Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von Lassalle eifrigst vertheidigt wurde. Als einen bedeutsamen Schritt zur
Lösung der socialen Frage glaubt Walcker diejenige Form des Fabrikbetriebes
betrachten zu müssen, bei welcher der Unternehmer seine Arbeiter allmälig da¬
durch zu Miteigenthümern macht, daß er das Unternehmen in eine Gesell¬
schaft verwandelt, bei welcher die Arbeiter zugleich mit Actien, welche sie sich
durch Ersparniß von ihrem Lohne erwerben, betheiligt sind, die sogen. inäus-
triaZ vartnerskin, für welche ganz besonders die Realisten, an ihrer Spitze
der bekannte preußische Geheimrath Dr. Engel, schwärmen, und welche zuerst
in England unseres Wissens in Teppich- und bez. Drahtgitterfabriken practi'
sche Anwendung gefunden haben. Das gewichtige Bedenken, daß der Arbeiter
hierbei nicht nur beim Gewinne, sondern auch beim Verluste mit seinem
Lohne betheiligt ist, sowie die übrigen treffenden Einwände, welche John
Prince-Smith in einem "Volkswirtschaftliche Gerechtigkeit" überschriebenen
Artikel in "Eras' volkswirthschaftlichen Aufsätzen" gegen diese angeblich durch
das Gebot der Gerechtigkeit geforderte Betheiligung der Arbeiter am Rein¬
gewinne erhoben hat, sind nach unserer Ansicht weder von Walcker noch den
übrigen Vertheidigern dieses Systems genügend gewürdigt und ausreichend
widerlegt, worden. Dagegen stimmen wir darin mit dem Verfasser durchaus
überein, daß die Productiv-Associationen, von denen sich Lassalle und seine
Anhänger soviel versprachen und zum Theil noch versprechen, schwerlich je
eine große Rolle spielen werden, wogegen die von Schulze-Delitzsch empfohle¬
nen, auf ganz anderen Principien beruhenden Associationen bereits mehrfach
ihre Lebensfähigkeit bewiesen haben. Alles das, was Walcker als wirkliche
sociale Aufgabe des Staates betrachtet (K. 49 fig.), ist durchaus vernünftig,
enthält aber neue Vorschläge und Ideen nicht. In Betreff des warm em¬
pfohlenen Instituts der Fabrikinspectoren verweisen wir nachdrücklich auf die
treffenden Bemerkungen, welche Karl Braun in einem Aufsatze, der mit dem
Satze "?LLLlmÄ respudlie-'r xlurim^o Ivgos" eingeleitet wird, gegen deren Ein¬
führung erhoben hat. Auffällig war es, daß auf Einführung von Bundes-
Fabrikinspectoren seiner Zeit bei Berathung des Bundcsgewerbegesetzes der
Führer der Socialisten und der der äußersten Rechten gleichzeitig Anträge
stellten. In Sachsen sind bekanntlich Fabrikinspectoren bereits eingeführt,
doch hat bis jetzt von einer ersprießlichen Thätigkeit derselben wenig oder
nichts verlautet.

Als wahrscheinlichen Ausgang der socialen Frage erklärt der Verfasser,
daß die gesunden Reformen, welche die Frucht der zwischen der realistischen
und freihändlerischen Schule voraussichtlich bald zu Stande kommenden Ver¬
einigung und Verständigung sein werden, den Einfluß der Socialisten auf
die Arbeiter zerstören, die Ultramontanen hierauf an den Socialisten und
Reactionären ihre getreuesten Bundesgenossen verlieren, die freiconservative


