Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.unsere, freiere Wesen des Alterthums. Platen ist mit persönlichen Jnveetiven Sein Freund ich bin'ö; doch möcht ich nicht sein Liebchen sein, Werfen wir jetzt einen Blick auf den Bau der Platen'schen Lustspiele. In der Behandlung der Parabase ist Platen ziemlich selbstständig ver¬ Grenzboten III. 1373. 28
unsere, freiere Wesen des Alterthums. Platen ist mit persönlichen Jnveetiven Sein Freund ich bin'ö; doch möcht ich nicht sein Liebchen sein, Werfen wir jetzt einen Blick auf den Bau der Platen'schen Lustspiele. In der Behandlung der Parabase ist Platen ziemlich selbstständig ver¬ Grenzboten III. 1373. 28
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unsere, freiere Wesen des Alterthums. Platen ist mit persönlichen Jnveetiven
verhältnißmäßig eben so freigebig als Aristophanes und kann doch nicht wie
dieser vertheidigt werden. Viele Stellen gehören eher in ein Pasquill als in
eine satirische Dichtung. Denn wenn Platen, um nur einiges herauszu¬
greifen, den Dichter H. Heine „Petrark des Lauberhüttenfestes", „Synagogen-
stolz" und „des sterblichen Gechlechts der Menschen Allerunverschämtesten"
nennt, wenn er vollends Immermann von ihm sagen läßt:
Sein Freund ich bin'ö; doch möcht ich nicht sein Liebchen sein,
Denn seine Küsse sondern ab Knoblauchsgeruch,
wo bleibt da die Poesie?
Werfen wir jetzt einen Blick auf den Bau der Platen'schen Lustspiele.
Daß die Composition derselben eine viel straffere, einheitlichere ist, als beim
Aristophanes, haben wir schon gesehen. Es brachte das sein Zweck, eine zu¬
sammenhängende Parodie zu liefern, mit sich. Ja so consequent und mit
solchem Geschick verfolgt er diesen Plan, daß er die Fabel des Stückes in
zwei, drei anderen Geschichten, die demselben eingefügt sind, variirt und so
seine Absicht in ein immer helleres Licht setzt. Was aber trotzdem ganz ver¬
nachlässigt ist, das ist die Charakterzeichnung. Jul. Schmidt meint, die lose
Form der Aristophanischen Komödie überhebe den Dichter der Mühe, leben¬
dige Charaktere zu zeichnen und eine spannende Fabel zu ersinnen und durch¬
zuführen; aus diesem Grunde habe sie Platen gewählt. Das kann nicht
richtig sein. Denn Platen hat das eine, die logisch entwickelte Handlung,
und Aristophanes das andere, die lebendigen, sichergezcichneten Charaktere.
Die Aristophanischen Helden find kernhafte Gestalten, Männer aus einem
Gusse, und wenn sie auch typisch gehalten sind und ganze Klassen vertreten,
es sind doch sorgfältig ausgebildete Individuen. Man sehe den Dikäopolis,
den Wursthändlcr und Kleon, den Euripides und Sokrates, den Peisthetärus,
Bdelykleon und wie sie alle heißen, sind das nicht Menschen mit Fleisch und
Blut, lebendige, concrete Gestalten, die wissen, was sie wollen und ihren
Willen mit Zähigkeit durchsetzen? Die Form der Aristophanes'schen Komödie
ist es also nicht, die Platen abgehalten hat, Charaktere zu zeichnen; er hat
vielmehr geflissentlich keine kernigen Persönlichkeiten geschaffen, um auch da¬
durch die fast- und kraftlose Poesie seiner Gegner in anschaulicher Weise zu
illustriren. Bon der Verhängnißvollen Gabel wenigstens steht das fest und
wird also ohne Zweifel auch vom Romantischen Oedipus gelten: Platen
schrieb an G. Schwab, „daß er Charaktere mit dem Stücke unvereinbar
halte".
In der Behandlung der Parabase ist Platen ziemlich selbstständig ver¬
fahren. Während die des Aristophanes in der Regel aus 7 Theilen besteht
Grenzboten III. 1373. 28
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