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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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gewiß, ob die Missionäre nicht Dänen waren. Aber da rief es schon an Land: .Das
ist die deutsche Flagge! Das sind unsre Landsleute, willkommen, willkommen in
Grönland!" In der That war es ein deutsches, ein im besten Sinne brüderliches
Willkommen, das den armen Schiffbrüchigen von den edeln Missionären Herrn
Gericke und Herrn Starick und deren Gemahlinnen geboten wurde. Freigebig
boten diese braven Menschen den schwergeprüften Landsleuten, was diese am
meisten bedurften in Fülle: Nahrung, Schuhwerk, Bäder und zum ersten
Mal wieder ein trocknes warmes Lager. Mit tiefer innerer Beschämung, aber
willenlos dem Verlangen ihres Magens preisgegeben, leerten die Seefahrer
ihrerseits am ersten Nachmittag schon zwei volle tiefe Zwiebacksschüsseln der
edeln Frau Gericke. Mit derselben reichen Gastfreundschaft wurden sie später
auf ihrer Reise nach Julianehaab (zwanzig deutsche Meilen von Friedrichs¬
thal), wo die dänische Brig Constance auf ihre Bitte ihrer wartete, im
Missionshause zu Jgdlopait von Frau Hilbig und in der Misston zu Lich-
tenau von den Familien Spindler, Warmow und Kögel erfreut.

Endlich, endlich am 3. Juli 1870 ließ der dänische Kapitän Bang, der
die deutschen Kollegen freundlich an Bord genommen hatte, in Julianehaab
die Anker lichten. Endlich ging es wieder heimwärts! Am 31. Juli war
das letzte Eis außer Sicht, dann nach fast vierwöchentlicher weiterer Fahrt
waren auch die Shetland's Inseln erreicht und ein frischer Wind trieb sie in die
Gewässer des deutschen Meeres. Aber soweit man kam, kein deutsches Segel!
Seltsam, hatte die deutsche Nation während der Abwesenheit der Hansamänner
die Seefahrt aufgegeben? Weßhalb lagen Hunderte von deutschen Fahrzeugen
auf der Rhede von Helstngör unthätig vor Anker? Da brachte der Lootse
die Kunde an Bord von den gewaltigen Ereignissen, die sich seit dem
19. Juli in Europa vollzogen hatten. Wie das von Mund zu Munde
ging! Noch nicht einmal auf heimischem Boden, hatten die Jüngeren nur
die eine Klage: "es könnte vorbei sein, ehe auch sie hinkamen, den Franzosen
eins am Zeuge zu flicken". Am 1. September war Kopenhagen erreicht und
mit Hülfe des deutschen Consuls bald leidliche Bekleidung statt der zerfetzten
Seehundshüllen gewonnen, die sie bis dahin getragen hatten.

Am 3. September, an demselben Tage, wo durch Deutschland und ganz
Europa die Kunde von der gewaltigen Entscheidungsschlacht bei Sedan flog,
betraten die Hansamänner, über Friedericta kommend, in Schleswig deutschen
Boden. Der Telegraph hatte ihre Ankunft bereits verkündet. Ueberall fest¬
liches Flaggen. Abends leuchtete und flammte es in allen Städten und
Städtchen, die sie berührten, und in Hamburg trafen sie gerade noch recht¬
zeitig ein, um Zeugen der großen Siegesillumination zu sein, und so wie im
Triumph das Vaterland begrüßen zu können.




gewiß, ob die Missionäre nicht Dänen waren. Aber da rief es schon an Land: .Das
ist die deutsche Flagge! Das sind unsre Landsleute, willkommen, willkommen in
Grönland!" In der That war es ein deutsches, ein im besten Sinne brüderliches
Willkommen, das den armen Schiffbrüchigen von den edeln Missionären Herrn
Gericke und Herrn Starick und deren Gemahlinnen geboten wurde. Freigebig
boten diese braven Menschen den schwergeprüften Landsleuten, was diese am
meisten bedurften in Fülle: Nahrung, Schuhwerk, Bäder und zum ersten
Mal wieder ein trocknes warmes Lager. Mit tiefer innerer Beschämung, aber
willenlos dem Verlangen ihres Magens preisgegeben, leerten die Seefahrer
ihrerseits am ersten Nachmittag schon zwei volle tiefe Zwiebacksschüsseln der
edeln Frau Gericke. Mit derselben reichen Gastfreundschaft wurden sie später
auf ihrer Reise nach Julianehaab (zwanzig deutsche Meilen von Friedrichs¬
thal), wo die dänische Brig Constance auf ihre Bitte ihrer wartete, im
Missionshause zu Jgdlopait von Frau Hilbig und in der Misston zu Lich-
tenau von den Familien Spindler, Warmow und Kögel erfreut.

Endlich, endlich am 3. Juli 1870 ließ der dänische Kapitän Bang, der
die deutschen Kollegen freundlich an Bord genommen hatte, in Julianehaab
die Anker lichten. Endlich ging es wieder heimwärts! Am 31. Juli war
das letzte Eis außer Sicht, dann nach fast vierwöchentlicher weiterer Fahrt
waren auch die Shetland's Inseln erreicht und ein frischer Wind trieb sie in die
Gewässer des deutschen Meeres. Aber soweit man kam, kein deutsches Segel!
Seltsam, hatte die deutsche Nation während der Abwesenheit der Hansamänner
die Seefahrt aufgegeben? Weßhalb lagen Hunderte von deutschen Fahrzeugen
auf der Rhede von Helstngör unthätig vor Anker? Da brachte der Lootse
die Kunde an Bord von den gewaltigen Ereignissen, die sich seit dem
19. Juli in Europa vollzogen hatten. Wie das von Mund zu Munde
ging! Noch nicht einmal auf heimischem Boden, hatten die Jüngeren nur
die eine Klage: „es könnte vorbei sein, ehe auch sie hinkamen, den Franzosen
eins am Zeuge zu flicken". Am 1. September war Kopenhagen erreicht und
mit Hülfe des deutschen Consuls bald leidliche Bekleidung statt der zerfetzten
Seehundshüllen gewonnen, die sie bis dahin getragen hatten.

Am 3. September, an demselben Tage, wo durch Deutschland und ganz
Europa die Kunde von der gewaltigen Entscheidungsschlacht bei Sedan flog,
betraten die Hansamänner, über Friedericta kommend, in Schleswig deutschen
Boden. Der Telegraph hatte ihre Ankunft bereits verkündet. Ueberall fest¬
liches Flaggen. Abends leuchtete und flammte es in allen Städten und
Städtchen, die sie berührten, und in Hamburg trafen sie gerade noch recht¬
zeitig ein, um Zeugen der großen Siegesillumination zu sein, und so wie im
Triumph das Vaterland begrüßen zu können.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/472>, abgerufen am 24.08.2024.