Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.jeden Augenblick zu erfüllen. Was unsere Universitätsprofessoren nicht zu Treffend ist es, was Bruno Meyer schließlich über die sittliche Macht Mehr noch-als in dem Vortrage über die Sprache hat unser Wider¬ Was zunächst die allgemeinen ästhetischen Erörterungen über Musik betrifft, so jeden Augenblick zu erfüllen. Was unsere Universitätsprofessoren nicht zu Treffend ist es, was Bruno Meyer schließlich über die sittliche Macht Mehr noch-als in dem Vortrage über die Sprache hat unser Wider¬ Was zunächst die allgemeinen ästhetischen Erörterungen über Musik betrifft, so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193057"/> <p xml:id="ID_820" prev="#ID_819"> jeden Augenblick zu erfüllen. Was unsere Universitätsprofessoren nicht zu<lb/> Wege bringen, die doch täglich nur ein Colleg lesen, das soll der Lehrer<lb/> leisten, der täglich vier, fünf Lektionen zu ertheilen hat? Daß die Dialoge<lb/> des Platon mehr sind, als ein Uebungsbuch zum Uebersetzen, braucht Bruno<lb/> Meyer heutzutage keinem deutschen Schulmeister mehr zu sagen; es ist aber<lb/> eben keine Kleinigkeit, die „Kunst des Platon" zu demonstriren. Da ist es<lb/> denn freilich leicht gesagt: „Es ist eine Anmaßung, das wichtige Amt eines<lb/> Pädagogen verwalten zu wollen, wenn man den höchsten, aber unabweis¬<lb/> baren Anforderungen desselben kraft Begabung und Ausbildung nicht ge¬<lb/> wachsen ist." Es können eben nicht lauter Männer wie Bruno Meyer an<lb/> unseren Schulen thätig sein. Sagt er doch selbst — mit einem etwas affec-<lb/> tirter Latinismus —: „Schon lange bewege ich den Gedanken, einmal<lb/> irgend ein kleineres Gedicht grammatisch-ästhetisch zu erklären, um aus der<lb/> Sprachform die ästhetische Grundidee und die Ausgestaltung derselben mit<lb/> ihrem besonderen Gepräge abzuleiten und zu beleuchten." Darauf läßt sich<lb/> nur antworten: Bitte, genire dich ja nicht, sondern „bewege" fröhlich weiter<lb/> und laß dir zur Ausführung z.B. Goethe's „Sänger" einmal angelegen sein.<lb/> Wir sehen dieser deiner Leistung mit den gespanntesten Erwartungen ent¬<lb/> gegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_821"> Treffend ist es, was Bruno Meyer schließlich über die sittliche Macht<lb/> ästhetischer Sprachbehandlung sagt. Bei der ethischen Einwirkung der Poesie,<lb/> namentlich des Dramas, brauchen wir uns ja nicht aufzuhalten; daß aber<lb/> selbst aus der rechten grammatischen und stilistischen Einsicht unmittelbare<lb/> Folgen für die Sittlichkeit sich ergeben können, hat er treffend hervorgehoben<lb/> wenn er sagt: „Die Achtung vor dem Sprachgesetze, das durch seine ästheti¬<lb/> sche Würde imponirt, wirkt gleich der vor jedem andern Gesetze, befreiend im wahren<lb/> Sinne auf den Willen, indem sie ihn aus seiner selbsteigenen und unge¬<lb/> zwungenen Entschließung heraus dem Gesetze unterwirft."</p><lb/> <p xml:id="ID_822"> Mehr noch-als in dem Vortrage über die Sprache hat unser Wider¬<lb/> spruch sich geregt in dem über Musik. Wir wissen nicht, ob Jemand von<lb/> Bruno Meyer überhaupt erwartet oder verlangt, daß er über Musik<lb/> schreibe. Bloß um der lieben Vollständigkeit willen sich auf ein Gebiet zu<lb/> begeben, auf dem mit der bloßen Spekulation am allerwenigsten auszukom¬<lb/> men ist, das ist doch etwas gewagt. Hettner hat in seiner „Deutschen<lb/> Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts" das