Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.obachtung des Wortlautes die Frage von jedem Geschworenen verneint werden, obachtung des Wortlautes die Frage von jedem Geschworenen verneint werden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193072"/> <p xml:id="ID_859" prev="#ID_858" next="#ID_860"> obachtung des Wortlautes die Frage von jedem Geschworenen verneint werden,<lb/> der die Todesursache nicht in dem Schlage mit dem Hammer, sondern in<lb/> einem nachfolgenden gewaltsamen Niederwerfen u. s. w. findet. Gleichwohl<lb/> ist es durchaus richtig, unter gewissen Voraussetzungen den Beweis solcher<lb/> concreter Einzelheiten und folgeweise auch deren Aufnahme in die Frage und end¬<lb/> lich die stritte Beachtung darin bei Fällung des Verdietes zu fordern. Die<lb/> Unmöglichkeit, die Art und Weise der Begehung eines Verbrechens bis zu<lb/> einem gewissen Grade genau festzustellen, zeigt Mangel der Sicherheit des Be¬<lb/> weises an. Lehrreich ist in dieser Beziehung z. B. folgender der Hannover«<lb/> schen Praxis entnommene Fall. Der Arbeiter M. war in seiner Wohnung<lb/> durch einen von der Straße aus abgefeuerten Schuß verwundet worden. Der<lb/> Verdacht fiel sogleich auf den Angeklagten, der kurze Zeit vorher feine Ab¬<lb/> sicht, an dem M. Rache zu nehmen, in leidenschaftlicher Weise erklärt hatte.<lb/> Bei dem Angeklagten wurde eine Pistole und Munition vorgefunden, indeß<lb/> durch Sachverständige erklärt, daß zu dieser Pistole die im Zimmer des Be¬<lb/> schädigtem gefundene Kugel, sowie ein unter dessen Fenster auf der Straße<lb/> liegen gebliebener Ladstock nicht gehöre. Die Geschworenen verneinten die da¬<lb/> hin abgefaßte Frage, ob der Angeklagte den Schuß abgefeuert habe. Wäre<lb/> hier alternativ d. h. unbestimmt die Frage dahin gestellt worden, ob der An¬<lb/> geklagte entweder felbst den Schuß abgefeuert oder einen anderen zu dieser<lb/> That angestiftet habe, so wäre vielleicht, wie die Umstände lagen, eine Verur-<lb/> theilung erfolgt. Diese alternative, unbestimmt gehaltene Frage konnte Je¬<lb/> mand bejahen, der sich nicht klar darüber war, ob der Angeklagte selbst phy¬<lb/> sisch thätig war oder einen Anderen zu dieser Thätigkeit anstiftete: sie konnte<lb/> bejaht werden, wenn man eigentlich nur im Allgemeinen überzeugt war. daß<lb/> der Angeklagte dabei jedenfalls die Hand im Spiele hatte. Bei solcher Un¬<lb/> bestimmtheit sinkt aber die scheinbare Gewißheit zu einem Verdachte herab,<lb/> der eine Verurtheilung nicht gestattet. Konnte nicht in dem erwähnten Falle<lb/> eine dritte Person die ausgestoßene Drohung des Angeklagten benutzt haben,<lb/> um das erwähnte Verbrechen ungestraft selbständig zu begehen, oder konnte<lb/> nicht ein Anderer, um dem Angeklagten einen voreiligen Dienst zu leisten,<lb/> den Schuß abgefeuert haben? Man kann hier allerdings sagen: die Fragen¬<lb/> stellung hat die wesentlichsten Punkte der Beweisführung gleichsam zu krystal-<lb/> lisiren, und hiermit kann sie wirklich der Justizpflege einen nicht zu unter¬<lb/> schätzenden Dienst leisten^: sie hat zu bewirken, dech alles Wesentliche und nur<lb/> das Wesentliche zur Abstimmung gelange. Freilich ist sie ein scharfes, schnei¬<lb/> diges Instrument und hat als solches die Eigenschaft, daß sie in ungeschickten<lb/> Händen wenig Gutes stiftet. Aber die principielle Richtigkeit der Fragenstellung<lb/> in dieser Richtung ist gar nicht zu bezweifeln, und das französische Recht hat<lb/> hier einen Punkt getroffen, an welchem aller Einwendungen zum Trotz eine</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
