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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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kanonischen Rechtfertigung willen. Sämmtlich knüpfen sie an den reellen
Umtausch verschiedener Münzsorten an. Worin bestand der Wechsel anders,
als das Jemand Geld einzahlte, um an einem anderen Orte eine bestimmte
SummeKauf den Brief hin zu erhalten? Also ein Umtausch, wie man sich
ausdrückte, gegenwärtigen Geldes gegen abwesendes, d. h. erst zu empfangen¬
des. War dem so, dann erschien es mit gleichem Fuge, wie bei dem reellen
Geldumwechseln, erlaubt, auch aus dem Wechsel, der die Zahlung anderswo
verschaft, Gewinn einzustreichen. Der Bankier, den man eben deshalb immer
als Wechselgeber dachte, leistete durch den Wechsel dasselbe, wie wenn er das
Geld an den fremden Ort hinschaffte und dort dem Wechselnehmer aufzählte.
Auch hier war also lohnwürdige Arbeit, indem sich ein eingebildeter Trans¬
port vollzog. Spesen und Provision durften sicher Billigung finden. Allein
welcher Bankier hätte sich blos mit diesem Lohn begnügt? Viel wichtiger als
dieser, war der Gewinn, bestehend in so oder soviel Prozenten der Wechsel¬
summe, die der Bankier aus dem Verhältniß der zu zahlenden gegenüber der
empfangenen Summe zu machen beabsichtigte und wirklich machte. Wie
war das zu rechtfertigen?

Dazu mußte die Idee des Umtausches von Geld gegen Geld das beste
thun; und deshalb wurde ursprünglich neben dem Erforderniß einer Orts¬
differenz im Wechsel zugleich eine Verschiedenheit der Münzsorte zwischen der
eingezahlten und der auszuzahlenden Summe gefordert. Durch den Platz¬
wechsel, der sich nur an dem nämlichen Orte bewegte, von Straße zu Straße,
vollzog sich kein fingirter Transport; wo die nämliche Münzsorte war,
schmeckte die Differenz zwischen Geben und Nehmen doch allzuarg nach Dar-
lehnsprozenten, also nach Wucher.

Erst die Möglichkeit solchen Gewinns aber machte das Wechselgeschäft
bedeutend, zu einem einträglichen Gewerbe. War aber einmal der Gewinn
gestattet, so leuchtet ein, daß das Anweisungsgeschäft, noch wichtiger werden
mußte, als das nutzbringende Ein- und Auswechseln der reellen Münze.
Welche Chancen, welchen Reiz mußte es haben, sich dem Wechsel zuzuwenden,
in einem Zeitalter, das Zinsen und Dividenden mit den härtesten Strafen
bedrohte. Kein Wunder, daß den Bankiers auch fremde Kapitalien als so¬
genannte Accomenden zuströmten, gelockt durch die Aussicht auf Theilnahme
an dem Gewinn des Wechselgeschäfts, dessen Betrieb geraume Zeit hindurch
sicher keinen ebenbürtigen Konkurrenten hatte; das bald die ganze Welt er¬
füllte , zu der Gründung und Ausbildung vieler Banken beitrug, den Begriff
des Geldes umgestalten und schließlich die ganze Wucherlehre stürzen half.

Das wahre Wesen des Wechsels, gerade in diesem Sinne, wird nun weit
über die frühere Zeit hinaus, durch die Messen zur Erscheinung gebracht.
Centralpunkte großer Märkte warm für den Waarenhandel des Mittelalteixs.


kanonischen Rechtfertigung willen. Sämmtlich knüpfen sie an den reellen
Umtausch verschiedener Münzsorten an. Worin bestand der Wechsel anders,
als das Jemand Geld einzahlte, um an einem anderen Orte eine bestimmte
SummeKauf den Brief hin zu erhalten? Also ein Umtausch, wie man sich
ausdrückte, gegenwärtigen Geldes gegen abwesendes, d. h. erst zu empfangen¬
des. War dem so, dann erschien es mit gleichem Fuge, wie bei dem reellen
Geldumwechseln, erlaubt, auch aus dem Wechsel, der die Zahlung anderswo
verschaft, Gewinn einzustreichen. Der Bankier, den man eben deshalb immer
als Wechselgeber dachte, leistete durch den Wechsel dasselbe, wie wenn er das
Geld an den fremden Ort hinschaffte und dort dem Wechselnehmer aufzählte.
Auch hier war also lohnwürdige Arbeit, indem sich ein eingebildeter Trans¬
port vollzog. Spesen und Provision durften sicher Billigung finden. Allein
welcher Bankier hätte sich blos mit diesem Lohn begnügt? Viel wichtiger als
dieser, war der Gewinn, bestehend in so oder soviel Prozenten der Wechsel¬
summe, die der Bankier aus dem Verhältniß der zu zahlenden gegenüber der
empfangenen Summe zu machen beabsichtigte und wirklich machte. Wie
war das zu rechtfertigen?

