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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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schwerer Tisch, eine Truhe, die zugleich als Bank benutzt wird, ein Wand¬
schrank, etliches Geschirr und Geräth auf dem Regal, ein oder zwei breite
aber nicht hohe Fenster mit runden Scheiben, eine Truhe kleineren Formats
zur Aufbewahrung der Farben, Tafel, Staffelei und Pallette bilden die Um¬
gebung und den Apparat des damaligen Künstlers. Was Staffelei und Pal¬
lette betrifft, so ist auffällig, daß sie fast genau schon die Form unserer heuti¬
gen haben. Die Pallette hat die bekannte länglich runde Gestalt: ein Loch
für den Daumen und Einschnitt für den Zeigefinger der linken Hand, die
zugleich ein Bündel von Pinseln zum Gebrauch bereit hält; die Staffelei ist
das bekannte dreibeinige Gestell, nur daß auf dem oben erwähnten Bilde
schlesischer Schule ein mit viereckigen Löchern versehenes Brett die Vorderseite
der Staffelei bildet.

Ein wenig anders ist die Form dieser Apparate, wie sie das ausgehende
Alterthum überliefert. Hier ist die Pallette eine länglich runde Scheibe, welche
auf flacher Hand getragen wurde, die Staffelei. wo sie überhaupt vorkommt,
ein rückwärtsgestütztes Andreaskreuz oder drei Stäbe, die oben in einem Knopfe
vereinigt werden. (Leroux ä'^gineonrt ?1. XXVI. Fig. 1--3.)

Sehen wir jetzt zu, wie der Maler seinen Untergrund herstellte, auf dem
er zu malen beabsichtigte. Es belehrt uns Cennini, ein Schüler Taddeo
Gaddi's, in seinem Malerbuche des ausführlichen. Zuvörderst hatte er mit
seinen Gesellen die Arbeit selbst vorzunehmen -- natürlich, Kunsthandlungen
gab es damals noch nicht, auch hütete man sich, mit seinen Arbeiten in den
Kreis einer fremden Zunft einzugreifen. Zum Material wird Pappel-, Lin¬
den- oder Weidenholz als das zäheste genommen, Aeste und harzige Stellen
werden entfernt und die Unebenheiten mit einer Mischung aus Leim und
Sägespänen ausgeglichen. Die Ornamente des Rahmens werden nun be¬
reits auf die Tafel aufgesetzt, dann das Ganze mit einem zweifachen Anstriche
guten Leimes versehen, "gleichsam wie wenn du gefastet hättest und einige
Bissen Corsete zu dir genommen, und ein Glas guten Wein getrunken, als
eine Anregung des Appetits zum Mittagsmahl, so ist dieser Leim und gewinnt
das Holz für die Annahme des (übrigen) Leimes und Gypses." Nunmehr
werden Streifen von guter alter Leinwand in Leim getränkt und in mehreren
Lagen gitterförmig auf das Holz geklebt, die Unebenheiten weggeputzt und
mehrere Lagen Ghos in Leim gelöst aufgetragen. Wenn jetzt die Fläche
mit einer Raspel geebnet und die etwa mit Gyps verklebten Zierrathen
wieder freigemacht sind, kann die Farbengrundirung beginnen. Auch diese er¬
folgt nach ganz bestimmt vorgeschriebener Methode, entsprechend dem Kunst-
geschmacke des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, thronende Heilige
und selbst Scenen der biblischen und Profangeschichte auf einen Hintergrund
von Gold zu setzen. Demgemäß wird nun die äußere Condur der Gestalt


schwerer Tisch, eine Truhe, die zugleich als Bank benutzt wird, ein Wand¬
schrank, etliches Geschirr und Geräth auf dem Regal, ein oder zwei breite
aber nicht hohe Fenster mit runden Scheiben, eine Truhe kleineren Formats
zur Aufbewahrung der Farben, Tafel, Staffelei und Pallette bilden die Um¬
gebung und den Apparat des damaligen Künstlers. Was Staffelei und Pal¬
lette betrifft, so ist auffällig, daß sie fast genau schon die Form unserer heuti¬
gen haben. Die Pallette hat die bekannte länglich runde Gestalt: ein Loch
für den Daumen und Einschnitt für den Zeigefinger der linken Hand, die
zugleich ein Bündel von Pinseln zum Gebrauch bereit hält; die Staffelei ist
das bekannte dreibeinige Gestell, nur daß auf dem oben erwähnten Bilde
schlesischer Schule ein mit viereckigen Löchern versehenes Brett die Vorderseite
der Staffelei bildet.

Ein wenig anders ist die Form dieser Apparate, wie sie das ausgehende
Alterthum überliefert. Hier ist die Pallette eine länglich runde Scheibe, welche
auf flacher Hand getragen wurde, die Staffelei. wo sie überhaupt vorkommt,
ein rückwärtsgestütztes Andreaskreuz oder drei Stäbe, die oben in einem Knopfe
vereinigt werden. (Leroux ä'^gineonrt ?1. XXVI. Fig. 1—3.)

