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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Räthen, verlief nun die Messe so. Am ersten Tage handelte es sich um die
Accepation der Wechsel. Diejenigen, auf welche Wechsel gezogen, die also
durch Wechsel aufgefordert waren zu zahlen, wurden von den Empfangberech¬
tigten öffentlich aufgerufen. Der Aufruf war unter dem Namen Karg, schon
auf den älteren Messen üblich gewesen. Der Angerufene mußte erklären, ob
der Wechsel acceptirt, d. h. die Verpflichtung, ihn zu zahlen, übernommen
sein solle, oder nicht. -- Diese Manipulation fordert jedoch einige Erläu¬
terung dessen, was sich bereits vorher mit dem Wechsel zugetragen hatte.
Das Erste an dem Wechsel ist die Ausstellung. Sie spielt zunächst zwischen
dem Aussteller und dem Redner. Diese Ausstellung geschah jetzt so. Ent¬
weder erwarb der Redner den Wechsel, und das lag den Juristen gleichsam
als der Normalfall im Sinn, durch seine Zahlung; er kaufte die darin bezeich¬
nete Wechselsumme, weil er deren am Meßort sich bedienen wollte. Oder es
konnte auch sein, daß der Aussteller dem Redner vermittelst des Wechsels,
oder daß der Redner dem Aussteller gegen den Wechsel borgte. Wir sehen
bereits, daß durch Wechsel sogar beträchtliche öffentliche Anleihen effektuirt
wurden. Indessen dachten daran die Juristen minder gern, wegen der Wucher¬
lehre. -- Außerdem figurirten aber im Meßwechsel noch zwei weitere Personen:
derjenige, welcher zahlen, und derjenige, welcher -- eine andere Person, als der
erste Redner des Wechsels, -- bei diesem Zahlung empfangen sollte. Dem erste¬
ren ging eine Ausfertigung mit der sogenannten traota, dem letzteren eine
solche mit der rsmissg, zu. Ich übergehe, warum solchergestalt der Regel nach
vier Personen erheischt wurden; ebenso vorerst, wie sich der Personenkreis durch
Anweisung an sich selbst und dergleichen verengern mochte.

Nun wurde dem Bezogenen zuvörderst durch Avisbrief und durch Spacchien,
Listen des Geschäftsfreundes, Nachricht gegeben, welche Wechsel der Zahlung
oder der Vereinnahmung halber an ihn dirigirt seien. Daraus hatte jeder
Meßgeschäftsmann sich eine Uebersicht anzulegen, die beides enthielt, die
Wechsel, auf die er zu zahlen, und die Wechsel, auf die er zu empfangen
hatte. Diese genau in mehrere Konti geordneten Meßbücher hießen Scarta-
facia. Nach ihnen erfolgte der Aufruf der eingetragenen zahlbaren Wechsel.
Acceptirte der aufgerufene Trassat, so wurde das Accept in den beiderseitigen
Büchern notirt, womit, beiläufig bemerkt, der Aussteller des Wechsels aller
weiteren Haft los und ledig war. Kam es nicht zum Accept, so wurde dies kon-
statirt durch Protestaufnahme. So kontrolirten sich also gegenseitig die Bankiers
durch ihre Scartafacien. Empfangensollen und Zahlensollen mußten in den
Büchern der beiden Betheiligten übereinstimmen. Allein, was wichtiger, es war
zugleich die Gelegenheit damit zur Scontration gegeben. Jeder Bankier konnte
in dem Buche mit den Summen, die ihm acceptirt wurden, diejenigen welche
er acceptirte, unangesehen der Herkunft im Einzelnen mit einem Strich aus-


Räthen, verlief nun die Messe so. Am ersten Tage handelte es sich um die
Accepation der Wechsel. Diejenigen, auf welche Wechsel gezogen, die also
durch Wechsel aufgefordert waren zu zahlen, wurden von den Empfangberech¬
tigten öffentlich aufgerufen. Der Aufruf war unter dem Namen Karg, schon
auf den älteren Messen üblich gewesen. Der Angerufene mußte erklären, ob
der Wechsel acceptirt, d. h. die Verpflichtung, ihn zu zahlen, übernommen
sein solle, oder nicht. — Diese Manipulation fordert jedoch einige Erläu¬
terung dessen, was sich bereits vorher mit dem Wechsel zugetragen hatte.
Das Erste an dem Wechsel ist die Ausstellung. Sie spielt zunächst zwischen
dem Aussteller und dem Redner. Diese Ausstellung geschah jetzt so. Ent¬
weder erwarb der Redner den Wechsel, und das lag den Juristen gleichsam
als der Normalfall im Sinn, durch seine Zahlung; er kaufte die darin bezeich¬
nete Wechselsumme, weil er deren am Meßort sich bedienen wollte. Oder es
konnte auch sein, daß der Aussteller dem Redner vermittelst des Wechsels,
oder daß der Redner dem Aussteller gegen den Wechsel borgte. Wir sehen
bereits, daß durch Wechsel sogar beträchtliche öffentliche Anleihen effektuirt
wurden. Indessen dachten daran die Juristen minder gern, wegen der Wucher¬
lehre. — Außerdem figurirten aber im Meßwechsel noch zwei weitere Personen:
derjenige, welcher zahlen, und derjenige, welcher — eine andere Person, als der
erste Redner des Wechsels, — bei diesem Zahlung empfangen sollte. Dem erste¬
ren ging eine Ausfertigung mit der sogenannten traota, dem letzteren eine
solche mit der rsmissg, zu. Ich übergehe, warum solchergestalt der Regel nach
vier Personen erheischt wurden; ebenso vorerst, wie sich der Personenkreis durch
Anweisung an sich selbst und dergleichen verengern mochte.

Nun wurde dem Bezogenen zuvörderst durch Avisbrief und durch Spacchien,
Listen des Geschäftsfreundes, Nachricht gegeben, welche Wechsel der Zahlung
oder der Vereinnahmung halber an ihn dirigirt seien. Daraus hatte jeder
Meßgeschäftsmann sich eine Uebersicht anzulegen, die beides enthielt, die
Wechsel, auf die er zu zahlen, und die Wechsel, auf die er zu empfangen
hatte. Diese genau in mehrere Konti geordneten Meßbücher hießen Scarta-
facia. Nach ihnen erfolgte der Aufruf der eingetragenen zahlbaren Wechsel.
Acceptirte der aufgerufene Trassat, so wurde das Accept in den beiderseitigen
Büchern notirt, womit, beiläufig bemerkt, der Aussteller des Wechsels aller
weiteren Haft los und ledig war. Kam es nicht zum Accept, so wurde dies kon-
statirt durch Protestaufnahme. So kontrolirten sich also gegenseitig die Bankiers
durch ihre Scartafacien. Empfangensollen und Zahlensollen mußten in den
Büchern der beiden Betheiligten übereinstimmen. Allein, was wichtiger, es war
zugleich die Gelegenheit damit zur Scontration gegeben. Jeder Bankier konnte
in dem Buche mit den Summen, die ihm acceptirt wurden, diejenigen welche
er acceptirte, unangesehen der Herkunft im Einzelnen mit einem Strich aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/498>, abgerufen am 24.08.2024.