Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.bestimmen, in denen der Bundestag endlich eine Art von Erfüllung der von Die Gründung der "Hessischen Morgenzeitung", in welcher Oetker seinen bestimmen, in denen der Bundestag endlich eine Art von Erfüllung der von Die Gründung der „Hessischen Morgenzeitung", in welcher Oetker seinen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192976"/> <p xml:id="ID_536" prev="#ID_535"> bestimmen, in denen der Bundestag endlich eine Art von Erfüllung der von<lb/> ihm gestellten Aufgabe mit einigem Anstande erblicken könnte. Doch Oetker<lb/> erkannte, daß die Negierung ihre Zeit verpaßt habe und daß die heranziehende<lb/> neue Zeit auch in Hessen Vieles ändern und damit dem Fortschritte der deut-<lb/> schen Verhältnisse einen neuen Impuls verleihen könne. Mit Kühnheit und<lb/> Geschicklichkeit mußte sich Manches erreichen lassen, ob freilich das ganze Ziel,<lb/> das ließ sich noch nicht ermessen. Und er machte sich ungesäumt ans Werk,<lb/> er ganz allein. Zwar verlachten ihn Männer, die nachher eifrig seine Spuren<lb/> auftraten, doch machte ihn dies und gar Manches Andere nicht irre. Er<lb/> baute nicht einmal stark auf Mithülfe Anderer, sondern lediglich aus die<lb/> Macht der guten Sache, die Gesinnung der Hessen, die eigene Kraft und auch<lb/> wohl etwas auf die Schwäche der Regierenden sowie die ihrer eigenen<lb/> Normen.</p><lb/> <p xml:id="ID_537" next="#ID_538"> Die Gründung der „Hessischen Morgenzeitung", in welcher Oetker seinen<lb/> Feldzug begann, erfolgte am Schillertage 1859. Zum ersten Male nach<lb/> langer Zeit wagte Jemand in Hessen wieder offen gegen die zahllosen made--<lb/> riellen und formellen Mängel des immer noch herrschenden provisorischen Zu¬<lb/> standes aufzutreten, ja es wagte es der Mann, welcher mit am längsten in<lb/> der Schlacht die eigentliche Fahne hochgehalten hatte, dessen Umsicht die er¬<lb/> probteste war. Das rief mit Einem Schlage Interesse, Muth und Hoffnung<lb/> wieder wach. Fast jeden Tag brachte Oetker's Blatt in vorsichtigster Weis?<lb/> rein sachliche, meist sehr kurze Beleuchtungen des Verfahrens der Regierung<lb/> in der Verfassungssache. Der Widersprüche. Ungereimtheiten, ungenauen<lb/> Beobachtungen wie Verletzungen der eigenen Machwerke der Negierung waren<lb/> es so viele, daß die leise Berührung fast jedes einzelnen derselben, geschweige<lb/> die scharfe Behandlung aller die ganze Staatsmaschine sichtlich ins Wanken<lb/> brachte. Mit ungemeiner Elasticität wußte Oetker den Gegner bald hier<lb/> bald da unversehends zu fassen, stets empfindlich zu treffen, den gewonnenen<lb/> Boden zu neuen Angriffsstellungen zu benutzen, die Regierung auf ihrer<lb/> Flucht aufs rascheste zu verfolgen, keinen Augenblick ihr Rast gönnend, die<lb/> meist plumpen Abwehrungen zu neuen Angriffen verwendend, und dies Alles<lb/> in unangreifbarer Form, unter kluger Benutzung grade der Verordnungs-<lb/> Lücken, fortwährend unverdrossen wie mit Nadeln auf die vielen wunden<lb/> Stellen stechend. Wo die Preßverhältnisse hierfür nicht ausreichten, wurde<lb/> vielfach die auswärtige Presse, zum Theil als Filter, mit dazu benutzt, An¬<lb/> deres in besonderen Flugblättern niedergelegt und so eine unvergleichliche<lb/> Agitation ins Werk gesetzt. Besondere Impulse erhielt diese noch durch die<lb/> öfteren Beschlagnahmen der Oetker'schen Zeitung, die Entziehung der Con¬<lb/> cession für seine verschiedenen Drucker und die fast regelmäßig hieran sich<lb/> schließende, das Publikum zugleich spannend unterhaltende Polemik über dieses</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
