Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.des Raubes, des Diebstahls schuldig sei, wohl aber ob er schuldig sei, die Hand¬ Indeß liegt darin eine nicht zu leugnende mehrfache Inconsequenz. Einer¬ des Raubes, des Diebstahls schuldig sei, wohl aber ob er schuldig sei, die Hand¬ Indeß liegt darin eine nicht zu leugnende mehrfache Inconsequenz. Einer¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193070"/> <p xml:id="ID_855" prev="#ID_854"> des Raubes, des Diebstahls schuldig sei, wohl aber ob er schuldig sei, die Hand¬<lb/> lung begangen zu haben, deren Merkmale die gesetzliche Definition des be¬<lb/> treffenden Verbrechens ausfüllen. Nur ausnahmsweise geht die Praxis da¬<lb/> von ab, indem sie einige Begriffe, die im Strafgesetzbuch vorkommen, hier<lb/> aber nicht weiter definirt sind, trotz dieser Unterlassung des Strafgesetzes, weil<lb/> sie einen zu specifisch juristischen Charakter zu haben scheinen, in concrete<lb/> Thatsachen auflöst. So z. B. sollen die Geschworenen nicht darnach gefragt<lb/> werden, ob der Angeklagte eine „6eriwre ^iMentique et Mbliczue" eine<lb/> „veriwi-ö alö commerce" gefälscht habe: hier soll vielmehr das speciell im<lb/> concreten Falle gebrauchte Schriftstück beschrieben werden, damit dann der<lb/> Gerichtshof, in höherer Instanz der Cassationshof beurtheilen könne, ob es<lb/> eine „öeriture auttienti^ne et xudliquo" u. s. w. sei. Man täuscht sich aber<lb/> keineswegs darüber, daß die Geschworenen in ihrem Berdicte sehr viel mehr<lb/> thun, als bloße Thatsachen feststellen, und beruhigt sich nur bei der positiven<lb/> Bestimmung des Gesetzes, wonach eben die Trennung der thatsächlichen Fest¬<lb/> stellung und der rechtlichen Beurtheilung nur soweit geboten sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_856" next="#ID_857"> Indeß liegt darin eine nicht zu leugnende mehrfache Inconsequenz. Einer¬<lb/> seits ist es sehr viel leichter, wenn gewisse in den Strafgesetzen selbst bezeich¬<lb/> nete Merkmale bei einer Handlung als vorhanden festgestellt sind, zu be¬<lb/> stimmen, ob darin das eine oder das andere Delict, oder möglicher Weise, weil<lb/> es an einem Requisit fehlt, gar kein Delict zu befinden sei, als festzu¬<lb/> stellen, ob Begriffe, die das Gesetz nicht definirt hat, bei einer Handlung<lb/> zutreffen. Die erste Operation besteht in einer einfachen Vergleichung der<lb/> Worte der Feststellung mit den Worten der Gesetzesparagraphen, die zweite<lb/> ist eine rechtswissenschaftliche Operation im eigentlichen Sinne; die erste fällt<lb/> aber den Richtern, die zweite ohne weitere Controle den Geschworenen zu.<lb/> Zweitens aber greifen die Richter, indem sie in den vorhin erwähnten be¬<lb/> sonderen Fällen die Subsumtion der concreten Thatsachen unter die gesetz¬<lb/> lichen Begriffe vornehmen, entschieden auf das Gebiet der thatsächlichen Fest¬<lb/> stellung über, sie entscheiden vorweg, daß andere erhebliche Thatumstände neben<lb/> den bezeichneten nicht vorliegen. Nach dem letzteren Verfahren wäre es mög¬<lb/> lich die Geschworenen zu Probirsteinen des Beweises über einzelne Thatsachen<lb/> zu machen, mit welchen letzteren das Gericht nachher frei schalten könnte.<lb/> Indeß ist dies Verfahren, wenngleich man zur Zeit der Abfassung des fran¬<lb/> zösischen Strafproceßgesetzes keineswegs über die Sache klar war, und auch<lb/> Napoleon I., dem sonst oft sehr richtige Blicke in das Wesen der Justiz<lb/> nachgerühmt werden, hier in entschiedenem Irrthum sich bewegte, doch keines¬<lb/> wegs in dem französischen Gesetze selbst sanktionirt worden, und wir erhalten so¬<lb/> mit das einfache Resultat, daß eigentlich die ganze gerade mit Hülfe der<lb/> Rechtswissenschaft zu lösende Aufgabe bei der Rechtsprechung in Strafsachen,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
