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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Standes" zurückzuführen sein, die in der juristischen Theorie so viele Meinungs¬
verschiedenheiten veranlaßt hat.

Mit einer Detaillirung, welche auf das Deutlichste beweist, daß dem römi¬
schen Alterthume die Technik der Edelmetallimitation und der Vergoldung
sehr genau bekannt war, ist in den Quellen des gemeinen Römischen Rechtes
der Verkehr mit Edelmetallwaaren geregelt. Wer Erz für Gold, Blei oder
eine andere silberähnliche Masse für Silber, wer einen mit Silber überzogenen
Tisch für massiv silbern kaufte, der kann den Pandecten zufolge den Kauf
als nichtig behandeln; denn er erhielt nicht, was er sich ausbedungen. Wer
dagegen eine Goldlegirung kaufte, die er irrthümlich für feiner hielt, als sie
war, der muß, wenn er den Gegenstand als golden schlechthin, ohne Bedin¬
gung eines bestimmten Feingehaltes, kaufte, den Vertrag gegen sich gelten
lassen. Dieser Grundsatz wird sogar in dem Falle festgehalten, wenn Jemand
ein altes Armband, das beiden Theilen für golden galt, um einen hohen
Preis kaufte, während es sich später herausstellte, daß es zum größten Theile
kupfern und nur etwas Gold beigemischt war. Denn, sagt Mpian, es enthielt ja
Gold! -- Es stimmt dies vollkommen mit dem Grundsatze überein, "daß die Natur
des Kaufvertrages die Angemessenheit des Preises nicht erfordere, die Forde¬
rung einer solchen Angemessenheit im Gegentheile den Handelsverkehr zerstö¬
ren würde" (Puchta), ein Grundsatz, der im Römischen Rechte ausdrücklich
dadurch motivirr wird, daß eine gegenseitige Uebervortheilung dem Geschäfts¬
leben nicht widerstreite.

Hieraus geht nun hervor, daß der Käufer einer Edelmetallwaare gegen
Uebervortheilung nur dann gesichert ist, wenn er sich die Menge des in dem
Kaufgegenstande enthaltenen feinen Goldes oder Silbers vom Verkäufer aus¬
drücklich versprechen läßt. In allen anderen Fällen hat er, selbst wenn er
das Zwanzigfache des Gold- oder Silberwerthes bezahlte, kein Mittel, um das
für ihn so nachtheilige Geschäft wieder rückgängig zu machen. Wie selten
aber mag von der erwähnten Garantieforderung Gebrauch gemacht werden!
Aus Furcht, pedantisch oder argwöhnisch zu erscheinen, beschränkt sich die
Mehrzahl darauf, einen "goldenen Ring", einen "silbernen Löffel" oder der¬
gleichen schlechthin zu verlangen, und begibt sich somit der Möglichkeit, im
Falle der Erwerbung einer sehr geringhaltigen Legirung den Preis herabzu¬
mindern. An einen Goldarbeiter, bei dem man so umständliche Vereinbarung
für nöthig hält, wird man sich bei Einkäufen lieber gar nicht wenden.
Die geltenden Rechtsmittel des Civil- und Strafrechtes schützen die Käufer
somit nur in den Fällen ganz grober Verletzung, wo ein unechter Gegenstand
als echt, ein geringer Feingehalt statt eines ausdrücklich garantirten höheren
verkauft wurde. Wie gering dieser Schutz im einzelnen Falle sein kann, da-


Standes" zurückzuführen sein, die in der juristischen Theorie so viele Meinungs¬
verschiedenheiten veranlaßt hat.

Mit einer Detaillirung, welche auf das Deutlichste beweist, daß dem römi¬
schen Alterthume die Technik der Edelmetallimitation und der Vergoldung
sehr genau bekannt war, ist in den Quellen des gemeinen Römischen Rechtes
der Verkehr mit Edelmetallwaaren geregelt. Wer Erz für Gold, Blei oder
eine andere silberähnliche Masse für Silber, wer einen mit Silber überzogenen
Tisch für massiv silbern kaufte, der kann den Pandecten zufolge den Kauf
als nichtig behandeln; denn er erhielt nicht, was er sich ausbedungen. Wer
dagegen eine Goldlegirung kaufte, die er irrthümlich für feiner hielt, als sie
war, der muß, wenn er den Gegenstand als golden schlechthin, ohne Bedin¬
gung eines bestimmten Feingehaltes, kaufte, den Vertrag gegen sich gelten
lassen. Dieser Grundsatz wird sogar in dem Falle festgehalten, wenn Jemand
ein altes Armband, das beiden Theilen für golden galt, um einen hohen
Preis kaufte, während es sich später herausstellte, daß es zum größten Theile
kupfern und nur etwas Gold beigemischt war. Denn, sagt Mpian, es enthielt ja
Gold! — Es stimmt dies vollkommen mit dem Grundsatze überein, „daß die Natur
des Kaufvertrages die Angemessenheit des Preises nicht erfordere, die Forde¬
rung einer solchen Angemessenheit im Gegentheile den Handelsverkehr zerstö¬
ren würde" (Puchta), ein Grundsatz, der im Römischen Rechte ausdrücklich
dadurch motivirr wird, daß eine gegenseitige Uebervortheilung dem Geschäfts¬
leben nicht widerstreite.

