Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.wobei er hinzusetzt: "die andern geistlichen Herren möchten dieses Beispiel be^ Angesichts solcher Verhältnisse war es nicht so arg, wie man es oft ver¬ Es ist bekannt, daß der große König, dem es wirklich Ernst mit der Daß es wirklich geschehen sei, (wie man meist gesagt hat) ist unrichtig. In der preußischen Schulordnung von 1763 ward verfügt, daß nur Friedrich's Nachfolger errichtete 1787 das Oberschulcollegium. Diese wobei er hinzusetzt: „die andern geistlichen Herren möchten dieses Beispiel be^ Angesichts solcher Verhältnisse war es nicht so arg, wie man es oft ver¬ Es ist bekannt, daß der große König, dem es wirklich Ernst mit der Daß es wirklich geschehen sei, (wie man meist gesagt hat) ist unrichtig. In der preußischen Schulordnung von 1763 ward verfügt, daß nur Friedrich's Nachfolger errichtete 1787 das Oberschulcollegium. Diese <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192962"/> <p xml:id="ID_483" prev="#ID_482"> wobei er hinzusetzt: „die andern geistlichen Herren möchten dieses Beispiel be^<lb/> folgen". Der bekannte holsteinische Theolog Claus Harms erzählt in seiner<lb/> Selbstbiographie: sein Vater habe im Sommer bei den Bauern gedient, im<lb/> Winter sich als Schullehrer „vermiethet". Solche „Winterschulmeister", die<lb/> von den Gemeinden nur auf kurze Zeit angenommen wurden, waren damals<lb/> nichts Seltenes. Sie wohnten und aßen meist reihum bei den Gemeindeglie¬<lb/> dern (eine Einrichtung, die, wie Verfasser sich ebenfalls erinnert, auch in Sachsen<lb/> theilweise noch bis in die 20. Jahre dieses Jahrhunderts vorkam), wobei sie<lb/> wohl öfters nicht viel anders als die Knechte gehalten waren. (Wurden doch<lb/> auch die studirten Hofmeister in den adligen Häusern im vorigen Jahrhun¬<lb/> dert gar oft noch zu den „Bedienten" gerechnet und diesen ähnlich behandelt!)</p><lb/> <p xml:id="ID_484"> Angesichts solcher Verhältnisse war es nicht so arg, wie man es oft ver¬<lb/> schrieen hat, wenn Friedrich der Große seine ausgedienter Unteroffiziere als<lb/> Schulmeister anstellte. Es war ihm dabei nicht blos um die Versorgung<lb/> dieser seiner Tapfern zu thun, sondern er war auch alles Ernstes der Mei¬<lb/> nung, daß ein solcher alter Schnurrbart am Besten dazu tauge, das nach¬<lb/> wachsende Geschlecht, wenn nicht zu großer wissenschaftlicher Bildung, doch zu<lb/> einer strengen und geregelten Lebensführung aufzuziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_485"> Es ist bekannt, daß der große König, dem es wirklich Ernst mit der<lb/> Verbesserung des Schulwesens in seinen Landen war, nur daß ihm leider<lb/> das materielle und geistige Material dazu oft fehlte, nach dem 7jährigen<lb/> Kriege eine Anzahl Schulmeister aus dem vorgeschrittener» Sachsen holen<lb/> wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_486"> Daß es wirklich geschehen sei, (wie man meist gesagt hat) ist unrichtig.<lb/> Herr v. Rochow, der hochverdiente Reformator des Volksschulwesens in Preu¬<lb/> ßen, Friedrich's Berather in solchen Dingen, widerrieth es, weil, wie er<lb/> meinte, die nur hochdeutsch sprechenden sächsischen Lehrer sich mit dem platt¬<lb/> deutsch redenden Landvolk, wenigstens in Pommern u. s. w., schwer würden<lb/> verständigen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_487"> In der preußischen Schulordnung von 1763 ward verfügt, daß nur<lb/> „tüchtige, besonders auch ihrem religiösen und sittlichen Wandel nach unbe¬<lb/> scholtene Schulmeister anzustellen", und „nicht ohne eine vorgängige Prüfung vor<lb/> dem Consistorium", in den königlichen Schulen nur solche, „die auf einem Se¬<lb/> minar gewesen, sich daselbst auch mit dem Seidenbau (bekanntlich einer Lieb¬<lb/> lingsidee Friedrich's des Großen) so wie mit den vortheilhaftesten Methoden<lb/> des Schulhaltens bekannt gemacht hätten."