des Raubes, des Diebstahls schuldig sei, wohl aber ob er schuldig sei, die Hand¬
lung begangen zu haben, deren Merkmale die gesetzliche Definition des be¬
treffenden Verbrechens ausfüllen. Nur ausnahmsweise geht die Praxis da¬
von ab, indem sie einige Begriffe, die im Strafgesetzbuch vorkommen, hier
aber nicht weiter definirt sind, trotz dieser Unterlassung des Strafgesetzes, weil
sie einen zu specifisch juristischen Charakter zu haben scheinen, in concrete
Thatsachen auflöst. So z. B. sollen die Geschworenen nicht darnach gefragt
werden, ob der Angeklagte eine „6eriwre ^iMentique et Mbliczue" eine
„veriwi-ö alö commerce" gefälscht habe: hier soll vielmehr das speciell im
concreten Falle gebrauchte Schriftstück beschrieben werden, damit dann der
Gerichtshof, in höherer Instanz der Cassationshof beurtheilen könne, ob es
eine „öeriture auttienti^ne et xudliquo" u. s. w. sei. Man täuscht sich aber
keineswegs darüber, daß die Geschworenen in ihrem Berdicte sehr viel mehr
thun, als bloße Thatsachen feststellen, und beruhigt sich nur bei der positiven
Bestimmung des Gesetzes, wonach eben die Trennung der thatsächlichen Fest¬
stellung und der rechtlichen Beurtheilung nur soweit geboten sei.
Indeß liegt darin eine nicht zu leugnende mehrfache Inconsequenz. Einer¬
seits ist es sehr viel leichter, wenn gewisse in den Strafgesetzen selbst bezeich¬
nete Merkmale bei einer Handlung als vorhanden festgestellt sind, zu be¬
stimmen, ob darin das eine oder das andere Delict, oder möglicher Weise, weil
es an einem Requisit fehlt, gar kein Delict zu befinden sei, als festzu¬
stellen, ob Begriffe, die das Gesetz nicht definirt hat, bei einer Handlung
zutreffen. Die erste Operation besteht in einer einfachen Vergleichung der
Worte der Feststellung mit den Worten der Gesetzesparagraphen, die zweite
ist eine rechtswissenschaftliche Operation im eigentlichen Sinne; die erste fällt
aber den Richtern, die zweite ohne weitere Controle den Geschworenen zu.
Zweitens aber greifen die Richter, indem sie in den vorhin erwähnten be¬
sonderen Fällen die Subsumtion der concreten Thatsachen unter die gesetz¬
lichen Begriffe vornehmen, entschieden auf das Gebiet der thatsächlichen Fest¬
stellung über, sie entscheiden vorweg, daß andere erhebliche Thatumstände neben
den bezeichneten nicht vorliegen. Nach dem letzteren Verfahren wäre es mög¬
lich die Geschworenen zu Probirsteinen des Beweises über einzelne Thatsachen
zu machen, mit welchen letzteren das Gericht nachher frei schalten könnte.
Indeß ist dies Verfahren, wenngleich man zur Zeit der Abfassung des fran¬
zösischen Strafproceßgesetzes keineswegs über die Sache klar war, und auch
Napoleon I., dem sonst oft sehr richtige Blicke in das Wesen der Justiz
nachgerühmt werden, hier in entschiedenem Irrthum sich bewegte, doch keines¬
wegs in dem französischen Gesetze selbst sanktionirt worden, und wir erhalten so¬
mit das einfache Resultat, daß eigentlich die ganze gerade mit Hülfe der
Rechtswissenschaft zu lösende Aufgabe bei der Rechtsprechung in Strafsachen,
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