Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.und es wird ein Anderer kommen, die armselige Intrigue aber wird von Letzterer hatte bekanntlich im Ministerrath jede officielle Begünstigung und es wird ein Anderer kommen, die armselige Intrigue aber wird von Letzterer hatte bekanntlich im Ministerrath jede officielle Begünstigung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192926"/> <p xml:id="ID_368" prev="#ID_367"> und es wird ein Anderer kommen, die armselige Intrigue aber wird von<lb/> Neuem beginnen, wie sie gegen die Vorgänger Oberniz und den Freiherrn<lb/> v. Rosenberg gespielt hat: die Geschicke aber werden sich so wie so erfüllen.<lb/> Ja gerade diese fortdauernden persönlichen Nörgeleien, diese Eifersucht auf<lb/> werthlose Kleinigkeiten, dient wider den Willen der leitenden Politiker dazu,<lb/> die nationale Entwicklung in Würtemberg vorwärts zu treiben. Die materielle<lb/> Interessenpolitik des Particularismus wird von seinen berufenen Vertretern<lb/> selbst preisgegeben nur um für den Augenblick persönliche Erfolg zu erzielen,<lb/> die der Eigenliebe schmeicheln, und als Siege der Hofpolitik gegenüber dem<lb/> Preußenthum vom Beobachter und Gen. verwerthet werden können. Von<lb/> einem Widerspruch gegen das Reich in materiellen Fragen kann fernerhin<lb/> keine Rede mehr sein. Herr von Mittnacht weiß sich denn auch sichtlich in<lb/> diese immerhin drückende Situation zu finden. Seine Zurückhaltung auf dem<lb/> letzten Reichstag konnte nicht unbemerkt bleiben: die herausfordernde Haltung,<lb/> die Kritik und Kampfeslust früherer Jahre ist dahin, während der ganzen<lb/> Session hat Herr v. Mittnacht mit keinem Wort um die Gunst der Volks¬<lb/> partei, der Ultramontanen oder der konservativen Particularisten geworben;<lb/> seine Haltung ist eine äußerlich ganz correcte geworden: und wir sind über¬<lb/> zeugt, daß er auch bei den noch schwebenden Fragen der Justizgesetzgebung und<lb/> Organisation den Anforderungen der nationalen Partei entgegen kommen<lb/> wird. Er scheint einerseits die Nothwendigkeit und Unvermeidlichkeit der na¬<lb/> tionalen Forderungen einzusehen, andererseits zu wissen, daß man in Stutt¬<lb/> gart auf die Erhaltung des landesherrlichen Bildnisses auf den Markstücken,<lb/> auf eine Abwechslung in der Person des Corpscommandanten ungleich grö¬<lb/> ßeres Gewicht legt, als auf die Hoheitsrechte in Justizsachen, mit welchen<lb/> man ja schon bisher nicht viel anzufangen wußte. Immerhin mag auch, wie<lb/> Böswillige behaupten, der Eintritt des Herrn von Varnbüler in den Reichs¬<lb/> tag für Herrn von Mittnacht ein gewisses Correctiv gebildet haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_369" next="#ID_370"> Letzterer hatte bekanntlich im Ministerrath jede officielle Begünstigung<lb/> der Kandidatur Barnbüler's aufs entschiedenste bekämpft: indem er, der bis¬<lb/> her alle politischen Beziehungen zwischen Stuttgart und Berlin in letzter Hand<lb/> vermittelt hatte, nicht ohne Grund die Concurrenz Barnbüler's, seines frü¬<lb/> heren großdeutschen Freunds und Beschützers, fürchtete. Die genaue, auf den<lb/> einflußreichsten persönlichen Verbindungen in Berlin und Stuttgart beruhende<lb/> Kenntniß der politischen Situation, der staatsmännische Scharfblick, verbun¬<lb/> den mit seltenen fachwissenschaftlichen Kenntnissen, mußten Varnbüler — ganz<lb/> abgesehen von seinem in letzter Zeit durch körperliche Leiden beeinträchtigten<lb/> rhetorischen Talent — in Berlin zu einem höchst gefährlichen Nebenbuhler<lb/> machen, der seit 1870 allen Grund haben mochte, die ehemaligen persön¬<lb/> lichen Bande mit Mittnacht als zerrissen zu betrachten. Dazu die Freiheit der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
und es wird ein Anderer kommen, die armselige Intrigue aber wird von
Neuem beginnen, wie sie gegen die Vorgänger Oberniz und den Freiherrn
v. Rosenberg gespielt hat: die Geschicke aber werden sich so wie so erfüllen.
