Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.der bald zu weit gehen, bald zu dietatorisch verfahren sollte. In solchen Als Aufgabe der 1860 berufenen Stände hatte Oetkcr die Nechtsverwah- Indem Oetker als das zu erstrebende Ziel die volle und ganze Wieder¬ der bald zu weit gehen, bald zu dietatorisch verfahren sollte. In solchen Als Aufgabe der 1860 berufenen Stände hatte Oetkcr die Nechtsverwah- Indem Oetker als das zu erstrebende Ziel die volle und ganze Wieder¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192979"/> <p xml:id="ID_543" prev="#ID_542"> der bald zu weit gehen, bald zu dietatorisch verfahren sollte. In solchen<lb/> und andern Verdächtigungen haben sich zu verschiedenen Zeiten sowohl die<lb/> amtliche Kasseler Zeitung und die Mlmar'sche Hessenzeitung als auch die Neue<lb/> Frankfurier Zeitung und die demokratische Hessische Volkszeitung ergangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_544"> Als Aufgabe der 1860 berufenen Stände hatte Oetkcr die Nechtsverwah-<lb/> rung der Wähler sowie die Jncompetenzerklärung der Kammer und das Ver¬<lb/> langen nach dem vollen Verfassungsrechte, wie es vor dem Umsturze bestand<lb/> nebst der Bereiterklärung zur Entfernung des darin Bundeswidrigen hinge¬<lb/> stellt. Die Ausführung dieses Programms lag jedoch, zumal er selbst nicht<lb/> Mitglied dieses Landtags werden konnte, aus welchem das Gesetz mit großer<lb/> Absicht fast alle Intelligenz ausgeschlossen hatte, weniger in seiner Hand; die<lb/> hierzu berufenen Persönlichkeiten stellten sich, da sie in der Zwischenzeit eine<lb/> Rolle gespielt, sich auf Landtagsgeschäfte umständlich eingelassen hatten und<lb/> nun etwas Scham hierüber empfanden, nicht unbedingt Oetker zur Seite.<lb/> Diesem aber schaffte seine Kenntniß und zweckmäßige Behandlungsart der für<lb/> die gute Sache verwendbaren Persönlichkeiten doch manche Handhabe, direkt und<lb/> indirekt die Wartenden zu ermuntern und fest zu machen. Ohne Oetker's<lb/> Einfluß und kluges Benehmen hätte es leicht dahin kommen können, daß<lb/> volksvertretende Landwirthe, vielleicht blos zum Zeichen ihrer Selbständigkeit,<lb/> incorrecten Lösungen zustrebten, für die sich ja auch eine süddeutsche Volks¬<lb/> vertretung ausgesprochen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Indem Oetker als das zu erstrebende Ziel die volle und ganze Wieder¬<lb/> erlangung des so schmählich zerstörten Verfassungsrechts setzte, ging er davon<lb/> aus, daß es nicht blos auf die Wiedererlangung materiell zusagenderer Nor¬<lb/> men ankomme sondern daß zugleich die geschichtliche'und ethische Bedeutung<lb/> dieses Kampfes, der Sieg des Rechtes an sich, die Nechtseontinuität zur<lb/> vollen Geltung gelangen sollte. Ohne dieses Ziel hätte ja das Land auch<lb/> vielleicht schon längst zu paetiren Gelegenheit gehabt und würde der Einfluß<lb/> verscherzt gewesen sein, welcher andernfalls auf die lange Reihe der mit und<lb/> ohne Hülfe des Bundes in den 1850er Jahren bewirkten einseitigen Berfas-<lb/> sungs-Aenderungen in den Bundesstaaten eintreten und die Verhältnisse<lb/> Deutschlands Neuerungen entgegenführen mußte. — Mit der obigem Pro¬<lb/> gramm Oetker's entsprechenden Erklärung, welche die 2. Kammer am 8.<lb/> December 1860 abgab, hatte dieser seinen größten Sieg errungen. Nun<lb/> brauchte er, wie er wohl glauben mochte, nicht mehr selbst immer voranzugehen,<lb/> die Weiterentwicklung war im Ganzen vorgezeichnet; nur bedürfte es freilich<lb/> noch großer Achtsamkeit daß die Sache nicht aus Unklugheit oder Schwächen<lb/> der Verfassungspartei Rückschritte mache, auch eine fortgesetzt stramme Haltung<lb/> des Landes war während des letzten Auszugs nöthig. Wo er keine Gefahr für die<lb/> gute Sache erblickte, überließ er gern Anderen die Agitation, welche auch ihr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0176]
der bald zu weit gehen, bald zu dietatorisch verfahren sollte. In solchen
und andern Verdächtigungen haben sich zu verschiedenen Zeiten sowohl die
amtliche Kasseler Zeitung und die Mlmar'sche Hessenzeitung als auch die Neue
Frankfurier Zeitung und die demokratische Hessische Volkszeitung ergangen.
