältniß zwischen Materialwerth und Formwerth festzustellen und sich
im einzelnen Falle Rechenschaft darüber abzulegen, ob es billig kaufe oder
nicht. Denn es wird dann im Stande sein, zu berechnen, ob der vom Ver¬
käufer nach Abzug des Metallwerthes beanspruchte Arbeitswerth hoch sei
oder nicht. Es kann bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt bleiben, daß in
ähnlicher Weise auch der Handel mit anderen Waaren, namentlich mit Con-
sumtionsartikeln, rationeller zu gestalten ist. Wie der im Großen betriebene
Spiritushandel nicht einfach nach Maaßeinheiten, sondern nach Prozent¬
sätzen reinen Alkohols erfolgt, so sollte bei allen Waaren, welche einer
Vermischung ausgesetzt sind, nach diesen Grundsätzen gehandelt werden. Daß
z. B. die Milch, welche bekanntlich oft einer bedeutenden Verwcisserung aus¬
gesetzt ist, noch immer schlechthin nach Maaßeinheiten gekauft und verkauft
wird, mag wesentlich darauf beruhen, daß diese Waare zum größten Theil
.nur im Kleinverkehr vertrieben wird, der bekanntlich irrationelle Betriebsweisen
und zur Täuschung auffordernde Handelsformen viel länger behält, als der
Großverkehr, da die Dimensionen des letzteren die Wirkungen des Irrthums
viel leichter empfindlich und deshalb ersichtlich machen. So wird auch im
Handel mit Edelmetallwaaren der Großhändler viel strengere Anforde¬
rungen an den Fabrikanten machen, als das Publikum an den Kleinhändler.

Schließlich sind noch einige Detailfragen zu erörtern, zunächst

a) die nach der Ausdehnung der Stein pel u n gsps ki edel glei t.

Ein Bedürfniß nach Stempelung des Feingehaltes ist vorhanden bei allen
Waaren, welche ganz oder theilweise aus Edelmetall bestehen, mit Ausnahme
der blos vergoldeten oder versilberten Gegenstände. Bei letzteren ist der
Edelmetallwerth so gering, daß seine Aufstempelung kaum nothwendig sein
dürfte.

Man hat in anderen Gesetzgebungen Ausnahmen von diesem Grundsatze
eingeführt, ohne daß vielleicht eine genauere Prüfung deren Nothwendigkeit
ergäbe. So giebt

". die Königlich Bayrische Verordnung vom 28. Oktober 1868 die An-


mindestens als fahrlässige Vermögensbeschädigung strafrechtlich, beziehentlich
auf dem Wege des bürgerlichen Prozesses zu verfolgen sein und diese Perspective
wird genügen, um bei entwickelten Rechtszuständen die Gefahren eines solchen
Zustandes zu beseitigen. Vollkommen richtig erscheint daher die Behauptung
der mehrfach erwähnten Petition:


„Es werde die geschäftliche Concurrenz sowohl zwischen Fabrikanten als Ver¬
käufern (in diesem Punkte) eine Controle führen, die wirksamer sei, als jede, einem an¬
gestellten Wardein übertragne."

Das Publikum wird sich aber auf diese Weise daran gewöhnen, auf
Grund des aus dem Stempel zu erhebenden Edelmetallwerthes der Waare
das Verhältniß zwischen Materialwerth und Formwerth festzustellen und sich
im einzelnen Falle Rechenschaft darüber abzulegen, ob es billig kaufe oder
nicht. Denn es wird dann im Stande sein, zu berechnen, ob der vom Ver¬
käufer nach Abzug des Metallwerthes beanspruchte Arbeitswerth hoch sei
oder nicht. Es kann bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt bleiben, daß in
ähnlicher Weise auch der Handel mit anderen Waaren, namentlich mit Con-
sumtionsartikeln, rationeller zu gestalten ist. Wie der im Großen betriebene
Spiritushandel nicht einfach nach Maaßeinheiten, sondern nach Prozent¬
sätzen reinen Alkohols erfolgt, so sollte bei allen Waaren, welche einer
Vermischung ausgesetzt sind, nach diesen Grundsätzen gehandelt werden. Daß
z. B. die Milch, welche bekanntlich oft einer bedeutenden Verwcisserung aus¬
gesetzt ist, noch immer schlechthin nach Maaßeinheiten gekauft und verkauft
wird, mag wesentlich darauf beruhen, daß diese Waare zum größten Theil
.nur im Kleinverkehr vertrieben wird, der bekanntlich irrationelle Betriebsweisen
und zur Täuschung auffordernde Handelsformen viel länger behält, als der
Großverkehr, da die Dimensionen des letzteren die Wirkungen des Irrthums
viel leichter empfindlich und deshalb ersichtlich machen. So wird auch im
Handel mit Edelmetallwaaren der Großhändler viel strengere Anforde¬
rungen an den Fabrikanten machen, als das Publikum an den Kleinhändler.