Ja gerade diese fortdauernden persönlichen Nörgeleien, diese Eifersucht auf
werthlose Kleinigkeiten, dient wider den Willen der leitenden Politiker dazu,
die nationale Entwicklung in Würtemberg vorwärts zu treiben. Die materielle
Interessenpolitik des Particularismus wird von seinen berufenen Vertretern
selbst preisgegeben nur um für den Augenblick persönliche Erfolg zu erzielen,
die der Eigenliebe schmeicheln, und als Siege der Hofpolitik gegenüber dem
Preußenthum vom Beobachter und Gen. verwerthet werden können. Von
einem Widerspruch gegen das Reich in materiellen Fragen kann fernerhin
keine Rede mehr sein. Herr von Mittnacht weiß sich denn auch sichtlich in
diese immerhin drückende Situation zu finden. Seine Zurückhaltung auf dem
letzten Reichstag konnte nicht unbemerkt bleiben: die herausfordernde Haltung,
die Kritik und Kampfeslust früherer Jahre ist dahin, während der ganzen
Session hat Herr v. Mittnacht mit keinem Wort um die Gunst der Volks¬
partei, der Ultramontanen oder der konservativen Particularisten geworben;
seine Haltung ist eine äußerlich ganz correcte geworden: und wir sind über¬
zeugt, daß er auch bei den noch schwebenden Fragen der Justizgesetzgebung und
Organisation den Anforderungen der nationalen Partei entgegen kommen
wird. Er scheint einerseits die Nothwendigkeit und Unvermeidlichkeit der na¬
tionalen Forderungen einzusehen, andererseits zu wissen, daß man in Stutt¬
gart auf die Erhaltung des landesherrlichen Bildnisses auf den Markstücken,
auf eine Abwechslung in der Person des Corpscommandanten ungleich grö¬
ßeres Gewicht legt, als auf die Hoheitsrechte in Justizsachen, mit welchen
man ja schon bisher nicht viel anzufangen wußte. Immerhin mag auch, wie
Böswillige behaupten, der Eintritt des Herrn von Varnbüler in den Reichs¬
tag für Herrn von Mittnacht ein gewisses Correctiv gebildet haben.
Letzterer hatte bekanntlich im Ministerrath jede officielle Begünstigung
der Kandidatur Barnbüler's aufs entschiedenste bekämpft: indem er, der bis¬
her alle politischen Beziehungen zwischen Stuttgart und Berlin in letzter Hand
vermittelt hatte, nicht ohne Grund die Concurrenz Barnbüler's, seines frü¬
heren großdeutschen Freunds und Beschützers, fürchtete. Die genaue, auf den
einflußreichsten persönlichen Verbindungen in Berlin und Stuttgart beruhende
Kenntniß der politischen Situation, der staatsmännische Scharfblick, verbun¬
den mit seltenen fachwissenschaftlichen Kenntnissen, mußten Varnbüler — ganz
abgesehen von seinem in letzter Zeit durch körperliche Leiden beeinträchtigten
rhetorischen Talent — in Berlin zu einem höchst gefährlichen Nebenbuhler
machen, der seit 1870 allen Grund haben mochte, die ehemaligen persön¬
lichen Bande mit Mittnacht als zerrissen zu betrachten. Dazu die Freiheit der
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