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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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reich. Es beginnt mit einer politischen Einleitung und einer meisterhaften
Schilderung der französischen und deutschen Streitkräfte, ihrer Heercsergänzung
und Heeresorganisation, ihrer Stärke, Formation und taktischen Gliederung,
um dann zu einem Vergleich der Stärkeverhältnisse der einzelnen taktischen
Körper im französischen Heere und in den deutschen Armeen auf Kriegsfuß,
sowie auf eine vergleichende Charakteristik der beiden, einander feindlich gegen¬
über stehenden Heere einzugehen. Gerade dieser Theil des Buches ist von ganz
besonderem Werthe und ist unseres Wissens nirgends erreicht worden, zumal
das dieselben Verhältnisse berührende 1. Heft des Generalstabswerkes offenbar
nicht die Tendenz hatte, diesen Dingen näher zu treten, sondern sich mit
einigen genialen Umrißlinien begnügen wollte. -- Borbstaedt's Buch geht dann
über zur Darstellung der Mobilmachung, der Benutzung der Eisenbahnen zum
Truppentransport und der Zusammenziehung und Formirung der Armeen,
einschließlich ihres strategischen Aufmarsches. -- Mit Seite 168 beginnt die
Schilderung der Operationen. Saarbrücken, Weißenburg, Wörth, Spicheren
werden in scharfen, klaren Bildern kurz (auf etwa 40 Seiten) zur Anschauung
gebracht, die unmittelbaren und die weiteren Folgen der französischen Nieder¬
lagen dargestellt und die Bildung, die Ordre de Bataille und Coneentra
lion der beiden französischen Armeen bei Metz und Chalons entwickelt. Un¬
gemein übersichtlich und lehrreich ist die Schilderung des Anmarsches der
deutschen Armeen gegen die Mosel und die Erzählung der Schlachten bei
Metz. (120 Seiten). Es folgt dann die Formation der Maas-Armee und
ihr Vormarsch gegen die Argonnen, die Recognoscirung von Verdun und das
Vorrücken der II. Armee, sowie die Operationen der Franzosen bis zum
25. August. Von da an werden die Ereignisse bis zu dem glorreichen Sep¬
temberbeginn Tag für Tag entwickelt und ein Gemälde der Schlacht von
Sedan (fast 60 Seiten) gegeben, das zu den liebevollsten Schlachtschilderungen
gehört, die wir je gelesen haben. -- Die Beschreibung der Belagerung von
Straßburg schließt das ausgezeichnete Buch. -- Was der Arbeit Borbstaedt's
eine so große allgemein anerkannte Bedeutung und einen besonderen Reiz
verleiht, das ist jenes so seltene Zusammentreffen höchster Einfachheit und eif¬
rigen Strebens nach historischer Obje ctivität mit der vollen Eigenart einer
schriftstellerischen Persönlichkeit. Der Stempel dieser Persönlichkeit aber
ist eben aufrichtige Wahrheitsliebe und Treue, rückhaltlose Hingebung an den
Gegenstand und unwandelbares Wohlwollen. Fügt man zu solchen Eigen¬
schaften eines schriftstellerischen Charakters nun die hohe Intelligenz eines be¬
deutenden militärischen Gelehrten, die Erfahrung eines langen, arbeitsfrohen
Lebens hinzu, so kann man sich über die Erfolge dieses einfachen Buches nicht
wundern. Ins Französische, Englische, Italienische und Schwedische übersetzt,
ist es auch in deutscher Sprache bisher, trotz der massenhaften Kriegsliteratur,


reich. Es beginnt mit einer politischen Einleitung und einer meisterhaften
Schilderung der französischen und deutschen Streitkräfte, ihrer Heercsergänzung
und Heeresorganisation, ihrer Stärke, Formation und taktischen Gliederung,
um dann zu einem Vergleich der Stärkeverhältnisse der einzelnen taktischen
Körper im französischen Heere und in den deutschen Armeen auf Kriegsfuß,
sowie auf eine vergleichende Charakteristik der beiden, einander feindlich gegen¬
über stehenden Heere einzugehen. Gerade dieser Theil des Buches ist von ganz
besonderem Werthe und ist unseres Wissens nirgends erreicht worden, zumal
das dieselben Verhältnisse berührende 1. Heft des Generalstabswerkes offenbar
nicht die Tendenz hatte, diesen Dingen näher zu treten, sondern sich mit
einigen genialen Umrißlinien begnügen wollte. — Borbstaedt's Buch geht dann
über zur Darstellung der Mobilmachung, der Benutzung der Eisenbahnen zum
Truppentransport und der Zusammenziehung und Formirung der Armeen,
einschließlich ihres strategischen Aufmarsches. — Mit Seite 168 beginnt die
Schilderung der Operationen. Saarbrücken, Weißenburg, Wörth, Spicheren
werden in scharfen, klaren Bildern kurz (auf etwa 40 Seiten) zur Anschauung
gebracht, die unmittelbaren und die weiteren Folgen der französischen Nieder¬
lagen dargestellt und die Bildung, die Ordre de Bataille und Coneentra
lion der beiden französischen Armeen bei Metz und Chalons entwickelt. Un¬
gemein übersichtlich und lehrreich ist die Schilderung des Anmarsches der
deutschen Armeen gegen die Mosel und die Erzählung der Schlachten bei
Metz. (120 Seiten). Es folgt dann die Formation der Maas-Armee und
ihr Vormarsch gegen die Argonnen, die Recognoscirung von Verdun und das
Vorrücken der II. Armee, sowie die Operationen der Franzosen bis zum
25. August. Von da an werden die Ereignisse bis zu dem glorreichen Sep¬
temberbeginn Tag für Tag entwickelt und ein Gemälde der Schlacht von
Sedan (fast 60 Seiten) gegeben, das zu den liebevollsten Schlachtschilderungen
gehört, die wir je gelesen haben. — Die Beschreibung der Belagerung von
Straßburg schließt das ausgezeichnete Buch. — Was der Arbeit Borbstaedt's
eine so große allgemein anerkannte Bedeutung und einen besonderen Reiz
verleiht, das ist jenes so seltene Zusammentreffen höchster Einfachheit und eif¬
rigen Strebens nach historischer Obje ctivität mit der vollen Eigenart einer
schriftstellerischen Persönlichkeit. Der Stempel dieser Persönlichkeit aber
ist eben aufrichtige Wahrheitsliebe und Treue, rückhaltlose Hingebung an den
Gegenstand und unwandelbares Wohlwollen. Fügt man zu solchen Eigen¬
schaften eines schriftstellerischen Charakters nun die hohe Intelligenz eines be¬
deutenden militärischen Gelehrten, die Erfahrung eines langen, arbeitsfrohen
Lebens hinzu, so kann man sich über die Erfolge dieses einfachen Buches nicht
wundern. Ins Französische, Englische, Italienische und Schwedische übersetzt,
ist es auch in deutscher Sprache bisher, trotz der massenhaften Kriegsliteratur,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/93>, abgerufen am 23.07.2024.