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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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gernde Grenze. Denn warum soll Nöthiges Silber und 12karätiges Gold
echt sein. 7kolbiges, bez. Ilkarätiges aber nicht? Man wird somit schließlich
zu der Annahme gedrängt, daß der Begriff der Echtheit von Edelmetall¬
waaren mit dem gesetzlichen Legirungszwange in Verbindung zu setzen sei,
so daß echt alle Edelmetallwaaren genannt werden müssen, die den
gesetzlichen Legirungsvorschriften entsprechen, unecht alle die¬
jenigen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Hiernach wäre der Begriff in
Ländern mit vollständiger Freiheit der Edelmetallverarbeitung und ihres
Absatzes unanwendbar. Es wäre von großem Interesse und practischem
Nutzen, die Anschauungen deutscher Gerichtshöfe über diesen Punkt zusammen¬
zustellen. Die gebräuchlichsten Commentare und Handbücher des Strafrechtes
gewähren in dieser Hinsicht keinen Anhalt, da sie den Begriff der Echtheit
bei Edelmetallwaaren nicht näher erörtern. Man hat in neuerer Zeit an der
Bezeichnung "echtes Talmi-Gold" deßhalb Anstoß genommen, weil dieselbe zu
der Ansicht verleiten könne, daß ein, unter diesem Namen angebotenes Ma¬
terial Gold sei. Gleichwohl kann in diesem Gebrauche an sich ein Versuch
absichtlicher Täuschung deßhalb nicht erblickt werden, weil die Echtheit
dieser Waare sich lediglich auf den Begriff "Talmi" nicht aber auf den Be¬
griff des Goldes bezieht. Das "Talmigold", von seinem Erfinder, Tallois in
Paris, so genannt, und in ehrlicher Weise mit dessen Namen ge¬
stempelt, hat vor seinen vielfachen, aus Kupfer, Zink und Zinn bestehen¬
den Nachahmungen allerdings gewisse Vorzüge voraus, so daß man von ech¬
tem und imitirtem Talmigolde reden kann. Wenn freilich ein Händler einem
Unerfahrenen eine Kette, mit der Versicherung, sie bestehe aus "echtem Talmi¬
gold", für 30 Thlr. aufschwatzt, während er dieselbe Kette sonst für 3 Thlr.
zu verkaufen pflegt, so wird man hier in den meisten Fällen einen Betrug
(begangen durch die "Anders altung eines Irrthums" -- Reichsstrgesb. §. 263)
annehmen müssen. Denn es wird vorausgesetzt werden können, daß der
Käufer den Formwerth so hoch nicht schätzte. Würde der Verkäufer auf die
Frage, ob der Gegenstand von echtem Golde sei, antworten, "er ist von echtem
Talmigolde", der Käufer aber hierdurch beruhigt, den Gegenstand nach dem Preise
wirklich goldener Waaren bezahlen, so dürfte dem wegen Betruges belangten
Verkäufer die Einrede, daß er ja seinem Contrahenten die Wahrheit gesagt
habe, kaum nützen. Denn die Aussage der Wahrheit in einer auf Irrthum
berechneten und Irrthum erregenden Form ist thatsächlich eine Täuschung.
Unter der Bezeichnung als "echte" werden für gewöhnlich alle Gold- und
Silberwaaren begriffen, die nicht plattirt oder blos vergoldet bez. ver¬
silbert sind. Werden doch heutzutage für den Preis weniger Thaler "echt
goldene" Siegel-Ringe, Bracher und Armbänder ausgeboten, die aus einer,
mit einem Minimum von Golde legirter Kupfermasse gefertigt sind, und an


gernde Grenze. Denn warum soll Nöthiges Silber und 12karätiges Gold
echt sein. 7kolbiges, bez. Ilkarätiges aber nicht? Man wird somit schließlich
zu der Annahme gedrängt, daß der Begriff der Echtheit von Edelmetall¬
waaren mit dem gesetzlichen Legirungszwange in Verbindung zu setzen sei,
so daß echt alle Edelmetallwaaren genannt werden müssen, die den
gesetzlichen Legirungsvorschriften entsprechen, unecht alle die¬
jenigen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Hiernach wäre der Begriff in
Ländern mit vollständiger Freiheit der Edelmetallverarbeitung und ihres
Absatzes unanwendbar. Es wäre von großem Interesse und practischem
Nutzen, die Anschauungen deutscher Gerichtshöfe über diesen Punkt zusammen¬
zustellen. Die gebräuchlichsten Commentare und Handbücher des Strafrechtes
gewähren in dieser Hinsicht keinen Anhalt, da sie den Begriff der Echtheit
bei Edelmetallwaaren nicht näher erörtern. Man hat in neuerer Zeit an der
Bezeichnung „echtes Talmi-Gold" deßhalb Anstoß genommen, weil dieselbe zu
der Ansicht verleiten könne, daß ein, unter diesem Namen angebotenes Ma¬
terial Gold sei. Gleichwohl kann in diesem Gebrauche an sich ein Versuch
absichtlicher Täuschung deßhalb nicht erblickt werden, weil die Echtheit
dieser Waare sich lediglich auf den Begriff „Talmi" nicht aber auf den Be¬
griff des Goldes bezieht. Das „Talmigold", von seinem Erfinder, Tallois in
Paris, so genannt, und in ehrlicher Weise mit dessen Namen ge¬
stempelt, hat vor seinen vielfachen, aus Kupfer, Zink und Zinn bestehen¬
den Nachahmungen allerdings gewisse Vorzüge voraus, so daß man von ech¬
tem und imitirtem Talmigolde reden kann. Wenn freilich ein Händler einem
Unerfahrenen eine Kette, mit der Versicherung, sie bestehe aus „echtem Talmi¬
gold", für 30 Thlr. aufschwatzt, während er dieselbe Kette sonst für 3 Thlr.
