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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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führt zu nichts: für Philipp's Gehorsam bürge ich, Meßt Moritz. Aber
Alba besteht auf dem buchstäblichen Befehle Karl's: und seine wahre Gesinnung
enthüllt sich:


"Ich geb' auf eines Ketzers Wort nicht viel!"

Damit ist die Krisis herbeigeführt. Nun ist für Moritz' Sinn der
Gegensatz zu der kaiserlichen Politik die Lösung. Mit wenigen aber ergreifend
pathetischen Worten erklärt er sich zum Genossen Philipp's und der Pro-
testanten. Mag nun auch noch verhandelt und diplomatisirt werden, der
Bruch ist eingetreten und die Partei mit aller Entschiedenheit genommen.

Wir wiederholen, großartig in Anlage und Ausführung ist dieser Ab-
schluß des dritten Actes. Was folgt, steht nicht "mehr auf der Höhe, die hier
erreicht war.

Niemand, der die nächste Geschichte kennt, wird in Abrede stellen,
daß große, fast unüberwindliche Schwierigkeiten einer dramatischen Bearbei¬
tung von nun ab in den Weg treten. Es galt jetzt langwierige, historische
Entwickelungen in einzelne Scenen zu verdichten, zeitlich und räumlich aus¬
einanderliegendes aneinander und ineinander zu schieben. Es galt vor allem
sehr zusammengesetzte Motivirungen so zu vereinfachen, daß sie verständlich
und zwingend dem Zuschauer bleiben. Ich darf nicht verbergen, daß wenig
fleus nach meinem Gefühle dies Kruse nicht so gelungen ist, wie die dem
historischen Verlauf selbst sich näher anschließende Entwickelung der drei
ersten Acte.

Wir mußten es geradezu für eine dramatisch und psychologisch vortreff¬
liche Entwickelung erklären, wie Kruse uns den Herzog in seiner Anknüpfung
mit dem Kaiser lebendig vor die Augen geführt hat. Der Versuch, uns die
Lösung dieses Bandes ebenso dramatisch zu zeigen und gleichzeitig die Oppo¬
sitionspartei vor uns zusammenwachsen zu lassen, dieser Versuch ist von Kruse
gar nicht gemacht. Er überspringt vielmehr fünf Jahre und zeigt uns nun
Moritz als Gegner Karl's schon fertig und zum Schlage gerüstet.

Prächtiges und reiches dramatisches Material, das die Geschichte bietet,
ist damit weggefallen und ungenutzt geblieben. Hätte ich hier statt zu referiren
dem Dichter Rath zu ertheilen, ich würde sagen: gehe nicht den Augsburger
Verhandlungen über das Interim vorbei, laß das überlieferte, fesselnde Ge¬
spräch zwischen Karl und Moritz dir nicht entgehen, und andererseits mache
von den so drastischen und tief ins Seelenleben der Betheiligten uns hinein¬
weisenden Aeußerungen aus dem Verkehr zwischen Moritz und den Protestanten
einen angemessenen Gebrauch. Leicht möglich erschiene es mir für die dichte¬
rische Kraft Kruse's, aus diese Weise ein Gegenstück zu dem herrlichen ersten
Acte zu machen!

Doch der Dichter wird seine Gründe gehabt haben, einen anderen Weg


führt zu nichts: für Philipp's Gehorsam bürge ich, Meßt Moritz. Aber
Alba besteht auf dem buchstäblichen Befehle Karl's: und seine wahre Gesinnung
enthüllt sich:


»Ich geb' auf eines Ketzers Wort nicht viel!"

Damit ist die Krisis herbeigeführt. Nun ist für Moritz' Sinn der
Gegensatz zu der kaiserlichen Politik die Lösung. Mit wenigen aber ergreifend
pathetischen Worten erklärt er sich zum Genossen Philipp's und der Pro-
testanten. Mag nun auch noch verhandelt und diplomatisirt werden, der
Bruch ist eingetreten und die Partei mit aller Entschiedenheit genommen.

Wir wiederholen, großartig in Anlage und Ausführung ist dieser Ab-
schluß des dritten Actes. Was folgt, steht nicht "mehr auf der Höhe, die hier
erreicht war.

Niemand, der die nächste Geschichte kennt, wird in Abrede stellen,
daß große, fast unüberwindliche Schwierigkeiten einer dramatischen Bearbei¬
tung von nun ab in den Weg treten. Es galt jetzt langwierige, historische
Entwickelungen in einzelne Scenen zu verdichten, zeitlich und räumlich aus¬
einanderliegendes aneinander und ineinander zu schieben. Es galt vor allem
sehr zusammengesetzte Motivirungen so zu vereinfachen, daß sie verständlich
und zwingend dem Zuschauer bleiben. Ich darf nicht verbergen, daß wenig
fleus nach meinem Gefühle dies Kruse nicht so gelungen ist, wie die dem
historischen Verlauf selbst sich näher anschließende Entwickelung der drei
ersten Acte.

