Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Verfahren; ebenso die mehrfachen Gerichtsverhandlungen gegen ihn oder sein Die noch still sich verhaltenden Gönner des muthigen Mannes sorgten Verfahren; ebenso die mehrfachen Gerichtsverhandlungen gegen ihn oder sein Die noch still sich verhaltenden Gönner des muthigen Mannes sorgten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192977"/> <p xml:id="ID_538" prev="#ID_537"> Verfahren; ebenso die mehrfachen Gerichtsverhandlungen gegen ihn oder sein<lb/> Blatt wegen Ausdrücken, in denen man Herabsetzung der Regierung u. dergl.<lb/> finden wollte. Hier verstand Oetker eine Erörterung der faulsten Stellen der<lb/> öffentlichen Zustände umfangreich in die Vertheidigung zu ziehen und den<lb/> vollen Bericht hierüber in unangreifbarer Weise zu veröffentlichen. Infolge<lb/> dessen wurde der Negierung die Lust zu ähnlichen Anklagen bald verleidet,<lb/> zumal selbst bei Verurtheilung (z. B. am 23. November 1861 wegen An¬<lb/> griffen auf die Negierung) der Instanzenzug nur zu passenden Anlässen<lb/> diente, öffentliche Besprechungen heikliger Punkte wiederholen zu dürfen. Da¬<lb/> bei rief Oetker die ganze Schandbarkeit der Dinge von 1830 in lebhafte Er¬<lb/> innerung, sodaß allmählig ein entrüstungsvolles Selbstbewußtsein in den<lb/> weitesten Kreisen der Bevölkerung erwuchs und durch den Wiederhall in<lb/> Deutschland weiter erstarkte. Die Negierung erschien der Menge immer mehr<lb/> in ihrer ganzen Erbärmlichkeit, während in gleichem Maße die Autorität, so zu<lb/> sagen, auf den Mann überging, der so muthvoll die Bahn gebrochen, den Alp von<lb/> der Brust genommen und mit der Feder in einfachster Weise so Großes bewirkte.<lb/> Es steht fest, daß die hessische Sache ohne Oetker's Auftreten niemals in solchen<lb/> Fluß gekommen, wenigstens nicht so vollständig zum Siege herangereift wäre.<lb/> Dies ist für immer sein größtes Verdienst. Die Zahl der offen auftretenden<lb/> Gesinnungsgenossen Oetker's war trotz aller Zustimmung, die er fand, Anfangs<lb/> keine große, vermehrte sich aber, sobald ersichtlich war, daß die Sache immer<lb/> größere Dimensionen werde annehmen müssen. Von der eigentlichen Sturm¬<lb/> bocksnatur, wie sie im Kampfe gegen die verrotteten Zustände oft einzig und<lb/> allein angezeigt war und auswärts am hessischen Volke vermißt wurde,<lb/> hatten nur wenige seiner späteren Mitstreiter etwas. Der Niedersachse ist<lb/> eben etwas anders gea tet als der eigentliche Hesse.</p><lb/> <p xml:id="ID_539" next="#ID_540"> Die noch still sich verhaltenden Gönner des muthigen Mannes sorgten<lb/> dafür, daß in Hessen eine nicht unansehnliche Summe zusammengebracht<lb/> wurde, welche man ihm als Ehrengeschenk und als Ersatz für die Geldopfer<lb/> zustellte, durch welche er 1850 die verlängerte Existenz seines Blattes ermög¬<lb/> licht hatte. Man wollte nicht, daß er jetzt durch Alleinstehen wieder in ähn¬<lb/> licher Weise Einbuße erleide. Oetker hat das Geschenk, seiner ursprünglichen<lb/> Erklärung gemäß, später verschiedentlich zu gemeinnützigen Zwecken , nament¬<lb/> lich für die deutsche Flotte und Schleswig-Holstein verwendet. Auch veran¬<lb/> laßte er die Gründung einer Kasse zur Unterstützung des noch bedürftigen<lb/> Restes der Offiziere, welche 1850 wegen Eidestreue den Abschied genommen<lb/> hatten. Für die Ausbreitung des deutschen Nationalvereins trat er mit einer<lb/> besonderen Kühnheit auf. Er fand heraus, daß der Beitritt nach den be¬<lb/> stehenden Bestimmungen nicht verboten sei; als er damit durchdrang, wurde das<lb/> Verbot erlassen; er wies dessen Ungesetzlichkeit nach, -erließ im Januar 18K0</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
Verfahren; ebenso die mehrfachen Gerichtsverhandlungen gegen ihn oder sein
Blatt wegen Ausdrücken, in denen man Herabsetzung der Regierung u. dergl.