Hieraus geht nun hervor, daß der Käufer einer Edelmetallwaare gegen
Uebervortheilung nur dann gesichert ist, wenn er sich die Menge des in dem
Kaufgegenstande enthaltenen feinen Goldes oder Silbers vom Verkäufer aus¬
drücklich versprechen läßt. In allen anderen Fällen hat er, selbst wenn er
das Zwanzigfache des Gold- oder Silberwerthes bezahlte, kein Mittel, um das
für ihn so nachtheilige Geschäft wieder rückgängig zu machen. Wie selten
aber mag von der erwähnten Garantieforderung Gebrauch gemacht werden!
Aus Furcht, pedantisch oder argwöhnisch zu erscheinen, beschränkt sich die
Mehrzahl darauf, einen „goldenen Ring", einen „silbernen Löffel" oder der¬
gleichen schlechthin zu verlangen, und begibt sich somit der Möglichkeit, im
Falle der Erwerbung einer sehr geringhaltigen Legirung den Preis herabzu¬
mindern. An einen Goldarbeiter, bei dem man so umständliche Vereinbarung
für nöthig hält, wird man sich bei Einkäufen lieber gar nicht wenden.
Die geltenden Rechtsmittel des Civil- und Strafrechtes schützen die Käufer
somit nur in den Fällen ganz grober Verletzung, wo ein unechter Gegenstand
als echt, ein geringer Feingehalt statt eines ausdrücklich garantirten höheren
verkauft wurde. Wie gering dieser Schutz im einzelnen Falle sein kann, da-


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[0314] Standes" zurückzuführen sein, die in der juristischen Theorie so viele Meinungs¬ verschiedenheiten veranlaßt hat. Mit einer Detaillirung, welche auf das Deutlichste beweist, daß dem römi¬ schen Alterthume die Technik der Edelmetallimitation und der Vergoldung sehr genau bekannt war, ist in den Quellen des gemeinen Römischen Rechtes der Verkehr mit Edelmetallwaaren geregelt. Wer Erz für Gold, Blei oder eine andere silberähnliche Masse für Silber, wer einen mit Silber überzogenen Tisch für massiv silbern kaufte, der kann den Pandecten zufolge den Kauf als nichtig behandeln; denn er erhielt nicht, was er sich ausbedungen. Wer dagegen eine Goldlegirung kaufte, die er irrthümlich für feiner hielt, als sie war, der muß, wenn er den Gegenstand als golden schlechthin, ohne Bedin¬ gung eines bestimmten Feingehaltes, kaufte, den Vertrag gegen sich gelten lassen. Dieser Grundsatz wird sogar in dem Falle festgehalten, wenn Jemand ein altes Armband, das beiden Theilen für golden galt, um einen hohen Preis kaufte, während es sich später herausstellte, daß es zum größten Theile kupfern und nur etwas Gold beigemischt war. Denn, sagt Mpian, es enthielt ja Gold! — Es stimmt dies vollkommen mit dem Grundsatze überein, „daß die Natur des Kaufvertrages die Angemessenheit des Preises nicht erfordere, die Forde¬ rung einer solchen Angemessenheit im Gegentheile den Handelsverkehr zerstö¬ ren würde" (Puchta), ein Grundsatz, der im Römischen Rechte ausdrücklich dadurch motivirr wird, daß eine gegenseitige Uebervortheilung dem Geschäfts¬ leben nicht widerstreite. Hieraus geht nun hervor, daß der Käufer einer Edelmetallwaare gegen Uebervortheilung nur dann gesichert ist, wenn er sich die Menge des in dem Kaufgegenstande enthaltenen feinen Goldes oder Silbers vom Verkäufer aus¬ drücklich versprechen läßt. In allen anderen Fällen hat er, selbst wenn er das Zwanzigfache des Gold- oder Silberwerthes bezahlte, kein Mittel, um das für ihn so nachtheilige Geschäft wieder rückgängig zu machen. Wie selten aber mag von der erwähnten Garantieforderung Gebrauch gemacht werden! Aus Furcht, pedantisch oder argwöhnisch zu erscheinen, beschränkt sich die Mehrzahl darauf, einen „goldenen Ring", einen „silbernen Löffel" oder der¬ gleichen schlechthin zu verlangen, und begibt sich somit der Möglichkeit, im Falle der Erwerbung einer sehr geringhaltigen Legirung den Preis herabzu¬ mindern. An einen Goldarbeiter, bei dem man so umständliche Vereinbarung für nöthig hält, wird man sich bei Einkäufen lieber gar nicht wenden. Die geltenden Rechtsmittel des Civil- und Strafrechtes schützen die Käufer somit nur in den Fällen ganz grober Verletzung, wo ein unechter Gegenstand als echt, ein geringer Feingehalt statt eines ausdrücklich garantirten höheren verkauft wurde. Wie gering dieser Schutz im einzelnen Falle sein kann, da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/314>, abgerufen am 06.02.2025.