Schließlich sind noch einige Detailfragen zu erörtern, zunächst

a) die nach der Ausdehnung der Stein pel u n gsps ki edel glei t.

Ein Bedürfniß nach Stempelung des Feingehaltes ist vorhanden bei allen
Waaren, welche ganz oder theilweise aus Edelmetall bestehen, mit Ausnahme
der blos vergoldeten oder versilberten Gegenstände. Bei letzteren ist der
Edelmetallwerth so gering, daß seine Aufstempelung kaum nothwendig sein
dürfte.

Man hat in anderen Gesetzgebungen Ausnahmen von diesem Grundsatze
eingeführt, ohne daß vielleicht eine genauere Prüfung deren Nothwendigkeit
ergäbe. So giebt

«. die Königlich Bayrische Verordnung vom 28. Oktober 1868 die An-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193158"/>
              <p xml:id="ID_1216" prev="#ID_1215"> mindestens als fahrlässige Vermögensbeschädigung strafrechtlich, beziehentlich<lb/>
auf dem Wege des bürgerlichen Prozesses zu verfolgen sein und diese Perspective<lb/>
wird genügen, um bei entwickelten Rechtszuständen die Gefahren eines solchen<lb/>
Zustandes zu beseitigen. Vollkommen richtig erscheint daher die Behauptung<lb/>
der mehrfach erwähnten Petition:</p><lb/>
              <quote> &#x201E;Es werde die geschäftliche Concurrenz sowohl zwischen Fabrikanten als Ver¬<lb/>
käufern (in diesem Punkte) eine Controle führen, die wirksamer sei, als jede, einem an¬<lb/>
gestellten Wardein übertragne."</quote><lb/>
              <p xml:id="ID_1217"> Das Publikum wird sich aber auf diese Weise daran gewöhnen, auf<lb/>
Grund des aus dem Stempel zu erhebenden Edelmetallwerthes der Waare<lb/>
das Verhältniß zwischen Materialwerth und Formwerth festzustellen und sich<lb/>
im einzelnen Falle Rechenschaft darüber abzulegen, ob es billig kaufe oder<lb/>
nicht. Denn es wird dann im Stande sein, zu berechnen, ob der vom Ver¬<lb/>
käufer nach Abzug des Metallwerthes beanspruchte Arbeitswerth hoch sei<lb/>
oder nicht. Es kann bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt bleiben, daß in<lb/>
ähnlicher Weise auch der Handel mit anderen Waaren, namentlich mit Con-<lb/>
sumtionsartikeln, rationeller zu gestalten ist. Wie der im Großen betriebene<lb/>
Spiritushandel nicht einfach nach Maaßeinheiten, sondern nach Prozent¬<lb/>
sätzen reinen Alkohols erfolgt, so sollte bei allen Waaren, welche einer<lb/>
Vermischung ausgesetzt sind, nach diesen Grundsätzen gehandelt werden. Daß<lb/>
z. B. die Milch, welche bekanntlich oft einer bedeutenden Verwcisserung aus¬<lb/>
gesetzt ist, noch immer schlechthin nach Maaßeinheiten gekauft und verkauft<lb/>
wird, mag wesentlich darauf beruhen, daß diese Waare zum größten Theil<lb/>
.nur im Kleinverkehr vertrieben wird, der bekanntlich irrationelle Betriebsweisen<lb/>
und zur Täuschung auffordernde Handelsformen viel länger behält, als der<lb/>
Großverkehr, da die Dimensionen des letzteren die Wirkungen des Irrthums<lb/>
viel leichter empfindlich und deshalb ersichtlich machen. So wird auch im<lb/>
Handel mit Edelmetallwaaren der Großhändler viel strengere Anforde¬<lb/>
rungen an den Fabrikanten machen, als das Publikum an den Kleinhändler.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1218"> Schließlich sind noch einige Detailfragen zu erörtern, zunächst</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1219"> a) die nach der Ausdehnung der Stein pel u n gsps ki edel glei t.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1220"> Ein Bedürfniß nach Stempelung des Feingehaltes ist vorhanden bei allen<lb/>
