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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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einem Wechsel auf Bologna ausgestattet. Vermuthlich schreibt sich von da
ab der bekannte Brauch, nach dem der Student so gern von seinem Wechsel
, spricht, -- selbst wenn der gütige Geber des sogenannten Wechsels jetzt den
bequemeren Weg der Geldbriefsendung oder der Postanweisung vorzieht. --
Trotz der geringen Zahl der erhaltenen einzelnen Wechselbeispiele wissen wir
aus anderen Quellen, daß im 13., vollends im 14. Jahrhundert der Wechsel¬
verkehr schon lebhaft war. Ein Privileg der Hanseaten für Antwerpen von
1315 verleiht ausdrücklich auch die Konzession zum Wechselgeschäft. Englische
Verordnungen aus derselben Zeit bringen den Wechselbetrieb in Verbindung
mit dem Verbot, baares Geld außer Land zu führen. Geldsendungen der
Kirchen und Klöster nach Rom, Rimessen von Rom nach auswärts, z, B.
an päpstliche Nuncien, eine Subvention, die der päpstliche Stuhl 1246 dem
Landgrafen Heinrich Kasper zahlbar Frankfurt, leistete, fanden ihre Ver¬
mittlung durch Wechsel oder wechselähnliche Anweisung. Wenn auch im In¬
nern Deutschlands offenbar noch wenig in Gebrauch, war doch in den roma¬
nischen Ländern und an den Seeküsten der Wechsel bereits wohl bekannt. Zu
der Verbreitung trugen sicher die italienischen Wechsler, die überall ansässig
waren, viel bei. In stolzen Korporationen vereinigt, reich und daher viel¬
vermögend, mit großen Privilegien ausgestattet, hatten sie an allen Haupt¬
handelsplätzen ihre Häuser oder Filialcomtoire gegründet. Noch heute er¬
innert z. B. zu London, der Name der Lombardstreet an die einst hochange¬
sehenen lombardischen Bankiers. Sie beherrschten so gut wie unumschränkt
den Geldmarkt. Die Anleihen der Könige, Fürsten und Großen liefen
durch ihre Hände, nicht minder die meisten Geldgeschäfte der Kaufleute
und Privaten.

Gleichwohl wäre es irrig, allein ihnen und ihrer überlegten
Kunst die Ausbildung des Wechsels zuzuschreiben. Was sie thaten, thaten
sie den Impulsen folgend, die mit zwingender Gewalt in den Zuständen des
Verkehrs gelegen waren. -- Der Handel war kräftig aufgeblüht. Die Kreuz¬
züge hatten, dem Abendlande für die Opfer an Gut und Menschen, wichtige
Verkehrsverbindungen mit dem Orient gebracht. Für die Rührigkeit insbe¬
sondere der Italiener legen ihre zahlreichen Handelskolonieen in Nah und
Fern Zeugniß ab. Von den Häfen des Mittelmeeres, dann auch der nörd¬
lichen Küsten durchströmte eine neue Güterbewegung das westliche und mitt¬
lere Europa. Zahlungen von und nach fremden Plätzen wurden immer häu¬
figer; mithin das Bedürfniß möglichst leichter und sicherer Uebermittelung im¬
mer größer. Das gemünzte Geld an den Ort, wo man seiner bedürfte, mit¬
nehmen oder hinsenden, war nach den damaligen Kommunikationsverhältnissen
mindestens höchst mühselig und gefährlich, oft schlechthin unmöglich. Mit
>Mfe der Anweisungen und des gut organisirten Wechslergeschäftes, war das


einem Wechsel auf Bologna ausgestattet. Vermuthlich schreibt sich von da
ab der bekannte Brauch, nach dem der Student so gern von seinem Wechsel
, spricht, — selbst wenn der gütige Geber des sogenannten Wechsels jetzt den
bequemeren Weg der Geldbriefsendung oder der Postanweisung vorzieht. —
Trotz der geringen Zahl der erhaltenen einzelnen Wechselbeispiele wissen wir
aus anderen Quellen, daß im 13., vollends im 14. Jahrhundert der Wechsel¬
verkehr schon lebhaft war. Ein Privileg der Hanseaten für Antwerpen von
1315 verleiht ausdrücklich auch die Konzession zum Wechselgeschäft. Englische
Verordnungen aus derselben Zeit bringen den Wechselbetrieb in Verbindung
mit dem Verbot, baares Geld außer Land zu führen. Geldsendungen der
Kirchen und Klöster nach Rom, Rimessen von Rom nach auswärts, z, B.
an päpstliche Nuncien, eine Subvention, die der päpstliche Stuhl 1246 dem
Landgrafen Heinrich Kasper zahlbar Frankfurt, leistete, fanden ihre Ver¬
mittlung durch Wechsel oder wechselähnliche Anweisung. Wenn auch im In¬
nern Deutschlands offenbar noch wenig in Gebrauch, war doch in den roma¬
nischen Ländern und an den Seeküsten der Wechsel bereits wohl bekannt. Zu
der Verbreitung trugen sicher die italienischen Wechsler, die überall ansässig
waren, viel bei. In stolzen Korporationen vereinigt, reich und daher viel¬
vermögend, mit großen Privilegien ausgestattet, hatten sie an allen Haupt¬
handelsplätzen ihre Häuser oder Filialcomtoire gegründet. Noch heute er¬
innert z. B. zu London, der Name der Lombardstreet an die einst hochange¬
sehenen lombardischen Bankiers. Sie beherrschten so gut wie unumschränkt
den Geldmarkt. Die Anleihen der Könige, Fürsten und Großen liefen
durch ihre Hände, nicht minder die meisten Geldgeschäfte der Kaufleute
und Privaten.

Gleichwohl wäre es irrig, allein ihnen und ihrer überlegten
Kunst die Ausbildung des Wechsels zuzuschreiben. Was sie thaten, thaten
sie den Impulsen folgend, die mit zwingender Gewalt in den Zuständen des
Verkehrs gelegen waren. — Der Handel war kräftig aufgeblüht. Die Kreuz¬
züge hatten, dem Abendlande für die Opfer an Gut und Menschen, wichtige
Verkehrsverbindungen mit dem Orient gebracht. Für die Rührigkeit insbe¬
sondere der Italiener legen ihre zahlreichen Handelskolonieen in Nah und
Fern Zeugniß ab. Von den Häfen des Mittelmeeres, dann auch der nörd¬
lichen Küsten durchströmte eine neue Güterbewegung das westliche und mitt¬
lere Europa. Zahlungen von und nach fremden Plätzen wurden immer häu¬
figer; mithin das Bedürfniß möglichst leichter und sicherer Uebermittelung im¬
mer größer. Das gemünzte Geld an den Ort, wo man seiner bedürfte, mit¬
nehmen oder hinsenden, war nach den damaligen Kommunikationsverhältnissen
mindestens höchst mühselig und gefährlich, oft schlechthin unmöglich. Mit
>Mfe der Anweisungen und des gut organisirten Wechslergeschäftes, war das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/491>, abgerufen am 24.08.2024.