</p><lb/> <p xml:id="ID_488" next="#ID_489"> Friedrich's Nachfolger errichtete 1787 das Oberschulcollegium. Diese<lb/> Verbesserung ward nur leider gar bald wieder zu einem großen Theile un¬<lb/> wirksam gemacht und in ihr Gegentheil verkehrt durch die einseitig orthodoxe<lb/> und frömmelnde Richtung, die durch Wöllner Platz griff und der selbst die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0159]
wobei er hinzusetzt: „die andern geistlichen Herren möchten dieses Beispiel be^
folgen". Der bekannte holsteinische Theolog Claus Harms erzählt in seiner
Selbstbiographie: sein Vater habe im Sommer bei den Bauern gedient, im
Winter sich als Schullehrer „vermiethet". Solche „Winterschulmeister", die
von den Gemeinden nur auf kurze Zeit angenommen wurden, waren damals
nichts Seltenes. Sie wohnten und aßen meist reihum bei den Gemeindeglie¬
dern (eine Einrichtung, die, wie Verfasser sich ebenfalls erinnert, auch in Sachsen
theilweise noch bis in die 20. Jahre dieses Jahrhunderts vorkam), wobei sie
wohl öfters nicht viel anders als die Knechte gehalten waren. (Wurden doch
auch die studirten Hofmeister in den adligen Häusern im vorigen Jahrhun¬
dert gar oft noch zu den „Bedienten" gerechnet und diesen ähnlich behandelt!)
Angesichts solcher Verhältnisse war es nicht so arg, wie man es oft ver¬
schrieen hat, wenn Friedrich der Große seine ausgedienter Unteroffiziere als
Schulmeister anstellte. Es war ihm dabei nicht blos um die Versorgung
dieser seiner Tapfern zu thun, sondern er war auch alles Ernstes der Mei¬
nung, daß ein solcher alter Schnurrbart am Besten dazu tauge, das nach¬
wachsende Geschlecht, wenn nicht zu großer wissenschaftlicher Bildung, doch zu
einer strengen und geregelten Lebensführung aufzuziehen.
Es ist bekannt, daß der große König, dem es wirklich Ernst mit der
Verbesserung des Schulwesens in seinen Landen war, nur daß ihm leider
das materielle und geistige Material dazu oft fehlte, nach dem 7jährigen
Kriege eine Anzahl Schulmeister aus dem vorgeschrittener» Sachsen holen
wollte.
Daß es wirklich geschehen sei, (wie man meist gesagt hat) ist unrichtig.
Herr v. Rochow, der hochverdiente Reformator des Volksschulwesens in Preu¬
ßen, Friedrich's Berather in solchen Dingen, widerrieth es, weil, wie er
meinte, die nur hochdeutsch sprechenden sächsischen Lehrer sich mit dem platt¬
deutsch redenden Landvolk, wenigstens in Pommern u. s. w., schwer würden
verständigen können.
In der preußischen Schulordnung von 1763 ward verfügt, daß nur
„tüchtige, besonders auch ihrem religiösen und sittlichen Wandel nach unbe¬
scholtene Schulmeister anzustellen", und „nicht ohne eine vorgängige Prüfung vor
dem Consistorium", in den königlichen Schulen nur solche, „die auf einem Se¬
minar gewesen, sich daselbst auch mit dem Seidenbau (bekanntlich einer Lieb¬
lingsidee Friedrich's des Großen) so wie mit den vortheilhaftesten Methoden
des Schulhaltens bekannt gemacht hätten."
Friedrich's Nachfolger errichtete 1787 das Oberschulcollegium. Diese
Verbesserung ward nur leider gar bald wieder zu einem großen Theile un¬
wirksam gemacht und in ihr Gegentheil verkehrt durch die einseitig orthodoxe
und frömmelnde Richtung, die durch Wöllner Platz griff und der selbst die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |