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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Panzerflottille, auf welche sich neuerdings niederländische Augen so hoffnungs¬
reich richten, zu etwas anderen zu machen, als zu einem recht kostspieligen
aber werthlosen Spielzeug. Ebenso müssen wir das Dogma von der Unein¬
nehmbarkeit der Centralstellung Utrecht und des Reduit Amsterdam durch die
Toegel'sche Arbeit als definitiv beseitigt ansehen. Die Uneinnehmbarkeit der
Utrechter Stellung ist nämlich bekanntlich auf die Voraussetzung gegründet,
daß man ihre Zugänge und ihr Vorterrain mit dem Wasser des Leck in eine
ungeheure Wasserwüste verwandeln könne. Ob das alte künstliche niederlän¬
dische Schleußensystem im gegebenen Fall diese Aufgabe überall erfüllen würde,
lassen wir mit Toegel dahingestellt. Dagegen ist sicher, daß die Versenkung von
einem Dutzend mit Steinen beladener Kohlenschiffe oder die Abdämmung des
oberen Leck an Stellen, die von unsern paar Leck-Forts gänzlich ungeschützt
sind, vollkommen ausreichen würde, um der ganzen Utrecht'schen Linie das
zu ihrer Vertheidigungsfähigkeit nöthige Wasser zu entziehen. Und bei nie¬
derem und selbst mittlerem Wasserstande des Leck ist das gar nicht einmal nöthig.
Alsdann würde, ehe die Schleusen mit ihrer Ueberschwemmungsarbeit nur
halbwegs fertig sind, die deutsche Armee und namentlich die zahlreiche und
rasche deutsche Cavallerie -- der wir im Ganzen noch nicht 1600 mobile Rosse
entgegenzusetzen haben -- vor Utrecht erscheinen, vielleicht eher als unsre
eigenen Leute. Und vollends nun der Fall eines Winterfeldzugs, wo unser
Retter das Wasser zu Eis erstarrt ist! Die Zeit des Angriffs können wir
doch jedenfalls dem Feinde nicht vorschreiben, sondern müssen ihn seiner
Wahl überlassen. Dieselben Verhältnisse wiederholen sich vor unserm Reduit
Amsterdam. Auch hier wie an der Utrechter Linie ist namentlich die UnHalt¬
barkeit der Festungen, die zum Schutz der Stellung dienen sollen, auch von
unsern eigenen Autoritäten allgemein anerkannt, ihre Instandsetzung von den
Kammern fast durchgängig abgelehnt worden. Mit Amsterdam wäre Hol¬
land bezwungen. Die Schlußuntersuchung der Toegel'schen Schrift ist dem
Nachweise gewidmet, daß Niederland zu einer durchgreifenden Reorganisation
seines Heerwesens nach dem unumgänglichen preußischen Muster kaum die
Vorbedingungen besitzen dürfte. Nach alledem beantwortet Ihr Landsmann
die Frage der Vertheidigungsfähtgkeit Niederlands mit einem volltönenden
Nein.

So sehr wir in allen diesen Punkten den Werth dieser deutschen Schrift
anerkennen, so wenig wollen uns die politischen Schlußsätze und Rathschläge
derselben einleuchten. Der Verfasser meint: Niederland, zu schwach um selbst
zu widerstehen, müsse nothgedrungen nach Allianzen sich umsehen, die bei der
Politischen Stimmung unseres Landes sicherlich einen deutschfeindlichen Charak¬
ter tragen würden, namentlich im Falle eines französischen Revanchekriegs.
Deutschland müsse hiergegen Garantieen fordern. Diese seien unsrerseits nur


Panzerflottille, auf welche sich neuerdings niederländische Augen so hoffnungs¬
reich richten, zu etwas anderen zu machen, als zu einem recht kostspieligen
aber werthlosen Spielzeug. Ebenso müssen wir das Dogma von der Unein¬
nehmbarkeit der Centralstellung Utrecht und des Reduit Amsterdam durch die
Toegel'sche Arbeit als definitiv beseitigt ansehen. Die Uneinnehmbarkeit der
Utrechter Stellung ist nämlich bekanntlich auf die Voraussetzung gegründet,
daß man ihre Zugänge und ihr Vorterrain mit dem Wasser des Leck in eine
ungeheure Wasserwüste verwandeln könne. Ob das alte künstliche niederlän¬
dische Schleußensystem im gegebenen Fall diese Aufgabe überall erfüllen würde,
lassen wir mit Toegel dahingestellt. Dagegen ist sicher, daß die Versenkung von
einem Dutzend mit Steinen beladener Kohlenschiffe oder die Abdämmung des
oberen Leck an Stellen, die von unsern paar Leck-Forts gänzlich ungeschützt
sind, vollkommen ausreichen würde, um der ganzen Utrecht'schen Linie das
zu ihrer Vertheidigungsfähigkeit nöthige Wasser zu entziehen. Und bei nie¬
derem und selbst mittlerem Wasserstande des Leck ist das gar nicht einmal nöthig.
Alsdann würde, ehe die Schleusen mit ihrer Ueberschwemmungsarbeit nur
halbwegs fertig sind, die deutsche Armee und namentlich die zahlreiche und
rasche deutsche Cavallerie — der wir im Ganzen noch nicht 1600 mobile Rosse
entgegenzusetzen haben — vor Utrecht erscheinen, vielleicht eher als unsre
eigenen Leute. Und vollends nun der Fall eines Winterfeldzugs, wo unser
Retter das Wasser zu Eis erstarrt ist! Die Zeit des Angriffs können wir
doch jedenfalls dem Feinde nicht vorschreiben, sondern müssen ihn seiner
Wahl überlassen. Dieselben Verhältnisse wiederholen sich vor unserm Reduit
Amsterdam. Auch hier wie an der Utrechter Linie ist namentlich die UnHalt¬
barkeit der Festungen, die zum Schutz der Stellung dienen sollen, auch von
unsern eigenen Autoritäten allgemein anerkannt, ihre Instandsetzung von den
Kammern fast durchgängig abgelehnt worden. Mit Amsterdam wäre Hol¬
land bezwungen. Die Schlußuntersuchung der Toegel'schen Schrift ist dem
Nachweise gewidmet, daß Niederland zu einer durchgreifenden Reorganisation
seines Heerwesens nach dem unumgänglichen preußischen Muster kaum die
Vorbedingungen besitzen dürfte. Nach alledem beantwortet Ihr Landsmann
die Frage der Vertheidigungsfähtgkeit Niederlands mit einem volltönenden
Nein.

