Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueberhaupt ist zu bedauern, daß vom Herbst 1778 an das Material
zur Geschichte des Liebhabertheaters nicht mehr so durchsichtig ist; da die
Rechnungen Bertuch's wesentlich dadurch abgekürzt wurden, daß Goethe die
Anschaffungen besorgte,") und über die Verwendung der Gelder keine spezifi-
cirten Rechnungen ablegte, wenn auch sein treuer Philipp Seidel dies mit
einigen Ausnahmen that. So bleibt man streng genommen auf ihn und die
Briefwechsel bei der weitern Erforschung angewiesen, denn die Rechnungen
der Herzogin Amalia, welche von v. Einsiedel geführt wurden, sind gar
wenig für die Geschichte des Theaters ausgiebig, da sie sich nicht in Species
litäten über die Verwendung der Mittel verlieren. --

Im Winter .1778 liegt der Schwerpunkt der theatralischen Aufführungen
in Ettersburg, da der Hof der Herzogin Amalia sich dorthin gezogen halte.
Denn wie erwähnt, war bereits int vorigen Jahre vieles für dieses Schloß
mit seiner Umgebung geschehen. Schon im September dachte man die thea¬
tralischen Aufführungen wieder zu beginnen; Einfiedels N"ä<ZLiu MÄl^re!
lui^) wurde vorbereitet und fand am 20. October seine erste Aufführung.
Briefe aus jener Zeit schildern das rührige Wesen, das mehr als diesem
Stücke, dem Goethe'schen Jahrmarkt von Plundersweilen galt, der
mit vereinten Kräften in Seene gesetzt und am 24.'October zur Feier des
Geburtstags der Herzogin gegeben wurde. Kranz, schreibt Wieland in der
bekannten Stelle an Merck, als Orchestermcister und Kraus als Decorateur
haben seit vierzehn Tagen alle Hände voll zu thun und sind fast immer in
Ettersburg, Goethe kommt dann und wann, darnach zu sehen und das Werk
in Gang zu bringen und die Herzogin lebt und webt und ist in dem allen
von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und von allen Kräften. Der halbe
Hof und ein guter Theil der Stadt spielt mit."**) Das Theater war in einem
Seitenflügel des Schlosses aufgerichtet, für dessen Ausmalung der bekannte
Schuhmann mitunter Oeser thätig war, doch mangeln Details für die Schil¬
derung der kleinen Bühne, die schon am K. November zur Wiederholung des





') Carl August schrieb Anfang October an Bertuch- Goethe übernimmt die Thcatcrwirth-
schaft, zahle ihm zu dem Ende 100 Thlr. aus, er wird sie berechne". Uebrigens wurde Sei¬
tens des Herzogs Carl August vom 1. October 1775 --- t. October 1770 "ur die Summe
von 01 l Thlr. 1<> Gr. auf das Theater verwendet.
") Ueber die Besetzung ist Keil Frau Rath S, l!7 zu vergleichen, wo in einem werth-
vollen Briefe die Rollen angegeben sind, die wir deshalb nicht wiederholen.
'") Im Briefe Wieland's bei Wagner (Merck's Briefwechsel S. 148) steht irrig, daß ein
junger Leyscr Marmotlcnbub gewesen sei. Das muß von Lyneker Heisler. Bei Keil S. >2n
ist dieser Irrthum ohne weiteres berichtigt.

Ueberhaupt ist zu bedauern, daß vom Herbst 1778 an das Material
zur Geschichte des Liebhabertheaters nicht mehr so durchsichtig ist; da die
Rechnungen Bertuch's wesentlich dadurch abgekürzt wurden, daß Goethe die
Anschaffungen besorgte,") und über die Verwendung der Gelder keine spezifi-
cirten Rechnungen ablegte, wenn auch sein treuer Philipp Seidel dies mit
einigen Ausnahmen that. So bleibt man streng genommen auf ihn und die
Briefwechsel bei der weitern Erforschung angewiesen, denn die Rechnungen
der Herzogin Amalia, welche von v. Einsiedel geführt wurden, sind gar
wenig für die Geschichte des Theaters ausgiebig, da sie sich nicht in Species
litäten über die Verwendung der Mittel verlieren. —