Sehen wir jetzt zu, wie der Maler seinen Untergrund herstellte, auf dem
er zu malen beabsichtigte. Es belehrt uns Cennini, ein Schüler Taddeo
Gaddi's, in seinem Malerbuche des ausführlichen. Zuvörderst hatte er mit
seinen Gesellen die Arbeit selbst vorzunehmen — natürlich, Kunsthandlungen
gab es damals noch nicht, auch hütete man sich, mit seinen Arbeiten in den
Kreis einer fremden Zunft einzugreifen. Zum Material wird Pappel-, Lin¬
den- oder Weidenholz als das zäheste genommen, Aeste und harzige Stellen
werden entfernt und die Unebenheiten mit einer Mischung aus Leim und
Sägespänen ausgeglichen. Die Ornamente des Rahmens werden nun be¬
reits auf die Tafel aufgesetzt, dann das Ganze mit einem zweifachen Anstriche
guten Leimes versehen, „gleichsam wie wenn du gefastet hättest und einige
Bissen Corsete zu dir genommen, und ein Glas guten Wein getrunken, als
eine Anregung des Appetits zum Mittagsmahl, so ist dieser Leim und gewinnt
das Holz für die Annahme des (übrigen) Leimes und Gypses." Nunmehr
werden Streifen von guter alter Leinwand in Leim getränkt und in mehreren
Lagen gitterförmig auf das Holz geklebt, die Unebenheiten weggeputzt und
mehrere Lagen Ghos in Leim gelöst aufgetragen. Wenn jetzt die Fläche
mit einer Raspel geebnet und die etwa mit Gyps verklebten Zierrathen
wieder freigemacht sind, kann die Farbengrundirung beginnen. Auch diese er¬
folgt nach ganz bestimmt vorgeschriebener Methode, entsprechend dem Kunst-
geschmacke des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, thronende Heilige
und selbst Scenen der biblischen und Profangeschichte auf einen Hintergrund
von Gold zu setzen. Demgemäß wird nun die äußere Condur der Gestalt


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[0332] schwerer Tisch, eine Truhe, die zugleich als Bank benutzt wird, ein Wand¬ schrank, etliches Geschirr und Geräth auf dem Regal, ein oder zwei breite aber nicht hohe Fenster mit runden Scheiben, eine Truhe kleineren Formats zur Aufbewahrung der Farben, Tafel, Staffelei und Pallette bilden die Um¬ gebung und den Apparat des damaligen Künstlers. Was Staffelei und Pal¬ lette betrifft, so ist auffällig, daß sie fast genau schon die Form unserer heuti¬ gen haben. Die Pallette hat die bekannte länglich runde Gestalt: ein Loch für den Daumen und Einschnitt für den Zeigefinger der linken Hand, die zugleich ein Bündel von Pinseln zum Gebrauch bereit hält; die Staffelei ist das bekannte dreibeinige Gestell, nur daß auf dem oben erwähnten Bilde schlesischer Schule ein mit viereckigen Löchern versehenes Brett die Vorderseite der Staffelei bildet. Ein wenig anders ist die Form dieser Apparate, wie sie das ausgehende Alterthum überliefert. Hier ist die Pallette eine länglich runde Scheibe, welche auf flacher Hand getragen wurde, die Staffelei. wo sie überhaupt vorkommt, ein rückwärtsgestütztes Andreaskreuz oder drei Stäbe, die oben in einem Knopfe vereinigt werden. (Leroux ä'^gineonrt ?1. XXVI. Fig. 1—3.) Sehen wir jetzt zu, wie der Maler seinen Untergrund herstellte, auf dem er zu malen beabsichtigte. Es belehrt uns Cennini, ein Schüler Taddeo Gaddi's, in seinem Malerbuche des ausführlichen. Zuvörderst hatte er mit seinen Gesellen die Arbeit selbst vorzunehmen — natürlich, Kunsthandlungen gab es damals noch nicht, auch hütete man sich, mit seinen Arbeiten in den Kreis einer fremden Zunft einzugreifen. Zum Material wird Pappel-, Lin¬ den- oder Weidenholz als das zäheste genommen, Aeste und harzige Stellen werden entfernt und die Unebenheiten mit einer Mischung aus Leim und Sägespänen ausgeglichen. Die Ornamente des Rahmens werden nun be¬ reits auf die Tafel aufgesetzt, dann das Ganze mit einem zweifachen Anstriche guten Leimes versehen, „gleichsam wie wenn du gefastet hättest und einige Bissen Corsete zu dir genommen, und ein Glas guten Wein getrunken, als eine Anregung des Appetits zum Mittagsmahl, so ist dieser Leim und gewinnt das Holz für die Annahme des (übrigen) Leimes und Gypses." Nunmehr werden Streifen von guter alter Leinwand in Leim getränkt und in mehreren Lagen gitterförmig auf das Holz geklebt, die Unebenheiten weggeputzt und mehrere Lagen Ghos in Leim gelöst aufgetragen. Wenn jetzt die Fläche mit einer Raspel geebnet und die etwa mit Gyps verklebten Zierrathen wieder freigemacht sind, kann die Farbengrundirung beginnen. Auch diese er¬ folgt nach ganz bestimmt vorgeschriebener Methode, entsprechend dem Kunst- geschmacke des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, thronende Heilige und selbst Scenen der biblischen und Profangeschichte auf einen Hintergrund von Gold zu setzen. Demgemäß wird nun die äußere Condur der Gestalt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/332>, abgerufen am 06.02.2025.