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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Tagen unsrer Residenz an Gut und Leben geschlagen wurden, geheilt. Aber
vergessen? Nein, das dürfen, das können sie nicht sein!"

"Alle Stürme werden von den Oesterreichern abgeschlagen und immer
wieder mußten die Preußen Rechtsumkehrt machen,"

"Aber was mich wundert", sagte Richard, "daß die Soldaten, wenn sie
nun wiederholt zurückgeschlagen und jedesmal eine Menge dabei todtgeschossen
werden, immer wieder Lust haben, auf's Neue drauf zu gehen."

"Ja, guter Junge, auf die Lust kommt es hierbei nicht an. Bei den
Soldaten heißt es: Du mußt! Ein einziges Commandowort des Befehls¬
habers schickt oft Hunderte, ja Tausende in den sicheren Tod, und doch gilt
hier keine Widerrede. Der Soldat muß gehorchen und wenn er seinen Tod
vor Augen sieht."

"Onkel, nein, jetzt will ich kein Soldat mehr werden", siel hier Heinrich
schnell ein.

So weiß unser Heulmeier die Jugend zu begeistern für die allgemeine
Wehrpflicht, die sie dereinst auch zu erfüllen hat, um vielleicht den Rachekrieg
der Franzosen von ihrem deutschen Vaterland abzuwehren.

In der That, man sollte es nicht für möglich halten, daß nach den ge¬
waltigen Ereignissen der letzten Jahre eine so erbärmliche, philisterhafte, so
völlig undeutsche Gesinnung sich in dieser Weise selbst an den Pranger der
Öffentlichkeit stellen könnte.

Durch die ganze teutschgesinnte Presse Sachsens ging ein Schrei der
Entrüstung über diesen "faulen" Blüthenstrauß für die Jugend, zumal der¬
selbe sich mit der Firma des nach dem sächsischen Kronprinzen benannten
Albertvereines gedeckt hatte. "Ein größerer Widerspruch" -- hieß es in
einem Artikel, der bald die Runde durch ganz Sachsen machte -- "zwischen
dem Namen und dem Zwecke des Vereins auf der einen, und dem Inhalt
dieses Buches auf der anderen Seite läßt sich kaum vorstellen. Der Alvert-
verein trägt seinen Namen von dem hohen Herrn, dessen Degen zur Nieder¬
werfung der Franzosen und zur Wiederaufrichtung des deutschen Reichs so
viel beigetragen hat, der unter den Paladinen unseres Kaisers so hervorragt;
der Verein hat den Zweck, deutsche Krieger, die im Kampf für Deutschland
verwunde! worden, zu unterstützen und verpflegen. Was erwartet man also
von einem Blüthenstrauße, den der Albertverein der Jugend windet? Doch
wohl die Pflege des deutschen Geistes in den Herzen der Sachsenjugend!
Was aber bietet die Schrift? ... Die weinerlichste partieularistische Vater¬
landsliebe und ... den alten unverständigen Preußenhaß. . . Nein, wir
protestiren gegen eine solche Buchmachern, wir protestiren dagegen, daß der
Name unseres Kronprinzen, wie der gute Wille und das Geld derer, die sich


Tagen unsrer Residenz an Gut und Leben geschlagen wurden, geheilt. Aber
vergessen? Nein, das dürfen, das können sie nicht sein!"

„Alle Stürme werden von den Oesterreichern abgeschlagen und immer
wieder mußten die Preußen Rechtsumkehrt machen,"

„Aber was mich wundert", sagte Richard, „daß die Soldaten, wenn sie
nun wiederholt zurückgeschlagen und jedesmal eine Menge dabei todtgeschossen
werden, immer wieder Lust haben, auf's Neue drauf zu gehen."

„Ja, guter Junge, auf die Lust kommt es hierbei nicht an. Bei den
Soldaten heißt es: Du mußt! Ein einziges Commandowort des Befehls¬
habers schickt oft Hunderte, ja Tausende in den sicheren Tod, und doch gilt
hier keine Widerrede. Der Soldat muß gehorchen und wenn er seinen Tod
vor Augen sieht."

„Onkel, nein, jetzt will ich kein Soldat mehr werden", siel hier Heinrich
schnell ein.

So weiß unser Heulmeier die Jugend zu begeistern für die allgemeine
Wehrpflicht, die sie dereinst auch zu erfüllen hat, um vielleicht den Rachekrieg
der Franzosen von ihrem deutschen Vaterland abzuwehren.

In der That, man sollte es nicht für möglich halten, daß nach den ge¬
waltigen Ereignissen der letzten Jahre eine so erbärmliche, philisterhafte, so
völlig undeutsche Gesinnung sich in dieser Weise selbst an den Pranger der
Öffentlichkeit stellen könnte.

Durch die ganze teutschgesinnte Presse Sachsens ging ein Schrei der
Entrüstung über diesen „faulen" Blüthenstrauß für die Jugend, zumal der¬
selbe sich mit der Firma des nach dem sächsischen Kronprinzen benannten
Albertvereines gedeckt hatte. „Ein größerer Widerspruch" — hieß es in
einem Artikel, der bald die Runde durch ganz Sachsen machte — „zwischen
dem Namen und dem Zwecke des Vereins auf der einen, und dem Inhalt
dieses Buches auf der anderen Seite läßt sich kaum vorstellen. Der Alvert-
verein trägt seinen Namen von dem hohen Herrn, dessen Degen zur Nieder¬
werfung der Franzosen und zur Wiederaufrichtung des deutschen Reichs so
viel beigetragen hat, der unter den Paladinen unseres Kaisers so hervorragt;
der Verein hat den Zweck, deutsche Krieger, die im Kampf für Deutschland
verwunde! worden, zu unterstützen und verpflegen. Was erwartet man also
von einem Blüthenstrauße, den der Albertverein der Jugend windet? Doch
wohl die Pflege des deutschen Geistes in den Herzen der Sachsenjugend!
Was aber bietet die Schrift? ... Die weinerlichste partieularistische Vater¬
landsliebe und ... den alten unverständigen Preußenhaß. . . Nein, wir
protestiren gegen eine solche Buchmachern, wir protestiren dagegen, daß der
Name unseres Kronprinzen, wie der gute Wille und das Geld derer, die sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/238>, abgerufen am 06.02.2025.