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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Dort konnte man mit Hülfe von Sensalen, und Mäklern Wechsel jeder Art be¬
kommen und anbringen. Mit Stolz beschreiben die Genueser den Reichthum
ihrer Stadt, der aus dem Wechselgeschäft sich täglich vermehrte, die Thätigkeit
der Bürger, von denen ein jeder, sogar mit rechtlicher Wirkung, als Kauf¬
mann galt, weil in Zubio jeder mindestens am Wechselgeschäft, sei es auch
nur durch Depositen bei einem Bankier oder als Aktionär der großen Se.
Georgs-Bank, betheiligt erschien. Schlagen wir die Entscheidungen der rota,
des Gerichtshofes von Genua oder von Rom in Wechselsachen auf, so flößen
uns die Summen, um die prozessirt wurde, in der That keine geringe Mei¬
nung von dem Betriebe der italienischen Handelsherren ein, welche sehr vor¬
nehme altadlige Geschlechter in ihren Reihen zählen. --

Bei Weitem die meisten Wechsel jener Zeit waren Meßwechsel. Zwar
gab es auch solche, die nicht auf die Messe liefen; allein diese bildeten
entschieden die Ausnahme und Minderzahl. Die Summe des Wechselumsatzes
für eine einzige Quartalsmesse wird um 1620 auf etwa 16 Millionen Duka¬
ten angegeben. Man sieht zugleich, daß der Stadt Genua, indem sie, wie
jetzt das deutsche Reich, eine Steuer von allen inländischen Wechseln erhob,
und zwar mit Vio Prozent, eine stattliche Revenue erwuchs. Zum Meßver¬
kehr zugelassen war jeder Geschäftsmann, wenn er eine liomus ac corto, eine
verantwortliche Abrechnungsstelle, auf der Messe hatte, nach Hinterlegung einer
Kaution von 2000 Scudi. Gegen doppelte Kaution und nach vorgängiger
In-Pflichtnahme durfte er auch an der Kursregulirung, von der ich sogleich
reden werde, Theil nehmen.

Natürlich bildeten die gewerbsmäßigen Bankiers das Hauptkontingent.
Sie hatten von früher her das Wechselgeschäft in Händen und durch ihre
Geschäftsverbindungen eine Uebermacht, die an das Monopol streifte. Es
gibt uns einen kleinen Begriff von ihrer Stellung, wenn uns Raphael da
Tueri bewundernd mittheilt, daß der Geruche Ottavio Centurione der spani¬
schen Regierung auf einem Brette 110 Millionen Dukaten nach den Nieder¬
landen disponirt habe. Immer noch genug selbst dann, wenn man, der
keineswegs sicheren Vermuthung Wieners Raum verstattend, annehmen will,
daß sich Raphael um eine Null geirrt. -- Indessen erschienen auch auf der
Messe andere Leute in Menge; auch solche, die nicht an dem Abrechnungsge¬
schäft Theil nahmen, die vielmehr je nach Gelegenheit, als Depositenbankiers,
große und kleine Kapitalisten, Geldmittel zur Benutzung auf Wechsel hin dar¬
bieten oder sonst spekuliren wollten. Ganz wie auf unseren Börsen, welche
Finanziers, und Börsianer von Fach mit Spekulanten aller Art ohne Unterschied
^s Standes, des Vermögens und der Ehrlichkeit, in ihren Prachtsälen trau¬
lich, manchmal auch nicht traulich, vereinen.

Unter der Jurisdiktion der Genueser Meßobrigkeit, dem Konsul und zwei


Grenzboten 1873. I. 62

Dort konnte man mit Hülfe von Sensalen, und Mäklern Wechsel jeder Art be¬
kommen und anbringen. Mit Stolz beschreiben die Genueser den Reichthum
ihrer Stadt, der aus dem Wechselgeschäft sich täglich vermehrte, die Thätigkeit
der Bürger, von denen ein jeder, sogar mit rechtlicher Wirkung, als Kauf¬
mann galt, weil in Zubio jeder mindestens am Wechselgeschäft, sei es auch
nur durch Depositen bei einem Bankier oder als Aktionär der großen Se.
Georgs-Bank, betheiligt erschien. Schlagen wir die Entscheidungen der rota,
des Gerichtshofes von Genua oder von Rom in Wechselsachen auf, so flößen
uns die Summen, um die prozessirt wurde, in der That keine geringe Mei¬
nung von dem Betriebe der italienischen Handelsherren ein, welche sehr vor¬
nehme altadlige Geschlechter in ihren Reihen zählen. —

Bei Weitem die meisten Wechsel jener Zeit waren Meßwechsel. Zwar
gab es auch solche, die nicht auf die Messe liefen; allein diese bildeten
entschieden die Ausnahme und Minderzahl. Die Summe des Wechselumsatzes
für eine einzige Quartalsmesse wird um 1620 auf etwa 16 Millionen Duka¬
ten angegeben. Man sieht zugleich, daß der Stadt Genua, indem sie, wie
jetzt das deutsche Reich, eine Steuer von allen inländischen Wechseln erhob,
und zwar mit Vio Prozent, eine stattliche Revenue erwuchs. Zum Meßver¬
kehr zugelassen war jeder Geschäftsmann, wenn er eine liomus ac corto, eine
verantwortliche Abrechnungsstelle, auf der Messe hatte, nach Hinterlegung einer
Kaution von 2000 Scudi. Gegen doppelte Kaution und nach vorgängiger
In-Pflichtnahme durfte er auch an der Kursregulirung, von der ich sogleich
reden werde, Theil nehmen.

