Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.wißt, Herr! ich gehöre auch nicht zum gemeinen Haufen und zu den "Vater¬ wißt, Herr! ich gehöre auch nicht zum gemeinen Haufen und zu den „Vater¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193127"/> <p xml:id="ID_1109" prev="#ID_1108" next="#ID_1110"> wißt, Herr! ich gehöre auch nicht zum gemeinen Haufen und zu den „Vater¬<lb/> landsverräthern" — wir besäßen heute alle, wie wir auf die „IlMpenäünee<lb/> ^uxembom-Zevise" und auf das „Wort" abonnirt sind, die besten und ein¬<lb/> träglichsten Plätze auf zehn Meilen in die Runde, und unsere goldnen Brücken,<lb/> die uns Herr Leverrier, der Freund unsers Herrn de Colnet d'Huart und Na¬<lb/> poleons III,, versprochen, waren ebenfalls gebaut. Doch Bismarck mußte<lb/> seinen großen, und Eugenie ihren kleinen Krieg haben, da half alles nichts.<lb/> Wir wurden nicht weiter angehört. Gut! Der Krieg kam, und wir erklärten<lb/> uns neutral. Daß wir wußten, was man zu thun hat, wenn man neutral<lb/> ist, beweist doch wol die Thatsache, daß wir mitten im Kriege Diedenhofen<lb/> verproviantirten und in unserm „Wort für Wahrheit und Recht" unserm<lb/> „Avenir", der nachherigen „Internationale" und der heutigen „Jude'pendance<lb/> Luxembourgeoise" auf Deutschland losschimpften und dabei logen wie gedruckt,<lb/> alles zur höchsten Ehre Gottes. Wenn das nicht neutral sein heißt, so sagen<lb/> Sie mir was neutral ist. Und darum sind wir auch neutral geblieben bis<lb/> auf den heutigen Tag. Hätten die europäischen Großmächte Anno 70—71<lb/> aus uns gehört, so hätten wir auch damals noch Frankreich gerettet. Unser<lb/> „Avenir" hatte schon den General Bourbaki bei Saarbrücken die halbe deutsche<lb/> Heeresmacht vernichten und die andere Hälfte bei Jaumont in die Steinbrüche<lb/> sprengen und — begraben lassen, wobei ihm das „Wort" und wir Alle treu¬<lb/> lich geholfen hatten. Doch der verfluchte „Preuß" und die „Kölnische" kamen<lb/> und logen sich rein wieder heraus. Darauf machten wir unsere große „pa¬<lb/> triotische" Demonstration. Wir wollten um jeden Preis Frankreich retten.<lb/> Doch unsere Regierung war zu flau und hatte nicht die rechte Courage. Die<lb/> Regierungen taugen alle nichts. Vivs I'anarelii<z! wie die „Internationale"<lb/> sagt. Und als wir über die Köpfe unserer Minister hinweg mit den euro¬<lb/> päischen Kriegsmächten wegen Frankreich unterhandeln wollten, da kam der<lb/> eiserne Graf mit seiner Drohnote und — kores xrimo 1s droit, seufzten wir,<lb/> indem wir uns stille verdufteten. Bald nachher ward es mit Frankreich Ma-<lb/> thäi am letzten, und — unsere schönen Hoffnungen mußten flöten gehen. Doch<lb/> eines war uns geblieben: unsere Neutralität. Diese ist in Zeiten wie die<lb/> unsrigen viel werth. Zwar wollen die Ketzer und „Vaterlandsverräther"<lb/> nicht recht daran glauben. Doch solche Menschen glauben an gar nichts, nicht<lb/> einmal an die Unfehlbarkeit des Papstes. Wenn wir nicht neutral geblieben<lb/> wären, wie könnten wir heute Partei für Frankreich gegen Deutschland neh¬<lb/> men und die deutsche Eisenbahnverwaltung sudeln? Wenn unsere Regierung<lb/> Herz im Leibe gehabt und der deutschen Reichsgewalt die Zähne gewiesen<lb/> hätte, so hätten wir unsere frühere Eisenbahnverwaltung noch, und unsere<lb/> jungen Leute brauchten nicht zu arbeiten für ihr Gehalt, wie die Hunde. Bei<lb/> der Ostbahngesellschast war es doch ganz anders. Da herrschte doch Ordnung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
wißt, Herr! ich gehöre auch nicht zum gemeinen Haufen und zu den „Vater¬
landsverräthern" — wir besäßen heute alle, wie wir auf die „IlMpenäünee
^uxembom-Zevise" und auf das „Wort" abonnirt sind, die besten und ein¬
träglichsten Plätze auf zehn Meilen in die Runde, und unsere goldnen Brücken,
die uns Herr Leverrier, der Freund unsers Herrn de Colnet d'Huart und Na¬
poleons III,, versprochen, waren ebenfalls gebaut. Doch Bismarck mußte
seinen großen, und Eugenie ihren kleinen Krieg haben, da half alles nichts.
