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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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züge erwähnte, daß der Herausgeber streng auf richtiges Deutsch ach¬
ten werde.

Man mag auch in außerdeutschen Zeitungen hie und da auf einen nicht
mit strenger Logik construirten Satz stoßen, aber einer solchen Mißachtung,
einer derartigen völligen Beiseitesctzung allgemein bekannter grammatischer
Regeln, wie man sie in manchen der angesehensten deutschen Blätter Tag für
Tag wiederholt sieht, machen sich meines Wissens die Vertreter der auslän¬
dischen Pressen nicht schuldig. Erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Beispiele
anführe und der Vollständigkeit halber die betreffenden Regeln der Gramma¬
tik citire.

1) Unter sämmtlichen Substantiv-Präpositionen (von Substantiven ge¬
bildeten) giebt es bekanntlich nur vier, welche auch mit dem Dativ gebraucht
werden, nämlich "längs", "entlang", "trotz" und "zufolge"; alle übrigen er¬
fordern nothwendig den Genitiv, wie es jeder Quartaner in seiner
Classe lernt. Trotzdem braucht man nur irgend welches Exemplar einer in
Norddeutschland sehr angesehenen Zeitung zur Hand zu nehmen, um auf
folgende oder ähnliche Sätze zu stoßen: Laut den letzten New Uorker Be¬
richten", "laut dem Programme der ultramontanen Partei"; "der Dam¬
pfer Hansa hatte wegen Schäden am Ruder. !.. einlaufen müssen."

2) Ebenso bekannt ist es, daß das Vortwort "in" überall, wo der Be¬
griff des Befindens, Bleibens, Verweilens (wo?) vorliegt, den Dativ,
wo es sich aber um eine Bewegung, Zustandsveränderung, Erstreckung (wo¬
hin?) handelt, den Accusativ regiert. In derselben Zeitung aber las man
vor einiger Zeit: "In Cosenza liegen die meisten Häuser in Trümmer",
"im Ganzen liegen nahe an 200 Häuser in Trümmer" (also kein Druckfehler)

3) Gleichfalls, weil der Begriff des Verweilens der Geistesthätigkeit bet
dem Gegenstande vorwaltet, sagt man "an einer Sache zweifeln". In einer
angesehenen norddeutschen Zeitung aber lese ich: "Sollte Herrn Thiers nicht
ein leiser Zweifel an die von ihm geschaffenen Zustände beschlichen
haben?

4) Ebenso wie im Lateinischen muß auch im Deutschen die Apposition
nothwendig im Numero und Casu mit ihrem Gegenstandsworte übereinstimmen.
Man verwechselt sie aber mit dem parenthetischen Erklärungszusatze, welcher
allerdings dem Congruenzgesetze nicht unterworfen ist, und schreibt dann, wie
die bereits mehrfach erwähnte Zeitung: -- "Auch hätte Herr Thiers daran
denken sollen, daß Gravelotte bei Metz liegt, jenes Metz, welches für Frank¬
reich verloren gegangen" u. f. w.. ferner: "Die betreffenden Werthpapiere
find nämlich bei Herrn Carl Leiden aus Köln deponirt, einer der seltenen
Vertreter der großen deutschen Finanzwelt, welcher" u. s. w., oder: "-- so
sagt Herr Thiers im Wen Public, das Leiborgan des Präsidenten" u. s. w.


züge erwähnte, daß der Herausgeber streng auf richtiges Deutsch ach¬
ten werde.

Man mag auch in außerdeutschen Zeitungen hie und da auf einen nicht
mit strenger Logik construirten Satz stoßen, aber einer solchen Mißachtung,
einer derartigen völligen Beiseitesctzung allgemein bekannter grammatischer
Regeln, wie man sie in manchen der angesehensten deutschen Blätter Tag für
Tag wiederholt sieht, machen sich meines Wissens die Vertreter der auslän¬
dischen Pressen nicht schuldig. Erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Beispiele
anführe und der Vollständigkeit halber die betreffenden Regeln der Gramma¬
tik citire.

1) Unter sämmtlichen Substantiv-Präpositionen (von Substantiven ge¬
bildeten) giebt es bekanntlich nur vier, welche auch mit dem Dativ gebraucht
werden, nämlich „längs", „entlang", „trotz" und „zufolge"; alle übrigen er¬
fordern nothwendig den Genitiv, wie es jeder Quartaner in seiner
Classe lernt. Trotzdem braucht man nur irgend welches Exemplar einer in
Norddeutschland sehr angesehenen Zeitung zur Hand zu nehmen, um auf
folgende oder ähnliche Sätze zu stoßen: Laut den letzten New Uorker Be¬
richten", „laut dem Programme der ultramontanen Partei"; „der Dam¬
pfer Hansa hatte wegen Schäden am Ruder. !.. einlaufen müssen."

2) Ebenso bekannt ist es, daß das Vortwort „in" überall, wo der Be¬
griff des Befindens, Bleibens, Verweilens (wo?) vorliegt, den Dativ,
wo es sich aber um eine Bewegung, Zustandsveränderung, Erstreckung (wo¬
hin?) handelt, den Accusativ regiert. In derselben Zeitung aber las man
vor einiger Zeit: „In Cosenza liegen die meisten Häuser in Trümmer",
„im Ganzen liegen nahe an 200 Häuser in Trümmer" (also kein Druckfehler)

3) Gleichfalls, weil der Begriff des Verweilens der Geistesthätigkeit bet
dem Gegenstande vorwaltet, sagt man „an einer Sache zweifeln". In einer
angesehenen norddeutschen Zeitung aber lese ich: „Sollte Herrn Thiers nicht
ein leiser Zweifel an die von ihm geschaffenen Zustände beschlichen
haben?

4) Ebenso wie im Lateinischen muß auch im Deutschen die Apposition
nothwendig im Numero und Casu mit ihrem Gegenstandsworte übereinstimmen.
Man verwechselt sie aber mit dem parenthetischen Erklärungszusatze, welcher
allerdings dem Congruenzgesetze nicht unterworfen ist, und schreibt dann, wie
die bereits mehrfach erwähnte Zeitung: — „Auch hätte Herr Thiers daran
denken sollen, daß Gravelotte bei Metz liegt, jenes Metz, welches für Frank¬
reich verloren gegangen" u. f. w.. ferner: „Die betreffenden Werthpapiere
find nämlich bei Herrn Carl Leiden aus Köln deponirt, einer der seltenen
Vertreter der großen deutschen Finanzwelt, welcher" u. s. w., oder: „— so
sagt Herr Thiers im Wen Public, das Leiborgan des Präsidenten" u. s. w.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/246>, abgerufen am 06.02.2025.