finden wollte. Hier verstand Oetker eine Erörterung der faulsten Stellen der
öffentlichen Zustände umfangreich in die Vertheidigung zu ziehen und den
vollen Bericht hierüber in unangreifbarer Weise zu veröffentlichen. Infolge
dessen wurde der Negierung die Lust zu ähnlichen Anklagen bald verleidet,
zumal selbst bei Verurtheilung (z. B. am 23. November 1861 wegen An¬
griffen auf die Negierung) der Instanzenzug nur zu passenden Anlässen
diente, öffentliche Besprechungen heikliger Punkte wiederholen zu dürfen. Da¬
bei rief Oetker die ganze Schandbarkeit der Dinge von 1830 in lebhafte Er¬
innerung, sodaß allmählig ein entrüstungsvolles Selbstbewußtsein in den
weitesten Kreisen der Bevölkerung erwuchs und durch den Wiederhall in
Deutschland weiter erstarkte. Die Negierung erschien der Menge immer mehr
in ihrer ganzen Erbärmlichkeit, während in gleichem Maße die Autorität, so zu
sagen, auf den Mann überging, der so muthvoll die Bahn gebrochen, den Alp von
der Brust genommen und mit der Feder in einfachster Weise so Großes bewirkte.
Es steht fest, daß die hessische Sache ohne Oetker's Auftreten niemals in solchen
Fluß gekommen, wenigstens nicht so vollständig zum Siege herangereift wäre.
Dies ist für immer sein größtes Verdienst. Die Zahl der offen auftretenden
Gesinnungsgenossen Oetker's war trotz aller Zustimmung, die er fand, Anfangs
keine große, vermehrte sich aber, sobald ersichtlich war, daß die Sache immer
größere Dimensionen werde annehmen müssen. Von der eigentlichen Sturm¬
bocksnatur, wie sie im Kampfe gegen die verrotteten Zustände oft einzig und
allein angezeigt war und auswärts am hessischen Volke vermißt wurde,
hatten nur wenige seiner späteren Mitstreiter etwas. Der Niedersachse ist
eben etwas anders gea tet als der eigentliche Hesse.
Die noch still sich verhaltenden Gönner des muthigen Mannes sorgten
dafür, daß in Hessen eine nicht unansehnliche Summe zusammengebracht
wurde, welche man ihm als Ehrengeschenk und als Ersatz für die Geldopfer
zustellte, durch welche er 1850 die verlängerte Existenz seines Blattes ermög¬
licht hatte. Man wollte nicht, daß er jetzt durch Alleinstehen wieder in ähn¬
licher Weise Einbuße erleide. Oetker hat das Geschenk, seiner ursprünglichen
Erklärung gemäß, später verschiedentlich zu gemeinnützigen Zwecken , nament¬
lich für die deutsche Flotte und Schleswig-Holstein verwendet. Auch veran¬
laßte er die Gründung einer Kasse zur Unterstützung des noch bedürftigen
Restes der Offiziere, welche 1850 wegen Eidestreue den Abschied genommen
hatten. Für die Ausbreitung des deutschen Nationalvereins trat er mit einer
besonderen Kühnheit auf. Er fand heraus, daß der Beitritt nach den be¬
stehenden Bestimmungen nicht verboten sei; als er damit durchdrang, wurde das
Verbot erlassen; er wies dessen Ungesetzlichkeit nach, -erließ im Januar 18K0
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