Als Aufgabe der 1860 berufenen Stände hatte Oetkcr die Nechtsverwah-
rung der Wähler sowie die Jncompetenzerklärung der Kammer und das Ver¬
langen nach dem vollen Verfassungsrechte, wie es vor dem Umsturze bestand
nebst der Bereiterklärung zur Entfernung des darin Bundeswidrigen hinge¬
stellt. Die Ausführung dieses Programms lag jedoch, zumal er selbst nicht
Mitglied dieses Landtags werden konnte, aus welchem das Gesetz mit großer
Absicht fast alle Intelligenz ausgeschlossen hatte, weniger in seiner Hand; die
hierzu berufenen Persönlichkeiten stellten sich, da sie in der Zwischenzeit eine
Rolle gespielt, sich auf Landtagsgeschäfte umständlich eingelassen hatten und
nun etwas Scham hierüber empfanden, nicht unbedingt Oetker zur Seite.
Diesem aber schaffte seine Kenntniß und zweckmäßige Behandlungsart der für
die gute Sache verwendbaren Persönlichkeiten doch manche Handhabe, direkt und
indirekt die Wartenden zu ermuntern und fest zu machen. Ohne Oetker's
Einfluß und kluges Benehmen hätte es leicht dahin kommen können, daß
volksvertretende Landwirthe, vielleicht blos zum Zeichen ihrer Selbständigkeit,
incorrecten Lösungen zustrebten, für die sich ja auch eine süddeutsche Volks¬
vertretung ausgesprochen hatte.
Indem Oetker als das zu erstrebende Ziel die volle und ganze Wieder¬
erlangung des so schmählich zerstörten Verfassungsrechts setzte, ging er davon
aus, daß es nicht blos auf die Wiedererlangung materiell zusagenderer Nor¬
men ankomme sondern daß zugleich die geschichtliche'und ethische Bedeutung
dieses Kampfes, der Sieg des Rechtes an sich, die Nechtseontinuität zur
vollen Geltung gelangen sollte. Ohne dieses Ziel hätte ja das Land auch
vielleicht schon längst zu paetiren Gelegenheit gehabt und würde der Einfluß
verscherzt gewesen sein, welcher andernfalls auf die lange Reihe der mit und
ohne Hülfe des Bundes in den 1850er Jahren bewirkten einseitigen Berfas-
sungs-Aenderungen in den Bundesstaaten eintreten und die Verhältnisse
Deutschlands Neuerungen entgegenführen mußte. — Mit der obigem Pro¬
gramm Oetker's entsprechenden Erklärung, welche die 2. Kammer am 8.
December 1860 abgab, hatte dieser seinen größten Sieg errungen. Nun
brauchte er, wie er wohl glauben mochte, nicht mehr selbst immer voranzugehen,
die Weiterentwicklung war im Ganzen vorgezeichnet; nur bedürfte es freilich
noch großer Achtsamkeit daß die Sache nicht aus Unklugheit oder Schwächen
der Verfassungspartei Rückschritte mache, auch eine fortgesetzt stramme Haltung
des Landes war während des letzten Auszugs nöthig. Wo er keine Gefahr für die
gute Sache erblickte, überließ er gern Anderen die Agitation, welche auch ihr
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