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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

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Arrangement, eine, freilich beschränkte, malerische Unordnung und scheinbare
Nachlässigkeit. Doch muß das gruppenweise Zerstreute in ein gewisses Gleich¬
gewicht zu einander, das in Form und Farbe Verschiedenartige durch eine
über dem Ganzen schwebende Harmonie zu einem künstlerischen Ganzen verei¬
nigt sein. Das Bedeutungsvolle trete hervor, das weniger Bedeutende ordne
sich unter und füge sich in die Symmetrie. Dinge, welche nach ihrer Form
oder Farbe dissonirend neben einander stehen würden, sind zu trennen. Die
bunte Scenerie der Gesellschaft duldet auch im Hintergrund Glanz und Pracht,
daher können die Wände lebhafter und farbiger sein, als in andern Zimmern.
Der Plafond mag alle dekorative Kunst entfalten. Die Möbel ordne man in
gewisse Gruppen und vertheile sie im Raum, daß sie Sammelpunkte zum Ge¬
spräche bilden, daß nicht die eine Seite des Zimmers leer, die andere überfüllt
erscheine. Das Licht kann von verschiedenen Seiten kommen. Als Kronleuchter
empfehlen sich die Venetianischen, ganz von Glas. Doch sind auch solche aus
vergoldeter Bronce, vielleicht auch mit Emaillen geschmückt, sehr passend. Für
Möbelbezüge und Vorhangstoffe ist die glänzende Seide ganz am Platz. Auf
Tischen und Consolen stehen Kunstwerke aller Art, liegen Prachtwerke in
kostbaren Einbänden; an den Wänden hängen moderne Bilder mit ihren leb¬
haften Farben. Eine solche Mannigfaltigkeit ist gewissermaßen nothwendig,
nicht nur um zu repräsentiren, um den Reichthum und den Bildungsgrad
des Besitzers zu zeigen, sondern auch zur Anregung des Gesprächs und zur
Unterhaltung. Sie zieht uns an, macht uns den Aufenthalt im Salon an¬
genehm. Nackte Wände, leere Tische, kalte Farben dagegen wirken in hohem
Grade abstoßend für den fremd Eintretenden.

Ganz im Gegensatz zum Salon hat das Speisezimmer einen domini-
renden festen Mittelpunkt in dem in der Mitte des Zimmers stehenden Speise¬
tisch mit dem auf ihm aufgestellten Geräthe und der um denselben herum
sitzenden Gesellschaft. Für ein Speisezimmer ist es daher vortheilhaft, wenn
das Tageslicht concentrirt d. h. von einer Seite einfällt. Abends lasse man das
Licht, welches den Tisch und die Gesichter der Tischgenossen beleuchten soll,
von dem Tische selbst ausgehen, so daß die Helligkeit nach allen Seiten hin
gleichmäßig abnimmt. Ob ein hängender Kronleuchter, am besten von Mes¬
sing und in den edlen Formen des sechszehnten Jahrhunderts, oder stehende
Lampen zur Anwendung kommen, ist ziemlich gleichgültig, wenn das Licht
nur genügende Helligkeit bietet und so hoch über den Augen der Speisenden
sich befindet, daß ein Jeder ohne Behinderung das Gesicht des Andern sehen
kann und daß es nicht blendet. Das vom Speisetische ausgehende Licht soll
aber auch das einzige im Zimmer sein. Höchstens darf noch das Büffet,
wenn es zum Anrichten dient, so weit dafür nothwendig, besonders erleuchtet
sein. Durch solche Anordnungen wird in Wirklichkeit eine ähnliche Wirkung


Arrangement, eine, freilich beschränkte, malerische Unordnung und scheinbare
Nachlässigkeit. Doch muß das gruppenweise Zerstreute in ein gewisses Gleich¬
gewicht zu einander, das in Form und Farbe Verschiedenartige durch eine
über dem Ganzen schwebende Harmonie zu einem künstlerischen Ganzen verei¬
nigt sein. Das Bedeutungsvolle trete hervor, das weniger Bedeutende ordne
sich unter und füge sich in die Symmetrie. Dinge, welche nach ihrer Form
oder Farbe dissonirend neben einander stehen würden, sind zu trennen. Die
bunte Scenerie der Gesellschaft duldet auch im Hintergrund Glanz und Pracht,
daher können die Wände lebhafter und farbiger sein, als in andern Zimmern.
Der Plafond mag alle dekorative Kunst entfalten. Die Möbel ordne man in
gewisse Gruppen und vertheile sie im Raum, daß sie Sammelpunkte zum Ge¬
spräche bilden, daß nicht die eine Seite des Zimmers leer, die andere überfüllt
erscheine. Das Licht kann von verschiedenen Seiten kommen. Als Kronleuchter
empfehlen sich die Venetianischen, ganz von Glas. Doch sind auch solche aus
vergoldeter Bronce, vielleicht auch mit Emaillen geschmückt, sehr passend. Für
Möbelbezüge und Vorhangstoffe ist die glänzende Seide ganz am Platz. Auf
Tischen und Consolen stehen Kunstwerke aller Art, liegen Prachtwerke in
kostbaren Einbänden; an den Wänden hängen moderne Bilder mit ihren leb¬
haften Farben. Eine solche Mannigfaltigkeit ist gewissermaßen nothwendig,
nicht nur um zu repräsentiren, um den Reichthum und den Bildungsgrad
des Besitzers zu zeigen, sondern auch zur Anregung des Gesprächs und zur
Unterhaltung. Sie zieht uns an, macht uns den Aufenthalt im Salon an¬
genehm. Nackte Wände, leere Tische, kalte Farben dagegen wirken in hohem
Grade abstoßend für den fremd Eintretenden.