von Lassalle eifrigst vertheidigt wurde. Als einen bedeutsamen Schritt zur
Lösung der socialen Frage glaubt Walcker diejenige Form des Fabrikbetriebes
betrachten zu müssen, bei welcher der Unternehmer seine Arbeiter allmälig da¬
durch zu Miteigenthümern macht, daß er das Unternehmen in eine Gesell¬
schaft verwandelt, bei welcher die Arbeiter zugleich mit Actien, welche sie sich
durch Ersparniß von ihrem Lohne erwerben, betheiligt sind, die sogen. inäus-
triaZ vartnerskin, für welche ganz besonders die Realisten, an ihrer Spitze
der bekannte preußische Geheimrath Dr. Engel, schwärmen, und welche zuerst
in England unseres Wissens in Teppich- und bez. Drahtgitterfabriken practi'
sche Anwendung gefunden haben. Das gewichtige Bedenken, daß der Arbeiter
hierbei nicht nur beim Gewinne, sondern auch beim Verluste mit seinem
Lohne betheiligt ist, sowie die übrigen treffenden Einwände, welche John
Prince-Smith in einem „Volkswirtschaftliche Gerechtigkeit" überschriebenen
Artikel in „Eras' volkswirthschaftlichen Aufsätzen" gegen diese angeblich durch
das Gebot der Gerechtigkeit geforderte Betheiligung der Arbeiter am Rein¬
gewinne erhoben hat, sind nach unserer Ansicht weder von Walcker noch den
übrigen Vertheidigern dieses Systems genügend gewürdigt und ausreichend
widerlegt, worden. Dagegen stimmen wir darin mit dem Verfasser durchaus
überein, daß die Productiv-Associationen, von denen sich Lassalle und seine
Anhänger soviel versprachen und zum Theil noch versprechen, schwerlich je
eine große Rolle spielen werden, wogegen die von Schulze-Delitzsch empfohle¬
nen, auf ganz anderen Principien beruhenden Associationen bereits mehrfach
ihre Lebensfähigkeit bewiesen haben. Alles das, was Walcker als wirkliche
sociale Aufgabe des Staates betrachtet (K. 49 fig.), ist durchaus vernünftig,
enthält aber neue Vorschläge und Ideen nicht. In Betreff des warm em¬
pfohlenen Instituts der Fabrikinspectoren verweisen wir nachdrücklich auf die
treffenden Bemerkungen, welche Karl Braun in einem Aufsatze, der mit dem
Satze „?LLLlmÄ respudlie-'r xlurim^o Ivgos" eingeleitet wird, gegen deren Ein¬
führung erhoben hat. Auffällig war es, daß auf Einführung von Bundes-
Fabrikinspectoren seiner Zeit bei Berathung des Bundcsgewerbegesetzes der
Führer der Socialisten und der der äußersten Rechten gleichzeitig Anträge
stellten. In Sachsen sind bekanntlich Fabrikinspectoren bereits eingeführt,
doch hat bis jetzt von einer ersprießlichen Thätigkeit derselben wenig oder
nichts verlautet.

Als wahrscheinlichen Ausgang der socialen Frage erklärt der Verfasser,
daß die gesunden Reformen, welche die Frucht der zwischen der realistischen
und freihändlerischen Schule voraussichtlich bald zu Stande kommenden Ver¬
einigung und Verständigung sein werden, den Einfluß der Socialisten auf
die Arbeiter zerstören, die Ultramontanen hierauf an den Socialisten und
Reactionären ihre getreuesten Bundesgenossen verlieren, die freiconservative


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0204" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193007"/>
          <p xml:id="ID_624" prev="#ID_623"> von Lassalle eifrigst vertheidigt wurde. Als einen bedeutsamen Schritt zur<lb/>
Lösung der socialen Frage glaubt Walcker diejenige Form des Fabrikbetriebes<lb/>
betrachten zu müssen, bei welcher der Unternehmer seine Arbeiter allmälig da¬<lb/>
durch zu Miteigenthümern macht, daß er das Unternehmen in eine Gesell¬<lb/>
schaft verwandelt, bei welcher die Arbeiter zugleich mit Actien, welche sie sich<lb/>
durch Ersparniß von ihrem Lohne erwerben, betheiligt sind, die sogen. inäus-<lb/>
triaZ vartnerskin, für welche ganz besonders die Realisten, an ihrer Spitze<lb/>
der bekannte preußische Geheimrath Dr. Engel, schwärmen, und welche zuerst<lb/>
in England unseres Wissens in Teppich- und bez. Drahtgitterfabriken practi'<lb/>
sche Anwendung gefunden haben. Das gewichtige Bedenken, daß der Arbeiter<lb/>
hierbei nicht nur beim Gewinne, sondern auch beim Verluste mit seinem<lb/>
Lohne betheiligt ist, sowie die übrigen treffenden Einwände, welche John<lb/>
Prince-Smith in einem &#x201E;Volkswirtschaftliche Gerechtigkeit" überschriebenen<lb/>
Artikel in &#x201E;Eras' volkswirthschaftlichen Aufsätzen" gegen diese angeblich durch<lb/>
das Gebot der Gerechtigkeit geforderte Betheiligung der Arbeiter am Rein¬<lb/>
gewinne erhoben hat, sind nach unserer Ansicht weder von Walcker noch den<lb/>
übrigen Vertheidigern dieses Systems genügend gewürdigt und ausreichend<lb/>
widerlegt, worden. Dagegen stimmen wir darin mit dem Verfasser durchaus<lb/>
überein, daß die Productiv-Associationen, von denen sich Lassalle und seine<lb/>
Anhänger soviel versprachen und zum Theil noch versprechen, schwerlich je<lb/>
eine große Rolle spielen werden, wogegen die von Schulze-Delitzsch empfohle¬<lb/>
nen, auf ganz anderen Principien beruhenden Associationen bereits mehrfach<lb/>
ihre Lebensfähigkeit bewiesen haben. Alles das, was Walcker als wirkliche<lb/>
sociale Aufgabe des Staates betrachtet (K. 49 fig.), ist durchaus vernünftig,<lb/>
enthält aber neue Vorschläge und Ideen nicht. In Betreff des warm em¬<lb/>
pfohlenen Instituts der Fabrikinspectoren verweisen wir nachdrücklich auf die<lb/>
treffenden Bemerkungen, welche Karl Braun in einem Aufsatze, der mit dem<lb/>
Satze &#x201E;?LLLlmÄ respudlie-'r xlurim^o Ivgos" eingeleitet wird, gegen deren Ein¬<lb/>
führung erhoben hat. Auffällig war es, daß auf Einführung von Bundes-<lb/>
Fabrikinspectoren seiner Zeit bei Berathung des Bundcsgewerbegesetzes der<lb/>
Führer der Socialisten und der der äußersten Rechten gleichzeitig Anträge<lb/>
stellten. In Sachsen sind bekanntlich Fabrikinspectoren bereits eingeführt,<lb/>
doch hat bis jetzt von einer ersprießlichen Thätigkeit derselben wenig oder<lb/>
nichts verlautet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_625" next="#ID_626"> Als wahrscheinlichen Ausgang der socialen Frage erklärt der Verfasser,<lb/>
daß die gesunden Reformen, welche die Frucht der zwischen der realistischen<lb/>
und freihändlerischen Schule voraussichtlich bald zu Stande kommenden Ver¬<lb/>
einigung und Verständigung sein werden, den Einfluß der Socialisten auf<lb/>
die Arbeiter zerstören, die Ultramontanen hierauf an den Socialisten und<lb/>
Reactionären ihre getreuesten Bundesgenossen verlieren, die freiconservative</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0204] von Lassalle eifrigst vertheidigt wurde. Als einen bedeutsamen Schritt zur Lösung der socialen Frage glaubt Walcker diejenige Form des Fabrikbetriebes betrachten zu müssen, bei welcher der Unternehmer seine Arbeiter allmälig da¬ durch zu Miteigenthümern macht, daß er das Unternehmen in eine Gesell¬ schaft verwandelt, bei welcher die Arbeiter zugleich mit Actien, welche sie sich durch Ersparniß von ihrem Lohne erwerben, betheiligt sind, die sogen. inäus- triaZ vartnerskin, für welche ganz besonders die Realisten, an ihrer Spitze der bekannte preußische Geheimrath Dr. Engel, schwärmen, und welche zuerst in England unseres Wissens in Teppich- und bez. Drahtgitterfabriken practi' sche Anwendung gefunden haben. Das gewichtige Bedenken, daß der Arbeiter hierbei nicht nur beim Gewinne, sondern auch beim Verluste mit seinem Lohne betheiligt ist, sowie die übrigen treffenden Einwände, welche John Prince-Smith in einem „Volkswirtschaftliche Gerechtigkeit" überschriebenen Artikel in „Eras' volkswirthschaftlichen Aufsätzen" gegen diese angeblich durch das Gebot der Gerechtigkeit geforderte Betheiligung der Arbeiter am Rein¬ gewinne erhoben hat, sind nach unserer Ansicht weder von Walcker noch den übrigen Vertheidigern dieses Systems genügend gewürdigt und ausreichend widerlegt, worden. Dagegen stimmen wir darin mit dem Verfasser durchaus überein, daß die Productiv-Associationen, von denen sich Lassalle und seine Anhänger soviel versprachen und zum Theil noch versprechen, schwerlich je eine große Rolle spielen werden, wogegen die von Schulze-Delitzsch empfohle¬ nen, auf ganz anderen Principien beruhenden Associationen bereits mehrfach ihre Lebensfähigkeit bewiesen haben. Alles das, was Walcker als wirkliche sociale Aufgabe des Staates betrachtet (K. 49 fig.), ist durchaus vernünftig, enthält aber neue Vorschläge und Ideen nicht. In Betreff des warm em¬ pfohlenen Instituts der Fabrikinspectoren verweisen wir nachdrücklich auf die treffenden Bemerkungen, welche Karl Braun in einem Aufsatze, der mit dem Satze „?LLLlmÄ respudlie-'r xlurim^o Ivgos" eingeleitet wird, gegen deren Ein¬ führung erhoben hat. Auffällig war es, daß auf Einführung von Bundes- Fabrikinspectoren seiner Zeit bei Berathung des Bundcsgewerbegesetzes der Führer der Socialisten und der der äußersten Rechten gleichzeitig Anträge stellten. In Sachsen sind bekanntlich Fabrikinspectoren bereits eingeführt, doch hat bis jetzt von einer ersprießlichen Thätigkeit derselben wenig oder nichts verlautet. Als wahrscheinlichen Ausgang der socialen Frage erklärt der Verfasser, daß die gesunden Reformen, welche die Frucht der zwischen der realistischen und freihändlerischen Schule voraussichtlich bald zu Stande kommenden Ver¬ einigung und Verständigung sein werden, den Einfluß der Socialisten auf die Arbeiter zerstören, die Ultramontanen hierauf an den Socialisten und Reactionären ihre getreuesten Bundesgenossen verlieren, die freiconservative

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/204
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/204>, abgerufen am 06.02.2025.