zu verkaufen pflegt, so wird man hier in den meisten Fällen einen Betrug
(begangen durch die „Anders altung eines Irrthums" — Reichsstrgesb. §. 263)
annehmen müssen. Denn es wird vorausgesetzt werden können, daß der
Käufer den Formwerth so hoch nicht schätzte. Würde der Verkäufer auf die
Frage, ob der Gegenstand von echtem Golde sei, antworten, „er ist von echtem
Talmigolde", der Käufer aber hierdurch beruhigt, den Gegenstand nach dem Preise
wirklich goldener Waaren bezahlen, so dürfte dem wegen Betruges belangten
Verkäufer die Einrede, daß er ja seinem Contrahenten die Wahrheit gesagt
habe, kaum nützen. Denn die Aussage der Wahrheit in einer auf Irrthum
berechneten und Irrthum erregenden Form ist thatsächlich eine Täuschung.
Unter der Bezeichnung als „echte" werden für gewöhnlich alle Gold- und
Silberwaaren begriffen, die nicht plattirt oder blos vergoldet bez. ver¬
silbert sind. Werden doch heutzutage für den Preis weniger Thaler „echt
goldene" Siegel-Ringe, Bracher und Armbänder ausgeboten, die aus einer,
mit einem Minimum von Golde legirter Kupfermasse gefertigt sind, und an


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[0310] gernde Grenze. Denn warum soll Nöthiges Silber und 12karätiges Gold echt sein. 7kolbiges, bez. Ilkarätiges aber nicht? Man wird somit schließlich zu der Annahme gedrängt, daß der Begriff der Echtheit von Edelmetall¬ waaren mit dem gesetzlichen Legirungszwange in Verbindung zu setzen sei, so daß echt alle Edelmetallwaaren genannt werden müssen, die den gesetzlichen Legirungsvorschriften entsprechen, unecht alle die¬ jenigen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Hiernach wäre der Begriff in Ländern mit vollständiger Freiheit der Edelmetallverarbeitung und ihres Absatzes unanwendbar. Es wäre von großem Interesse und practischem Nutzen, die Anschauungen deutscher Gerichtshöfe über diesen Punkt zusammen¬ zustellen. Die gebräuchlichsten Commentare und Handbücher des Strafrechtes gewähren in dieser Hinsicht keinen Anhalt, da sie den Begriff der Echtheit bei Edelmetallwaaren nicht näher erörtern. Man hat in neuerer Zeit an der Bezeichnung „echtes Talmi-Gold" deßhalb Anstoß genommen, weil dieselbe zu der Ansicht verleiten könne, daß ein, unter diesem Namen angebotenes Ma¬ terial Gold sei. Gleichwohl kann in diesem Gebrauche an sich ein Versuch absichtlicher Täuschung deßhalb nicht erblickt werden, weil die Echtheit dieser Waare sich lediglich auf den Begriff „Talmi" nicht aber auf den Be¬ griff des Goldes bezieht. Das „Talmigold", von seinem Erfinder, Tallois in Paris, so genannt, und in ehrlicher Weise mit dessen Namen ge¬ stempelt, hat vor seinen vielfachen, aus Kupfer, Zink und Zinn bestehen¬ den Nachahmungen allerdings gewisse Vorzüge voraus, so daß man von ech¬ tem und imitirtem Talmigolde reden kann. Wenn freilich ein Händler einem Unerfahrenen eine Kette, mit der Versicherung, sie bestehe aus „echtem Talmi¬ gold", für 30 Thlr. aufschwatzt, während er dieselbe Kette sonst für 3 Thlr. zu verkaufen pflegt, so wird man hier in den meisten Fällen einen Betrug (begangen durch die „Anders altung eines Irrthums" — Reichsstrgesb. §. 263) annehmen müssen. Denn es wird vorausgesetzt werden können, daß der Käufer den Formwerth so hoch nicht schätzte. Würde der Verkäufer auf die Frage, ob der Gegenstand von echtem Golde sei, antworten, „er ist von echtem Talmigolde", der Käufer aber hierdurch beruhigt, den Gegenstand nach dem Preise wirklich goldener Waaren bezahlen, so dürfte dem wegen Betruges belangten Verkäufer die Einrede, daß er ja seinem Contrahenten die Wahrheit gesagt habe, kaum nützen. Denn die Aussage der Wahrheit in einer auf Irrthum berechneten und Irrthum erregenden Form ist thatsächlich eine Täuschung. Unter der Bezeichnung als „echte" werden für gewöhnlich alle Gold- und Silberwaaren begriffen, die nicht plattirt oder blos vergoldet bez. ver¬ silbert sind. Werden doch heutzutage für den Preis weniger Thaler „echt goldene" Siegel-Ringe, Bracher und Armbänder ausgeboten, die aus einer, mit einem Minimum von Golde legirter Kupfermasse gefertigt sind, und an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/310>, abgerufen am 06.02.2025.