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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Dom preußischen Landtag.

In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 7. März begann die Ein¬
zelberathung der vier kirchlichen Vorlagen. Den Anfang machte der Gesetz¬
entwurf über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Die Abände¬
rungen, welche die Commission zu dem Regierungsentwurf vorgeschlagen, sind
durchaus nicht grundsätzlicher, sondern nur technischer und redactioneller Natur.

Es ist nachgerade ein Gemeinplatz geworden, daß bei diesen Verhand¬
lungen nichts Neues mehr gesagt werden könne. Uns will zuweilen bedünken,
als wäre das Wichtigste noch gar nicht gesagt. Jener Gemeinplatz aber kommt
wohl daher, weil in der That die Verhandlungen bis jetzt so viele Wieder¬
holungen zeigen. In der Verhandlung vom 7. März, kam nach manchen
Wiederholungen des früher Gesagten die Bestimmung des vorliegenden Gesetz¬
entwurfes zur Sprache, daß zur Bekleidung eines geistlichen Amtes in Zukunft
erforderlich sein soll, außer dem Abiturientenzeugnisse eines deutschen Gymna¬
siums die Zurücklegung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer
deutschen Staatsuniversität, sowie die Ablegung einer wissenschaftlichen Staats¬
prüfung. Der Leser erinnert sich aus der früher hier gegebenen Analyse des
Gesetzentwurfs, daß Knabenseminare und Knabenconvicte zur Vorbildung von
Geistlichen nicht mehr errichtet werden sollen. Dagegen verbietet das neue
Gesetz nicht die Einrichtung von Priesterseminaren, nur daß die Seminarbil¬
dung ergänzt werden soll, sei es vor, sei es nach dem Seminarbesuch, durch
ein dreijähriges akademisches Studium. Der Gesetzentwurf verbietet ausdrück¬
lich , daß während des akademischen Studiums ein Seminar besucht werde.
Diese Bestimmungen wurden von verschiedenen Rednern des Centrums sehr
hart gefunden, wegen der pecuniären Opfer, die sie den Aspiranten des geist¬
lichen Amtes auflegen. Die Redner meinten, daß viele Söhne unbemittelter
Eltern das theologische Studium nur ergreifen könnten, weil sie auf den
Knabenconvicten und später auf den Priesterseminaren die nöthigen Hülfs¬
mittel fänden. Die Forderung, außerhalb dieses Bildungsganges noch drei
Jahre aus einer Universität zuzubringen, gefährde die Sitten der Aspiranten
im versuchungsfähigsten Alter und erschwere die Wahl des theologischen Stu¬
diums durch das unnöthigerweise auferlegte materielle Opfer.

Dagegen ist wohl nun leicht darzuthun, daß für unbemittelte junge
Männer durch die Kirche und durch einzelne Gläubige akademische Stipendien
gestiftet werden können und daß die nicht abzuleugnende Erschwerung des
theologischen Studiums, welche durch das Erforderniß des akademischen Trien-
niums herbeigeführt wird, für den Staat unumgänglich bleibt als Bürgschaft,


Dom preußischen Landtag.

In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 7. März begann die Ein¬
zelberathung der vier kirchlichen Vorlagen. Den Anfang machte der Gesetz¬
entwurf über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Die Abände¬
rungen, welche die Commission zu dem Regierungsentwurf vorgeschlagen, sind
durchaus nicht grundsätzlicher, sondern nur technischer und redactioneller Natur.

Es ist nachgerade ein Gemeinplatz geworden, daß bei diesen Verhand¬
lungen nichts Neues mehr gesagt werden könne. Uns will zuweilen bedünken,
als wäre das Wichtigste noch gar nicht gesagt. Jener Gemeinplatz aber kommt
wohl daher, weil in der That die Verhandlungen bis jetzt so viele Wieder¬
holungen zeigen. In der Verhandlung vom 7. März, kam nach manchen
Wiederholungen des früher Gesagten die Bestimmung des vorliegenden Gesetz¬
entwurfes zur Sprache, daß zur Bekleidung eines geistlichen Amtes in Zukunft
erforderlich sein soll, außer dem Abiturientenzeugnisse eines deutschen Gymna¬
siums die Zurücklegung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer
deutschen Staatsuniversität, sowie die Ablegung einer wissenschaftlichen Staats¬
prüfung. Der Leser erinnert sich aus der früher hier gegebenen Analyse des
Gesetzentwurfs, daß Knabenseminare und Knabenconvicte zur Vorbildung von
Geistlichen nicht mehr errichtet werden sollen. Dagegen verbietet das neue
Gesetz nicht die Einrichtung von Priesterseminaren, nur daß die Seminarbil¬
dung ergänzt werden soll, sei es vor, sei es nach dem Seminarbesuch, durch
ein dreijähriges akademisches Studium. Der Gesetzentwurf verbietet ausdrück¬
lich , daß während des akademischen Studiums ein Seminar besucht werde.
Diese Bestimmungen wurden von verschiedenen Rednern des Centrums sehr
hart gefunden, wegen der pecuniären Opfer, die sie den Aspiranten des geist¬
lichen Amtes auflegen. Die Redner meinten, daß viele Söhne unbemittelter
Eltern das theologische Studium nur ergreifen könnten, weil sie auf den
Knabenconvicten und später auf den Priesterseminaren die nöthigen Hülfs¬
mittel fänden. Die Forderung, außerhalb dieses Bildungsganges noch drei
Jahre aus einer Universität zuzubringen, gefährde die Sitten der Aspiranten
im versuchungsfähigsten Alter und erschwere die Wahl des theologischen Stu¬
diums durch das unnöthigerweise auferlegte materielle Opfer.