Wir mußten es geradezu für eine dramatisch und psychologisch vortreff¬
liche Entwickelung erklären, wie Kruse uns den Herzog in seiner Anknüpfung
mit dem Kaiser lebendig vor die Augen geführt hat. Der Versuch, uns die
Lösung dieses Bandes ebenso dramatisch zu zeigen und gleichzeitig die Oppo¬
sitionspartei vor uns zusammenwachsen zu lassen, dieser Versuch ist von Kruse
gar nicht gemacht. Er überspringt vielmehr fünf Jahre und zeigt uns nun
Moritz als Gegner Karl's schon fertig und zum Schlage gerüstet.

Prächtiges und reiches dramatisches Material, das die Geschichte bietet,
ist damit weggefallen und ungenutzt geblieben. Hätte ich hier statt zu referiren
dem Dichter Rath zu ertheilen, ich würde sagen: gehe nicht den Augsburger
Verhandlungen über das Interim vorbei, laß das überlieferte, fesselnde Ge¬
spräch zwischen Karl und Moritz dir nicht entgehen, und andererseits mache
von den so drastischen und tief ins Seelenleben der Betheiligten uns hinein¬
weisenden Aeußerungen aus dem Verkehr zwischen Moritz und den Protestanten
einen angemessenen Gebrauch. Leicht möglich erschiene es mir für die dichte¬
rische Kraft Kruse's, aus diese Weise ein Gegenstück zu dem herrlichen ersten
Acte zu machen!

Doch der Dichter wird seine Gründe gehabt haben, einen anderen Weg


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[0058] führt zu nichts: für Philipp's Gehorsam bürge ich, Meßt Moritz. Aber Alba besteht auf dem buchstäblichen Befehle Karl's: und seine wahre Gesinnung enthüllt sich: »Ich geb' auf eines Ketzers Wort nicht viel!" Damit ist die Krisis herbeigeführt. Nun ist für Moritz' Sinn der Gegensatz zu der kaiserlichen Politik die Lösung. Mit wenigen aber ergreifend pathetischen Worten erklärt er sich zum Genossen Philipp's und der Pro- testanten. Mag nun auch noch verhandelt und diplomatisirt werden, der Bruch ist eingetreten und die Partei mit aller Entschiedenheit genommen. Wir wiederholen, großartig in Anlage und Ausführung ist dieser Ab- schluß des dritten Actes. Was folgt, steht nicht "mehr auf der Höhe, die hier erreicht war. Niemand, der die nächste Geschichte kennt, wird in Abrede stellen, daß große, fast unüberwindliche Schwierigkeiten einer dramatischen Bearbei¬ tung von nun ab in den Weg treten. Es galt jetzt langwierige, historische Entwickelungen in einzelne Scenen zu verdichten, zeitlich und räumlich aus¬ einanderliegendes aneinander und ineinander zu schieben. Es galt vor allem sehr zusammengesetzte Motivirungen so zu vereinfachen, daß sie verständlich und zwingend dem Zuschauer bleiben. Ich darf nicht verbergen, daß wenig fleus nach meinem Gefühle dies Kruse nicht so gelungen ist, wie die dem historischen Verlauf selbst sich näher anschließende Entwickelung der drei ersten Acte. Wir mußten es geradezu für eine dramatisch und psychologisch vortreff¬ liche Entwickelung erklären, wie Kruse uns den Herzog in seiner Anknüpfung mit dem Kaiser lebendig vor die Augen geführt hat. Der Versuch, uns die Lösung dieses Bandes ebenso dramatisch zu zeigen und gleichzeitig die Oppo¬ sitionspartei vor uns zusammenwachsen zu lassen, dieser Versuch ist von Kruse gar nicht gemacht. Er überspringt vielmehr fünf Jahre und zeigt uns nun Moritz als Gegner Karl's schon fertig und zum Schlage gerüstet. Prächtiges und reiches dramatisches Material, das die Geschichte bietet, ist damit weggefallen und ungenutzt geblieben. Hätte ich hier statt zu referiren dem Dichter Rath zu ertheilen, ich würde sagen: gehe nicht den Augsburger Verhandlungen über das Interim vorbei, laß das überlieferte, fesselnde Ge¬ spräch zwischen Karl und Moritz dir nicht entgehen, und andererseits mache von den so drastischen und tief ins Seelenleben der Betheiligten uns hinein¬ weisenden Aeußerungen aus dem Verkehr zwischen Moritz und den Protestanten einen angemessenen Gebrauch. Leicht möglich erschiene es mir für die dichte¬ rische Kraft Kruse's, aus diese Weise ein Gegenstück zu dem herrlichen ersten Acte zu machen! Doch der Dichter wird seine Gründe gehabt haben, einen anderen Weg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/58>, abgerufen am 02.10.2024.