Dazu mußte die Idee des Umtausches von Geld gegen Geld das beste
thun; und deshalb wurde ursprünglich neben dem Erforderniß einer Orts¬
differenz im Wechsel zugleich eine Verschiedenheit der Münzsorte zwischen der
eingezahlten und der auszuzahlenden Summe gefordert. Durch den Platz¬
wechsel, der sich nur an dem nämlichen Orte bewegte, von Straße zu Straße,
vollzog sich kein fingirter Transport; wo die nämliche Münzsorte war,
schmeckte die Differenz zwischen Geben und Nehmen doch allzuarg nach Dar-
lehnsprozenten, also nach Wucher.

Erst die Möglichkeit solchen Gewinns aber machte das Wechselgeschäft
bedeutend, zu einem einträglichen Gewerbe. War aber einmal der Gewinn
gestattet, so leuchtet ein, daß das Anweisungsgeschäft, noch wichtiger werden
mußte, als das nutzbringende Ein- und Auswechseln der reellen Münze.
Welche Chancen, welchen Reiz mußte es haben, sich dem Wechsel zuzuwenden,
in einem Zeitalter, das Zinsen und Dividenden mit den härtesten Strafen
bedrohte. Kein Wunder, daß den Bankiers auch fremde Kapitalien als so¬
genannte Accomenden zuströmten, gelockt durch die Aussicht auf Theilnahme
an dem Gewinn des Wechselgeschäfts, dessen Betrieb geraume Zeit hindurch
sicher keinen ebenbürtigen Konkurrenten hatte; das bald die ganze Welt er¬
füllte , zu der Gründung und Ausbildung vieler Banken beitrug, den Begriff
des Geldes umgestalten und schließlich die ganze Wucherlehre stürzen half.

Das wahre Wesen des Wechsels, gerade in diesem Sinne, wird nun weit
über die frühere Zeit hinaus, durch die Messen zur Erscheinung gebracht.
Centralpunkte großer Märkte warm für den Waarenhandel des Mittelalteixs.


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[0494] kanonischen Rechtfertigung willen. Sämmtlich knüpfen sie an den reellen Umtausch verschiedener Münzsorten an. Worin bestand der Wechsel anders, als das Jemand Geld einzahlte, um an einem anderen Orte eine bestimmte SummeKauf den Brief hin zu erhalten? Also ein Umtausch, wie man sich ausdrückte, gegenwärtigen Geldes gegen abwesendes, d. h. erst zu empfangen¬ des. War dem so, dann erschien es mit gleichem Fuge, wie bei dem reellen Geldumwechseln, erlaubt, auch aus dem Wechsel, der die Zahlung anderswo verschaft, Gewinn einzustreichen. Der Bankier, den man eben deshalb immer als Wechselgeber dachte, leistete durch den Wechsel dasselbe, wie wenn er das Geld an den fremden Ort hinschaffte und dort dem Wechselnehmer aufzählte. Auch hier war also lohnwürdige Arbeit, indem sich ein eingebildeter Trans¬ port vollzog. Spesen und Provision durften sicher Billigung finden. Allein welcher Bankier hätte sich blos mit diesem Lohn begnügt? Viel wichtiger als dieser, war der Gewinn, bestehend in so oder soviel Prozenten der Wechsel¬ summe, die der Bankier aus dem Verhältniß der zu zahlenden gegenüber der empfangenen Summe zu machen beabsichtigte und wirklich machte. Wie war das zu rechtfertigen? Dazu mußte die Idee des Umtausches von Geld gegen Geld das beste thun; und deshalb wurde ursprünglich neben dem Erforderniß einer Orts¬ differenz im Wechsel zugleich eine Verschiedenheit der Münzsorte zwischen der eingezahlten und der auszuzahlenden Summe gefordert. Durch den Platz¬ wechsel, der sich nur an dem nämlichen Orte bewegte, von Straße zu Straße, vollzog sich kein fingirter Transport; wo die nämliche Münzsorte war, schmeckte die Differenz zwischen Geben und Nehmen doch allzuarg nach Dar- lehnsprozenten, also nach Wucher. Erst die Möglichkeit solchen Gewinns aber machte das Wechselgeschäft bedeutend, zu einem einträglichen Gewerbe. War aber einmal der Gewinn gestattet, so leuchtet ein, daß das Anweisungsgeschäft, noch wichtiger werden mußte, als das nutzbringende Ein- und Auswechseln der reellen Münze. Welche Chancen, welchen Reiz mußte es haben, sich dem Wechsel zuzuwenden, in einem Zeitalter, das Zinsen und Dividenden mit den härtesten Strafen bedrohte. Kein Wunder, daß den Bankiers auch fremde Kapitalien als so¬ genannte Accomenden zuströmten, gelockt durch die Aussicht auf Theilnahme an dem Gewinn des Wechselgeschäfts, dessen Betrieb geraume Zeit hindurch sicher keinen ebenbürtigen Konkurrenten hatte; das bald die ganze Welt er¬ füllte , zu der Gründung und Ausbildung vieler Banken beitrug, den Begriff des Geldes umgestalten und schließlich die ganze Wucherlehre stürzen half. Das wahre Wesen des Wechsels, gerade in diesem Sinne, wird nun weit über die frühere Zeit hinaus, durch die Messen zur Erscheinung gebracht. Centralpunkte großer Märkte warm für den Waarenhandel des Mittelalteixs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/494>, abgerufen am 24.08.2024.