obachtung des Wortlautes die Frage von jedem Geschworenen verneint werden,
der die Todesursache nicht in dem Schlage mit dem Hammer, sondern in
einem nachfolgenden gewaltsamen Niederwerfen u. s. w. findet. Gleichwohl
ist es durchaus richtig, unter gewissen Voraussetzungen den Beweis solcher
concreter Einzelheiten und folgeweise auch deren Aufnahme in die Frage und end¬
lich die stritte Beachtung darin bei Fällung des Verdietes zu fordern. Die
Unmöglichkeit, die Art und Weise der Begehung eines Verbrechens bis zu
einem gewissen Grade genau festzustellen, zeigt Mangel der Sicherheit des Be¬
weises an. Lehrreich ist in dieser Beziehung z. B. folgender der Hannover«
schen Praxis entnommene Fall. Der Arbeiter M. war in seiner Wohnung
durch einen von der Straße aus abgefeuerten Schuß verwundet worden. Der
Verdacht fiel sogleich auf den Angeklagten, der kurze Zeit vorher feine Ab¬
sicht, an dem M. Rache zu nehmen, in leidenschaftlicher Weise erklärt hatte.
Bei dem Angeklagten wurde eine Pistole und Munition vorgefunden, indeß
durch Sachverständige erklärt, daß zu dieser Pistole die im Zimmer des Be¬
schädigtem gefundene Kugel, sowie ein unter dessen Fenster auf der Straße
liegen gebliebener Ladstock nicht gehöre. Die Geschworenen verneinten die da¬
hin abgefaßte Frage, ob der Angeklagte den Schuß abgefeuert habe. Wäre
hier alternativ d. h. unbestimmt die Frage dahin gestellt worden, ob der An¬
geklagte entweder felbst den Schuß abgefeuert oder einen anderen zu dieser
That angestiftet habe, so wäre vielleicht, wie die Umstände lagen, eine Verur-
theilung erfolgt. Diese alternative, unbestimmt gehaltene Frage konnte Je¬
mand bejahen, der sich nicht klar darüber war, ob der Angeklagte selbst phy¬
sisch thätig war oder einen Anderen zu dieser Thätigkeit anstiftete: sie konnte
bejaht werden, wenn man eigentlich nur im Allgemeinen überzeugt war. daß
der Angeklagte dabei jedenfalls die Hand im Spiele hatte. Bei solcher Un¬
bestimmtheit sinkt aber die scheinbare Gewißheit zu einem Verdachte herab,
der eine Verurtheilung nicht gestattet. Konnte nicht in dem erwähnten Falle
eine dritte Person die ausgestoßene Drohung des Angeklagten benutzt haben,
um das erwähnte Verbrechen ungestraft selbständig zu begehen, oder konnte
nicht ein Anderer, um dem Angeklagten einen voreiligen Dienst zu leisten,
den Schuß abgefeuert haben? Man kann hier allerdings sagen: die Fragen¬
stellung hat die wesentlichsten Punkte der Beweisführung gleichsam zu krystal-
lisiren, und hiermit kann sie wirklich der Justizpflege einen nicht zu unter¬
schätzenden Dienst leisten^: sie hat zu bewirken, dech alles Wesentliche und nur
das Wesentliche zur Abstimmung gelange. Freilich ist sie ein scharfes, schnei¬
diges Instrument und hat als solches die Eigenschaft, daß sie in ungeschickten
Händen wenig Gutes stiftet. Aber die principielle Richtigkeit der Fragenstellung
in dieser Richtung ist gar nicht zu bezweifeln, und das französische Recht hat
hier einen Punkt getroffen, an welchem aller Einwendungen zum Trotz eine
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