Ganz im Gegensatz zum Salon hat das Speisezimmer einen domini-
renden festen Mittelpunkt in dem in der Mitte des Zimmers stehenden Speise¬
tisch mit dem auf ihm aufgestellten Geräthe und der um denselben herum
sitzenden Gesellschaft. Für ein Speisezimmer ist es daher vortheilhaft, wenn
das Tageslicht concentrirt d. h. von einer Seite einfällt. Abends lasse man das
Licht, welches den Tisch und die Gesichter der Tischgenossen beleuchten soll,
von dem Tische selbst ausgehen, so daß die Helligkeit nach allen Seiten hin
gleichmäßig abnimmt. Ob ein hängender Kronleuchter, am besten von Mes¬
sing und in den edlen Formen des sechszehnten Jahrhunderts, oder stehende
Lampen zur Anwendung kommen, ist ziemlich gleichgültig, wenn das Licht
nur genügende Helligkeit bietet und so hoch über den Augen der Speisenden
sich befindet, daß ein Jeder ohne Behinderung das Gesicht des Andern sehen
kann und daß es nicht blendet. Das vom Speisetische ausgehende Licht soll
aber auch das einzige im Zimmer sein. Höchstens darf noch das Büffet,
wenn es zum Anrichten dient, so weit dafür nothwendig, besonders erleuchtet
sein. Durch solche Anordnungen wird in Wirklichkeit eine ähnliche Wirkung


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[0352] Arrangement, eine, freilich beschränkte, malerische Unordnung und scheinbare Nachlässigkeit. Doch muß das gruppenweise Zerstreute in ein gewisses Gleich¬ gewicht zu einander, das in Form und Farbe Verschiedenartige durch eine über dem Ganzen schwebende Harmonie zu einem künstlerischen Ganzen verei¬ nigt sein. Das Bedeutungsvolle trete hervor, das weniger Bedeutende ordne sich unter und füge sich in die Symmetrie. Dinge, welche nach ihrer Form oder Farbe dissonirend neben einander stehen würden, sind zu trennen. Die bunte Scenerie der Gesellschaft duldet auch im Hintergrund Glanz und Pracht, daher können die Wände lebhafter und farbiger sein, als in andern Zimmern. Der Plafond mag alle dekorative Kunst entfalten. Die Möbel ordne man in gewisse Gruppen und vertheile sie im Raum, daß sie Sammelpunkte zum Ge¬ spräche bilden, daß nicht die eine Seite des Zimmers leer, die andere überfüllt erscheine. Das Licht kann von verschiedenen Seiten kommen. Als Kronleuchter empfehlen sich die Venetianischen, ganz von Glas. Doch sind auch solche aus vergoldeter Bronce, vielleicht auch mit Emaillen geschmückt, sehr passend. Für Möbelbezüge und Vorhangstoffe ist die glänzende Seide ganz am Platz. Auf Tischen und Consolen stehen Kunstwerke aller Art, liegen Prachtwerke in kostbaren Einbänden; an den Wänden hängen moderne Bilder mit ihren leb¬ haften Farben. Eine solche Mannigfaltigkeit ist gewissermaßen nothwendig, nicht nur um zu repräsentiren, um den Reichthum und den Bildungsgrad des Besitzers zu zeigen, sondern auch zur Anregung des Gesprächs und zur Unterhaltung. Sie zieht uns an, macht uns den Aufenthalt im Salon an¬ genehm. Nackte Wände, leere Tische, kalte Farben dagegen wirken in hohem Grade abstoßend für den fremd Eintretenden. Ganz im Gegensatz zum Salon hat das Speisezimmer einen domini- renden festen Mittelpunkt in dem in der Mitte des Zimmers stehenden Speise¬ tisch mit dem auf ihm aufgestellten Geräthe und der um denselben herum sitzenden Gesellschaft. Für ein Speisezimmer ist es daher vortheilhaft, wenn das Tageslicht concentrirt d. h. von einer Seite einfällt. Abends lasse man das Licht, welches den Tisch und die Gesichter der Tischgenossen beleuchten soll, von dem Tische selbst ausgehen, so daß die Helligkeit nach allen Seiten hin gleichmäßig abnimmt. Ob ein hängender Kronleuchter, am besten von Mes¬ sing und in den edlen Formen des sechszehnten Jahrhunderts, oder stehende Lampen zur Anwendung kommen, ist ziemlich gleichgültig, wenn das Licht nur genügende Helligkeit bietet und so hoch über den Augen der Speisenden sich befindet, daß ein Jeder ohne Behinderung das Gesicht des Andern sehen kann und daß es nicht blendet. Das vom Speisetische ausgehende Licht soll aber auch das einzige im Zimmer sein. Höchstens darf noch das Büffet, wenn es zum Anrichten dient, so weit dafür nothwendig, besonders erleuchtet sein. Durch solche Anordnungen wird in Wirklichkeit eine ähnliche Wirkung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/352>, abgerufen am 26.12.2024.