musikgeschichtliche Kapitel von<lb/> Nietz sich schreiben lassen, Huber in seiner „Geschichte des Jesuitenordens" den Ab¬<lb/> schnitt über die Pflege der bildenden Künste durch die Jesuiten der Feder Meßner's<lb/> anvertraut. Das dürfte ein vorsichtigerer Weg sein, um zur Vollständigkeit<lb/> zu gelangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_823" next="#ID_824"> Was zunächst die allgemeinen ästhetischen Erörterungen über Musik betrifft, so</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
jeden Augenblick zu erfüllen. Was unsere Universitätsprofessoren nicht zu
Wege bringen, die doch täglich nur ein Colleg lesen, das soll der Lehrer
leisten, der täglich vier, fünf Lektionen zu ertheilen hat? Daß die Dialoge
des Platon mehr sind, als ein Uebungsbuch zum Uebersetzen, braucht Bruno
Meyer heutzutage keinem deutschen Schulmeister mehr zu sagen; es ist aber
eben keine Kleinigkeit, die „Kunst des Platon" zu demonstriren. Da ist es
denn freilich leicht gesagt: „Es ist eine Anmaßung, das wichtige Amt eines
Pädagogen verwalten zu wollen, wenn man den höchsten, aber unabweis¬
baren Anforderungen desselben kraft Begabung und Ausbildung nicht ge¬
wachsen ist." Es können eben nicht lauter Männer wie Bruno Meyer an
unseren Schulen thätig sein. Sagt er doch selbst — mit einem etwas affec-
tirter Latinismus —: „Schon lange bewege ich den Gedanken, einmal
irgend ein kleineres Gedicht grammatisch-ästhetisch zu erklären, um aus der
Sprachform die ästhetische Grundidee und die Ausgestaltung derselben mit
ihrem besonderen Gepräge abzuleiten und zu beleuchten." Darauf läßt sich
nur antworten: Bitte, genire dich ja nicht, sondern „bewege" fröhlich weiter
und laß dir zur Ausführung z.B. Goethe's „Sänger" einmal angelegen sein.
Wir sehen dieser deiner Leistung mit den gespanntesten Erwartungen ent¬
gegen.
Treffend ist es, was Bruno Meyer schließlich über die sittliche Macht
ästhetischer Sprachbehandlung sagt. Bei der ethischen Einwirkung der Poesie,
namentlich des Dramas, brauchen wir uns ja nicht aufzuhalten; daß aber
selbst aus der rechten grammatischen und stilistischen Einsicht unmittelbare
Folgen für die Sittlichkeit sich ergeben können, hat er treffend hervorgehoben
wenn er sagt: „Die Achtung vor dem Sprachgesetze, das durch seine ästheti¬
sche Würde imponirt, wirkt gleich der vor jedem andern Gesetze, befreiend im wahren
Sinne auf den Willen, indem sie ihn aus seiner selbsteigenen und unge¬
zwungenen Entschließung heraus dem Gesetze unterwirft."
Mehr noch-als in dem Vortrage über die Sprache hat unser Wider¬
spruch sich geregt in dem über Musik. Wir wissen nicht, ob Jemand von
Bruno Meyer überhaupt erwartet oder verlangt, daß er über Musik
schreibe. Bloß um der lieben Vollständigkeit willen sich auf ein Gebiet zu
begeben, auf dem mit der bloßen Spekulation am allerwenigsten auszukom¬
men ist, das ist doch etwas gewagt. Hettner hat in seiner „Deutschen
Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts" das musikgeschichtliche Kapitel von
Nietz sich schreiben lassen, Huber in seiner „Geschichte des Jesuitenordens" den Ab¬
schnitt über die Pflege der bildenden Künste durch die Jesuiten der Feder Meßner's
anvertraut. Das dürfte ein vorsichtigerer Weg sein, um zur Vollständigkeit
zu gelangen.
Was zunächst die allgemeinen ästhetischen Erörterungen über Musik betrifft, so
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