So sehr wir in allen diesen Punkten den Werth dieser deutschen Schrift
anerkennen, so wenig wollen uns die politischen Schlußsätze und Rathschläge
derselben einleuchten. Der Verfasser meint: Niederland, zu schwach um selbst
zu widerstehen, müsse nothgedrungen nach Allianzen sich umsehen, die bei der
Politischen Stimmung unseres Landes sicherlich einen deutschfeindlichen Charak¬
ter tragen würden, namentlich im Falle eines französischen Revanchekriegs.
Deutschland müsse hiergegen Garantieen fordern. Diese seien unsrerseits nur


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[0517] Panzerflottille, auf welche sich neuerdings niederländische Augen so hoffnungs¬ reich richten, zu etwas anderen zu machen, als zu einem recht kostspieligen aber werthlosen Spielzeug. Ebenso müssen wir das Dogma von der Unein¬ nehmbarkeit der Centralstellung Utrecht und des Reduit Amsterdam durch die Toegel'sche Arbeit als definitiv beseitigt ansehen. Die Uneinnehmbarkeit der Utrechter Stellung ist nämlich bekanntlich auf die Voraussetzung gegründet, daß man ihre Zugänge und ihr Vorterrain mit dem Wasser des Leck in eine ungeheure Wasserwüste verwandeln könne. Ob das alte künstliche niederlän¬ dische Schleußensystem im gegebenen Fall diese Aufgabe überall erfüllen würde, lassen wir mit Toegel dahingestellt. Dagegen ist sicher, daß die Versenkung von einem Dutzend mit Steinen beladener Kohlenschiffe oder die Abdämmung des oberen Leck an Stellen, die von unsern paar Leck-Forts gänzlich ungeschützt sind, vollkommen ausreichen würde, um der ganzen Utrecht'schen Linie das zu ihrer Vertheidigungsfähigkeit nöthige Wasser zu entziehen. Und bei nie¬ derem und selbst mittlerem Wasserstande des Leck ist das gar nicht einmal nöthig. Alsdann würde, ehe die Schleusen mit ihrer Ueberschwemmungsarbeit nur halbwegs fertig sind, die deutsche Armee und namentlich die zahlreiche und rasche deutsche Cavallerie — der wir im Ganzen noch nicht 1600 mobile Rosse entgegenzusetzen haben — vor Utrecht erscheinen, vielleicht eher als unsre eigenen Leute. Und vollends nun der Fall eines Winterfeldzugs, wo unser Retter das Wasser zu Eis erstarrt ist! Die Zeit des Angriffs können wir doch jedenfalls dem Feinde nicht vorschreiben, sondern müssen ihn seiner Wahl überlassen. Dieselben Verhältnisse wiederholen sich vor unserm Reduit Amsterdam. Auch hier wie an der Utrechter Linie ist namentlich die UnHalt¬ barkeit der Festungen, die zum Schutz der Stellung dienen sollen, auch von unsern eigenen Autoritäten allgemein anerkannt, ihre Instandsetzung von den Kammern fast durchgängig abgelehnt worden. Mit Amsterdam wäre Hol¬ land bezwungen. Die Schlußuntersuchung der Toegel'schen Schrift ist dem Nachweise gewidmet, daß Niederland zu einer durchgreifenden Reorganisation seines Heerwesens nach dem unumgänglichen preußischen Muster kaum die Vorbedingungen besitzen dürfte. Nach alledem beantwortet Ihr Landsmann die Frage der Vertheidigungsfähtgkeit Niederlands mit einem volltönenden Nein. So sehr wir in allen diesen Punkten den Werth dieser deutschen Schrift anerkennen, so wenig wollen uns die politischen Schlußsätze und Rathschläge derselben einleuchten. Der Verfasser meint: Niederland, zu schwach um selbst zu widerstehen, müsse nothgedrungen nach Allianzen sich umsehen, die bei der Politischen Stimmung unseres Landes sicherlich einen deutschfeindlichen Charak¬ ter tragen würden, namentlich im Falle eines französischen Revanchekriegs. Deutschland müsse hiergegen Garantieen fordern. Diese seien unsrerseits nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/517>, abgerufen am 24.08.2024.