Natürlich bildeten die gewerbsmäßigen Bankiers das Hauptkontingent.
Sie hatten von früher her das Wechselgeschäft in Händen und durch ihre
Geschäftsverbindungen eine Uebermacht, die an das Monopol streifte. Es
gibt uns einen kleinen Begriff von ihrer Stellung, wenn uns Raphael da
Tueri bewundernd mittheilt, daß der Geruche Ottavio Centurione der spani¬
schen Regierung auf einem Brette 110 Millionen Dukaten nach den Nieder¬
landen disponirt habe. Immer noch genug selbst dann, wenn man, der
keineswegs sicheren Vermuthung Wieners Raum verstattend, annehmen will,
daß sich Raphael um eine Null geirrt. — Indessen erschienen auch auf der
Messe andere Leute in Menge; auch solche, die nicht an dem Abrechnungsge¬
schäft Theil nahmen, die vielmehr je nach Gelegenheit, als Depositenbankiers,
große und kleine Kapitalisten, Geldmittel zur Benutzung auf Wechsel hin dar¬
bieten oder sonst spekuliren wollten. Ganz wie auf unseren Börsen, welche
Finanziers, und Börsianer von Fach mit Spekulanten aller Art ohne Unterschied
^s Standes, des Vermögens und der Ehrlichkeit, in ihren Prachtsälen trau¬
lich, manchmal auch nicht traulich, vereinen.

Unter der Jurisdiktion der Genueser Meßobrigkeit, dem Konsul und zwei


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[0497] Dort konnte man mit Hülfe von Sensalen, und Mäklern Wechsel jeder Art be¬ kommen und anbringen. Mit Stolz beschreiben die Genueser den Reichthum ihrer Stadt, der aus dem Wechselgeschäft sich täglich vermehrte, die Thätigkeit der Bürger, von denen ein jeder, sogar mit rechtlicher Wirkung, als Kauf¬ mann galt, weil in Zubio jeder mindestens am Wechselgeschäft, sei es auch nur durch Depositen bei einem Bankier oder als Aktionär der großen Se. Georgs-Bank, betheiligt erschien. Schlagen wir die Entscheidungen der rota, des Gerichtshofes von Genua oder von Rom in Wechselsachen auf, so flößen uns die Summen, um die prozessirt wurde, in der That keine geringe Mei¬ nung von dem Betriebe der italienischen Handelsherren ein, welche sehr vor¬ nehme altadlige Geschlechter in ihren Reihen zählen. — Bei Weitem die meisten Wechsel jener Zeit waren Meßwechsel. Zwar gab es auch solche, die nicht auf die Messe liefen; allein diese bildeten entschieden die Ausnahme und Minderzahl. Die Summe des Wechselumsatzes für eine einzige Quartalsmesse wird um 1620 auf etwa 16 Millionen Duka¬ ten angegeben. Man sieht zugleich, daß der Stadt Genua, indem sie, wie jetzt das deutsche Reich, eine Steuer von allen inländischen Wechseln erhob, und zwar mit Vio Prozent, eine stattliche Revenue erwuchs. Zum Meßver¬ kehr zugelassen war jeder Geschäftsmann, wenn er eine liomus ac corto, eine verantwortliche Abrechnungsstelle, auf der Messe hatte, nach Hinterlegung einer Kaution von 2000 Scudi. Gegen doppelte Kaution und nach vorgängiger In-Pflichtnahme durfte er auch an der Kursregulirung, von der ich sogleich reden werde, Theil nehmen. Natürlich bildeten die gewerbsmäßigen Bankiers das Hauptkontingent. Sie hatten von früher her das Wechselgeschäft in Händen und durch ihre Geschäftsverbindungen eine Uebermacht, die an das Monopol streifte. Es gibt uns einen kleinen Begriff von ihrer Stellung, wenn uns Raphael da Tueri bewundernd mittheilt, daß der Geruche Ottavio Centurione der spani¬ schen Regierung auf einem Brette 110 Millionen Dukaten nach den Nieder¬ landen disponirt habe. Immer noch genug selbst dann, wenn man, der keineswegs sicheren Vermuthung Wieners Raum verstattend, annehmen will, daß sich Raphael um eine Null geirrt. — Indessen erschienen auch auf der Messe andere Leute in Menge; auch solche, die nicht an dem Abrechnungsge¬ schäft Theil nahmen, die vielmehr je nach Gelegenheit, als Depositenbankiers, große und kleine Kapitalisten, Geldmittel zur Benutzung auf Wechsel hin dar¬ bieten oder sonst spekuliren wollten. Ganz wie auf unseren Börsen, welche Finanziers, und Börsianer von Fach mit Spekulanten aller Art ohne Unterschied ^s Standes, des Vermögens und der Ehrlichkeit, in ihren Prachtsälen trau¬ lich, manchmal auch nicht traulich, vereinen. Unter der Jurisdiktion der Genueser Meßobrigkeit, dem Konsul und zwei Grenzboten 1873. I. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/497>, abgerufen am 24.08.2024.