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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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100 Thlr. (mit einer Scala von 50-200 Thlr.); ähnlich in Kurtrier. Der
Bischof von Fulda verordnete (in den 80 Jahren), daß der Lehrergehalt in
der Residenz nicht unter 250 si. (also 140--150 Thlr.), in den Landstädten
200 (gegen 120 Thlr.). in Pfarrdörfern 150 (86 Thlr.), in Filialen 100
(57 Thlr.), bei Neben Schulen 75 (43 Thlr.) betragen sollte, und befreite au¬
ßerdem die Lehrer von allen Staats- und Gemeindelasten.

Die sociale Stellung der Lehrer konnte schon hiernach natürlich nichts
weniger als eine dieses hohen Berufes würdige sein. Es war noch lange das
Schlimmste nicht, wenn das Lehramt als ein Nebengeschäft des Küster- oder
(in katholischen Ländern) des Mesznerdienstes behandelt ward. Bisweilen
mußten die Lehrer auch den Büttel- und Flurschützendienst verrichten, und
es durfte als ein Fortschritt gelten, wenn man sie davon befreite, "damit
sie sich dem Schuldienste ganz widmen könnten". Daß sie außer den Schul¬
stunden ein Handwerk oder sonst einen Erwerb trieben, der sie vor dem Ver¬
hungern schützte, war in den meisten Fällen eine traurige Nothwendigkeit.
Das brandenburgische Patent von 1722 verordnete, "daß zu Küstern und
Schulmeistern auf dem Lande außer Schneidern, Leinewebern, Schmieden, Rad¬
machern und Zimmerleuten sonst keine andern Handwerker genommen wer¬
den sollen", und noch in der Schulordnung von 1736 heißt es: "Ist der
Schulmeister ein Handwerker, so kann er sich schon nähren; ist er keiner, so
wird ihm erlaubt, sechs Wochen auf Tagelohn (!) zu gehen!" Ein Reskript
von 1738 schützte die Schulmeister in ihrem Handwerksbetrieb, indem es ver¬
ordnete, "daß außer dem Schulmeister kein Schneider auf dem Lande zu
dulden". Uebrigens erinnert sich Verfasser dieses noch aus dem 2. Jahrzehnt dieses
Jahrhunderts eines Lehrers auf einem -kleinen Hammerwerke im sächsischen
Erzgebirge, der nebenbei (und nicht blos nach, sondern auch in den Schul¬
stunden) die Schneiderei trieb. Ein Reglement für die katholischen Schulen
in Preußisch-Schlesien von 1765 verfügte die Einrichtung besonderer Schulstuben,
damit nicht der Unterricht durch das Gewerbe der Lehrerfamilie gestört werde,
gestattete den Lehrern das Schneidern, Wirken u. f. w., verbot ihnen aber
das Branntwein- und Bierausschenken und das Musikmachen an öffentlichen
Orten.

Schlözer in seinen "Staatsanzeigen" spricht einmal die Erwartung aus:
das Beispiel des Landesherrn (es ist von Mecklenburg die Rede) werde be¬
wirken, daß die adligen Herren auf ihren Gütern nicht ferner mehr ihre Be¬
dienten oder Kutscher zu Schullehrern beförderten, und ein ander Mal "hält
er sich für verpflichtet, dem Publikum bekannt zu machen, daß der Fürst¬
bischof bon P. (Paderborn?) keine Schulmeisteret anders als auf Grund einer
vorausgegangenen Prüfung vergebe, daß auch ein andrer geistlicher Herr dem
nachgeahmet und noch keinen seiner Bedienten zum Schulmeister gemacht habe,"


100 Thlr. (mit einer Scala von 50-200 Thlr.); ähnlich in Kurtrier. Der
Bischof von Fulda verordnete (in den 80 Jahren), daß der Lehrergehalt in
der Residenz nicht unter 250 si. (also 140—150 Thlr.), in den Landstädten
200 (gegen 120 Thlr.). in Pfarrdörfern 150 (86 Thlr.), in Filialen 100
(57 Thlr.), bei Neben Schulen 75 (43 Thlr.) betragen sollte, und befreite au¬
ßerdem die Lehrer von allen Staats- und Gemeindelasten.

Die sociale Stellung der Lehrer konnte schon hiernach natürlich nichts
weniger als eine dieses hohen Berufes würdige sein. Es war noch lange das
Schlimmste nicht, wenn das Lehramt als ein Nebengeschäft des Küster- oder
(in katholischen Ländern) des Mesznerdienstes behandelt ward. Bisweilen
mußten die Lehrer auch den Büttel- und Flurschützendienst verrichten, und
es durfte als ein Fortschritt gelten, wenn man sie davon befreite, „damit
sie sich dem Schuldienste ganz widmen könnten". Daß sie außer den Schul¬
stunden ein Handwerk oder sonst einen Erwerb trieben, der sie vor dem Ver¬
hungern schützte, war in den meisten Fällen eine traurige Nothwendigkeit.
Das brandenburgische Patent von 1722 verordnete, „daß zu Küstern und
Schulmeistern auf dem Lande außer Schneidern, Leinewebern, Schmieden, Rad¬
machern und Zimmerleuten sonst keine andern Handwerker genommen wer¬
den sollen", und noch in der Schulordnung von 1736 heißt es: „Ist der
Schulmeister ein Handwerker, so kann er sich schon nähren; ist er keiner, so
wird ihm erlaubt, sechs Wochen auf Tagelohn (!) zu gehen!" Ein Reskript
von 1738 schützte die Schulmeister in ihrem Handwerksbetrieb, indem es ver¬
ordnete, „daß außer dem Schulmeister kein Schneider auf dem Lande zu
dulden". Uebrigens erinnert sich Verfasser dieses noch aus dem 2. Jahrzehnt dieses
Jahrhunderts eines Lehrers auf einem -kleinen Hammerwerke im sächsischen
Erzgebirge, der nebenbei (und nicht blos nach, sondern auch in den Schul¬
stunden) die Schneiderei trieb. Ein Reglement für die katholischen Schulen
in Preußisch-Schlesien von 1765 verfügte die Einrichtung besonderer Schulstuben,
damit nicht der Unterricht durch das Gewerbe der Lehrerfamilie gestört werde,
gestattete den Lehrern das Schneidern, Wirken u. f. w., verbot ihnen aber
das Branntwein- und Bierausschenken und das Musikmachen an öffentlichen
Orten.

Schlözer in seinen „Staatsanzeigen" spricht einmal die Erwartung aus:
das Beispiel des Landesherrn (es ist von Mecklenburg die Rede) werde be¬
wirken, daß die adligen Herren auf ihren Gütern nicht ferner mehr ihre Be¬
dienten oder Kutscher zu Schullehrern beförderten, und ein ander Mal „hält
er sich für verpflichtet, dem Publikum bekannt zu machen, daß der Fürst¬
bischof bon P. (Paderborn?) keine Schulmeisteret anders als auf Grund einer
vorausgegangenen Prüfung vergebe, daß auch ein andrer geistlicher Herr dem
nachgeahmet und noch keinen seiner Bedienten zum Schulmeister gemacht habe,"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/158>, abgerufen am 06.02.2025.