Im Winter .1778 liegt der Schwerpunkt der theatralischen Aufführungen
in Ettersburg, da der Hof der Herzogin Amalia sich dorthin gezogen halte.
Denn wie erwähnt, war bereits int vorigen Jahre vieles für dieses Schloß
mit seiner Umgebung geschehen. Schon im September dachte man die thea¬
tralischen Aufführungen wieder zu beginnen; Einfiedels N«ä<ZLiu MÄl^re!
lui^) wurde vorbereitet und fand am 20. October seine erste Aufführung.
Briefe aus jener Zeit schildern das rührige Wesen, das mehr als diesem
Stücke, dem Goethe'schen Jahrmarkt von Plundersweilen galt, der
mit vereinten Kräften in Seene gesetzt und am 24.'October zur Feier des
Geburtstags der Herzogin gegeben wurde. Kranz, schreibt Wieland in der
bekannten Stelle an Merck, als Orchestermcister und Kraus als Decorateur
haben seit vierzehn Tagen alle Hände voll zu thun und sind fast immer in
Ettersburg, Goethe kommt dann und wann, darnach zu sehen und das Werk
in Gang zu bringen und die Herzogin lebt und webt und ist in dem allen
von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und von allen Kräften. Der halbe
Hof und ein guter Theil der Stadt spielt mit."**) Das Theater war in einem
Seitenflügel des Schlosses aufgerichtet, für dessen Ausmalung der bekannte
Schuhmann mitunter Oeser thätig war, doch mangeln Details für die Schil¬
derung der kleinen Bühne, die schon am K. November zur Wiederholung des





') Carl August schrieb Anfang October an Bertuch- Goethe übernimmt die Thcatcrwirth-
schaft, zahle ihm zu dem Ende 100 Thlr. aus, er wird sie berechne». Uebrigens wurde Sei¬
tens des Herzogs Carl August vom 1. October 1775 —- t. October 1770 »ur die Summe
von 01 l Thlr. 1<> Gr. auf das Theater verwendet.
") Ueber die Besetzung ist Keil Frau Rath S, l!7 zu vergleichen, wo in einem werth-
vollen Briefe die Rollen angegeben sind, die wir deshalb nicht wiederholen.
'") Im Briefe Wieland's bei Wagner (Merck's Briefwechsel S. 148) steht irrig, daß ein
junger Leyscr Marmotlcnbub gewesen sei. Das muß von Lyneker Heisler. Bei Keil S. >2n
ist dieser Irrthum ohne weiteres berichtigt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192823"/>
          <p xml:id="ID_42"> Ueberhaupt ist zu bedauern, daß vom Herbst 1778 an das Material<lb/>
zur Geschichte des Liebhabertheaters nicht mehr so durchsichtig ist; da die<lb/>
Rechnungen Bertuch's wesentlich dadurch abgekürzt wurden, daß Goethe die<lb/>
Anschaffungen besorgte,") und über die Verwendung der Gelder keine spezifi-<lb/>
cirten Rechnungen ablegte, wenn auch sein treuer Philipp Seidel dies mit<lb/>
einigen Ausnahmen that. So bleibt man streng genommen auf ihn und die<lb/>
Briefwechsel bei der weitern Erforschung angewiesen, denn die Rechnungen<lb/>
der Herzogin Amalia, welche von v. Einsiedel geführt wurden, sind gar<lb/>
wenig für die Geschichte des Theaters ausgiebig, da sie sich nicht in Species<lb/>
litäten über die Verwendung der Mittel verlieren. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43" next="#ID_44"> Im Winter .1778 liegt der Schwerpunkt der theatralischen Aufführungen<lb/>
in Ettersburg, da der Hof der Herzogin Amalia sich dorthin gezogen halte.<lb/>
Denn wie erwähnt, war bereits int vorigen Jahre vieles für dieses Schloß<lb/>
mit seiner Umgebung geschehen. Schon im September dachte man die thea¬<lb/>
tralischen Aufführungen wieder zu beginnen; Einfiedels N«ä&lt;ZLiu MÄl^re!<lb/>
lui^) wurde vorbereitet und fand am 20. October seine erste Aufführung.<lb/>
Briefe aus jener Zeit schildern das rührige Wesen, das mehr als diesem<lb/>
Stücke, dem Goethe'schen Jahrmarkt von Plundersweilen galt, der<lb/>
mit vereinten Kräften in Seene gesetzt und am 24.'October zur Feier des<lb/>
Geburtstags der Herzogin gegeben wurde. Kranz, schreibt Wieland in der<lb/>
bekannten Stelle an Merck, als Orchestermcister und Kraus als Decorateur<lb/>
haben seit vierzehn Tagen alle Hände voll zu thun und sind fast immer in<lb/>
Ettersburg, Goethe kommt dann und wann, darnach zu sehen und das Werk<lb/>
in Gang zu bringen und die Herzogin lebt und webt und ist in dem allen<lb/>
von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und von allen Kräften. Der halbe<lb/>
Hof und ein guter Theil der Stadt spielt mit."**) Das Theater war in einem<lb/>
Seitenflügel des Schlosses aufgerichtet, für dessen Ausmalung der bekannte<lb/>
Schuhmann mitunter Oeser thätig war, doch mangeln Details für die Schil¬<lb/>
derung der kleinen Bühne, die schon am K. November zur Wiederholung des</p><lb/>
          <note xml:id="FID_28" place="foot"> ') Carl August schrieb Anfang October an Bertuch- Goethe übernimmt die Thcatcrwirth-<lb/>
schaft, zahle ihm zu dem Ende 100 Thlr. aus, er wird sie berechne». Uebrigens wurde Sei¬<lb/>
tens des Herzogs Carl August vom 1. October 1775 &#x2014;- t. October 1770 »ur die Summe<lb/>
von 01 l Thlr. 1&lt;&gt; Gr. auf das Theater verwendet.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_29" place="foot"> ") Ueber die Besetzung ist Keil Frau Rath S, l!7 zu vergleichen, wo in einem werth-<lb/>
vollen Briefe die Rollen angegeben sind, die wir deshalb nicht wiederholen.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_30" place="foot"> '") Im Briefe Wieland's bei Wagner (Merck's Briefwechsel S. 148) steht irrig, daß ein<lb/>
junger Leyscr Marmotlcnbub gewesen sei. Das muß von Lyneker Heisler. Bei Keil S. &gt;2n<lb/>
ist dieser Irrthum ohne weiteres berichtigt.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] Ueberhaupt ist zu bedauern, daß vom Herbst 1778 an das Material zur Geschichte des Liebhabertheaters nicht mehr so durchsichtig ist; da die Rechnungen Bertuch's wesentlich dadurch abgekürzt wurden, daß Goethe die Anschaffungen besorgte,") und über die Verwendung der Gelder keine spezifi- cirten Rechnungen ablegte, wenn auch sein treuer Philipp Seidel dies mit einigen Ausnahmen that. So bleibt man streng genommen auf ihn und die Briefwechsel bei der weitern Erforschung angewiesen, denn die Rechnungen der Herzogin Amalia, welche von v. Einsiedel geführt wurden, sind gar wenig für die Geschichte des Theaters ausgiebig, da sie sich nicht in Species litäten über die Verwendung der Mittel verlieren. — Im Winter .1778 liegt der Schwerpunkt der theatralischen Aufführungen in Ettersburg, da der Hof der Herzogin Amalia sich dorthin gezogen halte. Denn wie erwähnt, war bereits int vorigen Jahre vieles für dieses Schloß mit seiner Umgebung geschehen. Schon im September dachte man die thea¬ tralischen Aufführungen wieder zu beginnen; Einfiedels N«ä<ZLiu MÄl^re! lui^) wurde vorbereitet und fand am 20. October seine erste Aufführung. Briefe aus jener Zeit schildern das rührige Wesen, das mehr als diesem Stücke, dem Goethe'schen Jahrmarkt von Plundersweilen galt, der mit vereinten Kräften in Seene gesetzt und am 24.'October zur Feier des Geburtstags der Herzogin gegeben wurde. Kranz, schreibt Wieland in der bekannten Stelle an Merck, als Orchestermcister und Kraus als Decorateur haben seit vierzehn Tagen alle Hände voll zu thun und sind fast immer in Ettersburg, Goethe kommt dann und wann, darnach zu sehen und das Werk in Gang zu bringen und die Herzogin lebt und webt und ist in dem allen von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und von allen Kräften. Der halbe Hof und ein guter Theil der Stadt spielt mit."**) Das Theater war in einem Seitenflügel des Schlosses aufgerichtet, für dessen Ausmalung der bekannte Schuhmann mitunter Oeser thätig war, doch mangeln Details für die Schil¬ derung der kleinen Bühne, die schon am K. November zur Wiederholung des ') Carl August schrieb Anfang October an Bertuch- Goethe übernimmt die Thcatcrwirth- schaft, zahle ihm zu dem Ende 100 Thlr. aus, er wird sie berechne». Uebrigens wurde Sei¬ tens des Herzogs Carl August vom 1. October 1775 —- t. October 1770 »ur die Summe von 01 l Thlr. 1<> Gr. auf das Theater verwendet. ") Ueber die Besetzung ist Keil Frau Rath S, l!7 zu vergleichen, wo in einem werth- vollen Briefe die Rollen angegeben sind, die wir deshalb nicht wiederholen. '") Im Briefe Wieland's bei Wagner (Merck's Briefwechsel S. 148) steht irrig, daß ein junger Leyscr Marmotlcnbub gewesen sei. Das muß von Lyneker Heisler. Bei Keil S. >2n ist dieser Irrthum ohne weiteres berichtigt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/20>, abgerufen am 06.02.2025.