Waaren, welche ganz oder theilweise aus Edelmetall bestehen, mit Ausnahme<lb/>
der blos vergoldeten oder versilberten Gegenstände. Bei letzteren ist der<lb/>
Edelmetallwerth so gering, daß seine Aufstempelung kaum nothwendig sein<lb/>
dürfte.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1221"> Man hat in anderen Gesetzgebungen Ausnahmen von diesem Grundsatze<lb/>
eingeführt, ohne daß vielleicht eine genauere Prüfung deren Nothwendigkeit<lb/>
ergäbe.  So giebt</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1222" next="#ID_1223"> «. die Königlich Bayrische Verordnung vom 28. Oktober 1868 die An-</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] mindestens als fahrlässige Vermögensbeschädigung strafrechtlich, beziehentlich auf dem Wege des bürgerlichen Prozesses zu verfolgen sein und diese Perspective wird genügen, um bei entwickelten Rechtszuständen die Gefahren eines solchen Zustandes zu beseitigen. Vollkommen richtig erscheint daher die Behauptung der mehrfach erwähnten Petition: „Es werde die geschäftliche Concurrenz sowohl zwischen Fabrikanten als Ver¬ käufern (in diesem Punkte) eine Controle führen, die wirksamer sei, als jede, einem an¬ gestellten Wardein übertragne." Das Publikum wird sich aber auf diese Weise daran gewöhnen, auf Grund des aus dem Stempel zu erhebenden Edelmetallwerthes der Waare das Verhältniß zwischen Materialwerth und Formwerth festzustellen und sich im einzelnen Falle Rechenschaft darüber abzulegen, ob es billig kaufe oder nicht. Denn es wird dann im Stande sein, zu berechnen, ob der vom Ver¬ käufer nach Abzug des Metallwerthes beanspruchte Arbeitswerth hoch sei oder nicht. Es kann bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt bleiben, daß in ähnlicher Weise auch der Handel mit anderen Waaren, namentlich mit Con- sumtionsartikeln, rationeller zu gestalten ist. Wie der im Großen betriebene Spiritushandel nicht einfach nach Maaßeinheiten, sondern nach Prozent¬ sätzen reinen Alkohols erfolgt, so sollte bei allen Waaren, welche einer Vermischung ausgesetzt sind, nach diesen Grundsätzen gehandelt werden. Daß z. B. die Milch, welche bekanntlich oft einer bedeutenden Verwcisserung aus¬ gesetzt ist, noch immer schlechthin nach Maaßeinheiten gekauft und verkauft wird, mag wesentlich darauf beruhen, daß diese Waare zum größten Theil .nur im Kleinverkehr vertrieben wird, der bekanntlich irrationelle Betriebsweisen und zur Täuschung auffordernde Handelsformen viel länger behält, als der Großverkehr, da die Dimensionen des letzteren die Wirkungen des Irrthums viel leichter empfindlich und deshalb ersichtlich machen. So wird auch im Handel mit Edelmetallwaaren der Großhändler viel strengere Anforde¬ rungen an den Fabrikanten machen, als das Publikum an den Kleinhändler. Schließlich sind noch einige Detailfragen zu erörtern, zunächst a) die nach der Ausdehnung der Stein pel u n gsps ki edel glei t. Ein Bedürfniß nach Stempelung des Feingehaltes ist vorhanden bei allen Waaren, welche ganz oder theilweise aus Edelmetall bestehen, mit Ausnahme der blos vergoldeten oder versilberten Gegenstände. Bei letzteren ist der Edelmetallwerth so gering, daß seine Aufstempelung kaum nothwendig sein dürfte. Man hat in anderen Gesetzgebungen Ausnahmen von diesem Grundsatze eingeführt, ohne daß vielleicht eine genauere Prüfung deren Nothwendigkeit ergäbe. So giebt «. die Königlich Bayrische Verordnung vom 28. Oktober 1868 die An-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/355>, abgerufen am 06.02.2025.