Dagegen ist wohl nun leicht darzuthun, daß für unbemittelte junge
Männer durch die Kirche und durch einzelne Gläubige akademische Stipendien
gestiftet werden können und daß die nicht abzuleugnende Erschwerung des
theologischen Studiums, welche durch das Erforderniß des akademischen Trien-
niums herbeigeführt wird, für den Staat unumgänglich bleibt als Bürgschaft,


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[0477] Dom preußischen Landtag. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 7. März begann die Ein¬ zelberathung der vier kirchlichen Vorlagen. Den Anfang machte der Gesetz¬ entwurf über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Die Abände¬ rungen, welche die Commission zu dem Regierungsentwurf vorgeschlagen, sind durchaus nicht grundsätzlicher, sondern nur technischer und redactioneller Natur. Es ist nachgerade ein Gemeinplatz geworden, daß bei diesen Verhand¬ lungen nichts Neues mehr gesagt werden könne. Uns will zuweilen bedünken, als wäre das Wichtigste noch gar nicht gesagt. Jener Gemeinplatz aber kommt wohl daher, weil in der That die Verhandlungen bis jetzt so viele Wieder¬ holungen zeigen. In der Verhandlung vom 7. März, kam nach manchen Wiederholungen des früher Gesagten die Bestimmung des vorliegenden Gesetz¬ entwurfes zur Sprache, daß zur Bekleidung eines geistlichen Amtes in Zukunft erforderlich sein soll, außer dem Abiturientenzeugnisse eines deutschen Gymna¬ siums die Zurücklegung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer deutschen Staatsuniversität, sowie die Ablegung einer wissenschaftlichen Staats¬ prüfung. Der Leser erinnert sich aus der früher hier gegebenen Analyse des Gesetzentwurfs, daß Knabenseminare und Knabenconvicte zur Vorbildung von Geistlichen nicht mehr errichtet werden sollen. Dagegen verbietet das neue Gesetz nicht die Einrichtung von Priesterseminaren, nur daß die Seminarbil¬ dung ergänzt werden soll, sei es vor, sei es nach dem Seminarbesuch, durch ein dreijähriges akademisches Studium. Der Gesetzentwurf verbietet ausdrück¬ lich , daß während des akademischen Studiums ein Seminar besucht werde. Diese Bestimmungen wurden von verschiedenen Rednern des Centrums sehr hart gefunden, wegen der pecuniären Opfer, die sie den Aspiranten des geist¬ lichen Amtes auflegen. Die Redner meinten, daß viele Söhne unbemittelter Eltern das theologische Studium nur ergreifen könnten, weil sie auf den Knabenconvicten und später auf den Priesterseminaren die nöthigen Hülfs¬ mittel fänden. Die Forderung, außerhalb dieses Bildungsganges noch drei Jahre aus einer Universität zuzubringen, gefährde die Sitten der Aspiranten im versuchungsfähigsten Alter und erschwere die Wahl des theologischen Stu¬ diums durch das unnöthigerweise auferlegte materielle Opfer. Dagegen ist wohl nun leicht darzuthun, daß für unbemittelte junge Männer durch die Kirche und durch einzelne Gläubige akademische Stipendien gestiftet werden können und daß die nicht abzuleugnende Erschwerung des theologischen Studiums, welche durch das Erforderniß des akademischen Trien- niums herbeigeführt wird, für den Staat unumgänglich bleibt als Bürgschaft,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/477>, abgerufen am 24.08.2024.