bestimmen, in denen der Bundestag endlich eine Art von Erfüllung der von
ihm gestellten Aufgabe mit einigem Anstande erblicken könnte. Doch Oetker
erkannte, daß die Negierung ihre Zeit verpaßt habe und daß die heranziehende
neue Zeit auch in Hessen Vieles ändern und damit dem Fortschritte der deut-
schen Verhältnisse einen neuen Impuls verleihen könne. Mit Kühnheit und
Geschicklichkeit mußte sich Manches erreichen lassen, ob freilich das ganze Ziel,
das ließ sich noch nicht ermessen. Und er machte sich ungesäumt ans Werk,
er ganz allein. Zwar verlachten ihn Männer, die nachher eifrig seine Spuren
auftraten, doch machte ihn dies und gar Manches Andere nicht irre. Er
baute nicht einmal stark auf Mithülfe Anderer, sondern lediglich aus die
Macht der guten Sache, die Gesinnung der Hessen, die eigene Kraft und auch
wohl etwas auf die Schwäche der Regierenden sowie die ihrer eigenen
Normen.
Die Gründung der „Hessischen Morgenzeitung", in welcher Oetker seinen
Feldzug begann, erfolgte am Schillertage 1859. Zum ersten Male nach
langer Zeit wagte Jemand in Hessen wieder offen gegen die zahllosen made--
riellen und formellen Mängel des immer noch herrschenden provisorischen Zu¬
standes aufzutreten, ja es wagte es der Mann, welcher mit am längsten in
der Schlacht die eigentliche Fahne hochgehalten hatte, dessen Umsicht die er¬
probteste war. Das rief mit Einem Schlage Interesse, Muth und Hoffnung
wieder wach. Fast jeden Tag brachte Oetker's Blatt in vorsichtigster Weis?
rein sachliche, meist sehr kurze Beleuchtungen des Verfahrens der Regierung
in der Verfassungssache. Der Widersprüche. Ungereimtheiten, ungenauen
Beobachtungen wie Verletzungen der eigenen Machwerke der Negierung waren
es so viele, daß die leise Berührung fast jedes einzelnen derselben, geschweige
die scharfe Behandlung aller die ganze Staatsmaschine sichtlich ins Wanken
brachte. Mit ungemeiner Elasticität wußte Oetker den Gegner bald hier
bald da unversehends zu fassen, stets empfindlich zu treffen, den gewonnenen
Boden zu neuen Angriffsstellungen zu benutzen, die Regierung auf ihrer
Flucht aufs rascheste zu verfolgen, keinen Augenblick ihr Rast gönnend, die
meist plumpen Abwehrungen zu neuen Angriffen verwendend, und dies Alles
in unangreifbarer Form, unter kluger Benutzung grade der Verordnungs-
Lücken, fortwährend unverdrossen wie mit Nadeln auf die vielen wunden
Stellen stechend. Wo die Preßverhältnisse hierfür nicht ausreichten, wurde
vielfach die auswärtige Presse, zum Theil als Filter, mit dazu benutzt, An¬
deres in besonderen Flugblättern niedergelegt und so eine unvergleichliche
Agitation ins Werk gesetzt. Besondere Impulse erhielt diese noch durch die
öfteren Beschlagnahmen der Oetker'schen Zeitung, die Entziehung der Con¬
cession für seine verschiedenen Drucker und die fast regelmäßig hieran sich
schließende, das Publikum zugleich spannend unterhaltende Polemik über dieses
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