Wir wurden nicht weiter angehört. Gut! Der Krieg kam, und wir erklärten
uns neutral. Daß wir wußten, was man zu thun hat, wenn man neutral
ist, beweist doch wol die Thatsache, daß wir mitten im Kriege Diedenhofen
verproviantirten und in unserm „Wort für Wahrheit und Recht" unserm
„Avenir", der nachherigen „Internationale" und der heutigen „Jude'pendance
Luxembourgeoise" auf Deutschland losschimpften und dabei logen wie gedruckt,
alles zur höchsten Ehre Gottes. Wenn das nicht neutral sein heißt, so sagen
Sie mir was neutral ist. Und darum sind wir auch neutral geblieben bis
auf den heutigen Tag. Hätten die europäischen Großmächte Anno 70—71
aus uns gehört, so hätten wir auch damals noch Frankreich gerettet. Unser
„Avenir" hatte schon den General Bourbaki bei Saarbrücken die halbe deutsche
Heeresmacht vernichten und die andere Hälfte bei Jaumont in die Steinbrüche
sprengen und — begraben lassen, wobei ihm das „Wort" und wir Alle treu¬
lich geholfen hatten. Doch der verfluchte „Preuß" und die „Kölnische" kamen
und logen sich rein wieder heraus. Darauf machten wir unsere große „pa¬
triotische" Demonstration. Wir wollten um jeden Preis Frankreich retten.
Doch unsere Regierung war zu flau und hatte nicht die rechte Courage. Die
Regierungen taugen alle nichts. Vivs I'anarelii<z! wie die „Internationale"
sagt. Und als wir über die Köpfe unserer Minister hinweg mit den euro¬
päischen Kriegsmächten wegen Frankreich unterhandeln wollten, da kam der
eiserne Graf mit seiner Drohnote und — kores xrimo 1s droit, seufzten wir,
indem wir uns stille verdufteten. Bald nachher ward es mit Frankreich Ma-
thäi am letzten, und — unsere schönen Hoffnungen mußten flöten gehen. Doch
eines war uns geblieben: unsere Neutralität. Diese ist in Zeiten wie die
unsrigen viel werth. Zwar wollen die Ketzer und „Vaterlandsverräther"
nicht recht daran glauben. Doch solche Menschen glauben an gar nichts, nicht
einmal an die Unfehlbarkeit des Papstes. Wenn wir nicht neutral geblieben
wären, wie könnten wir heute Partei für Frankreich gegen Deutschland neh¬
men und die deutsche Eisenbahnverwaltung sudeln? Wenn unsere Regierung
Herz im Leibe gehabt und der deutschen Reichsgewalt die Zähne gewiesen
hätte, so hätten wir unsere frühere Eisenbahnverwaltung noch, und unsere
jungen Leute brauchten nicht zu arbeiten für ihr Gehalt, wie die Hunde. Bei
der Ostbahngesellschast war es doch ganz anders. Da herrschte doch Ordnung
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