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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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und bereitete ihm darin ein Lager von Hobelspänen. Er aber verschmähte
diese Verweichlichung campirte im Freien, brannte mit seiner schweren Kette
durch und ist mit ihr wahrscheinlich im Meere ertrunken. Auch Fuchsbraten
von weißen Füchsen wurde probirt und sehr schmackhaft befunden. Neben
der nobeln Passion der Jagd boten Schlittschuhfahrten, Ballspiel bei 12°
Kälte und Ereursionen unsern Eisfahrern mannigfachen Anlaß zur Erhal¬
tung ihres seemännischen Humors. Hiervon zeugen auch die Namen, welche
die hervorragendsten Eisberge rings um die eingefrorene Hansa erhielten.
Da gab es den "Teufelsbanner", "das Brandenburger Thor", den "Berg
Sinai," u. s. w.

Aber immer ernster drängte sich die Frage auf, wie man sich im Falle
des Verlustes des Schiffes in den Eispressungen und Schraubungen, die zu
erwarten standen, am besten gegen die schweren Gefahren einer Ueberwinterung
schützen solle. Eine Benutzung der drei Böte zu diesem Zwecke war nur im
äußersten Falle rathsam. Ihre Segelbedachung schützte nur unzureichend
gegen Sturm, Kälte, und die oft wochenlang unaufhörlich herabwirbelnden
Schneemassen. Wie sollte man sich da die unentbehrliche warme Nahrung
verschaffen? Man mußte also auf die Herstellung eines Winterhauses auf
dem Eise Bedacht nehmen, in das man flüchtete, wenn die Hansa Noth litt
Unverzüglich wurde zu diesem Bau geschritten. Als Backsteine boten sich die
vorhandenen Kohlenziegel, ein treffliches Baumaterial, da sie die Feuchtigkeit
aufnahmen und die Wärme in dem inneren Raume zurückhielten. Wasser
und Schnee waren der Mörtel. Als Dach nahm man das Schneedach der
Hansa, beim Verlust des Schiffes, in Aussicht. Die "Hoffnung" und der
"Bismarck" wurden klar gemacht, unter Schneezelten geborgen, und mit
Proviant versehen. Für das Kohlenhaus wurde etwa 460 Schritte vom
Schiff eine bruchfreie feste Stelle ersehen und seine Größe auf 20 Fuß Länge,
14 Fuß Breite und 6'/-, Fuß Höhe im Giebel, bei 4 Fuß 8 Zoll der Seiten¬
wände bestimmt. Vom 27. September bis 3. October wurde der ganze Bau
vollendet. Ein Brunnen nahebei in's Eis gehauen, lieferte das schönste süße
Wasser und das beste Bindemittel. Fugen und Ritzen, mit feinem Schnee
bestreut, und mit Wasser begossen, froren in zehn Minuten zu der compac-
testen Masse. Die Dachbekleidung wurde vorläufig durch Segeltuch und
Schilfmatten, die sich zufällig noch von der letzten westindischen Reise der
Hansa an Bord fanden, die Dachlatten durch Spieren und Faßstäbe herge¬
stellt. Aufgestreuter Schnee gab Dichtigkeit und Halt. Dann wurde das
Haus mit Proviant auf zwei Monate versehen.

Das Kohlenhaus war zur guten Stunde vollendet worden, denn schon
am 7. October begannen schwere Pressungen im Eise, zu denen die folgenden
fünf Tage ein Schneetreiben hinzutrat, welches Haus und Schiff vollständig


und bereitete ihm darin ein Lager von Hobelspänen. Er aber verschmähte
diese Verweichlichung campirte im Freien, brannte mit seiner schweren Kette
durch und ist mit ihr wahrscheinlich im Meere ertrunken. Auch Fuchsbraten
von weißen Füchsen wurde probirt und sehr schmackhaft befunden. Neben
der nobeln Passion der Jagd boten Schlittschuhfahrten, Ballspiel bei 12°
Kälte und Ereursionen unsern Eisfahrern mannigfachen Anlaß zur Erhal¬
tung ihres seemännischen Humors. Hiervon zeugen auch die Namen, welche
die hervorragendsten Eisberge rings um die eingefrorene Hansa erhielten.
Da gab es den „Teufelsbanner", „das Brandenburger Thor", den „Berg
Sinai," u. s. w.

Aber immer ernster drängte sich die Frage auf, wie man sich im Falle
des Verlustes des Schiffes in den Eispressungen und Schraubungen, die zu
erwarten standen, am besten gegen die schweren Gefahren einer Ueberwinterung
schützen solle. Eine Benutzung der drei Böte zu diesem Zwecke war nur im
äußersten Falle rathsam. Ihre Segelbedachung schützte nur unzureichend
gegen Sturm, Kälte, und die oft wochenlang unaufhörlich herabwirbelnden
Schneemassen. Wie sollte man sich da die unentbehrliche warme Nahrung
verschaffen? Man mußte also auf die Herstellung eines Winterhauses auf
dem Eise Bedacht nehmen, in das man flüchtete, wenn die Hansa Noth litt
Unverzüglich wurde zu diesem Bau geschritten. Als Backsteine boten sich die
vorhandenen Kohlenziegel, ein treffliches Baumaterial, da sie die Feuchtigkeit
aufnahmen und die Wärme in dem inneren Raume zurückhielten. Wasser
und Schnee waren der Mörtel. Als Dach nahm man das Schneedach der
Hansa, beim Verlust des Schiffes, in Aussicht. Die „Hoffnung" und der
„Bismarck" wurden klar gemacht, unter Schneezelten geborgen, und mit
Proviant versehen. Für das Kohlenhaus wurde etwa 460 Schritte vom
Schiff eine bruchfreie feste Stelle ersehen und seine Größe auf 20 Fuß Länge,
14 Fuß Breite und 6'/-, Fuß Höhe im Giebel, bei 4 Fuß 8 Zoll der Seiten¬
wände bestimmt. Vom 27. September bis 3. October wurde der ganze Bau
vollendet. Ein Brunnen nahebei in's Eis gehauen, lieferte das schönste süße
Wasser und das beste Bindemittel. Fugen und Ritzen, mit feinem Schnee
bestreut, und mit Wasser begossen, froren in zehn Minuten zu der compac-
testen Masse. Die Dachbekleidung wurde vorläufig durch Segeltuch und
Schilfmatten, die sich zufällig noch von der letzten westindischen Reise der
Hansa an Bord fanden, die Dachlatten durch Spieren und Faßstäbe herge¬
stellt. Aufgestreuter Schnee gab Dichtigkeit und Halt. Dann wurde das
Haus mit Proviant auf zwei Monate versehen.

Das Kohlenhaus war zur guten Stunde vollendet worden, denn schon
am 7. October begannen schwere Pressungen im Eise, zu denen die folgenden
fünf Tage ein Schneetreiben hinzutrat, welches Haus und Schiff vollständig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/463>, abgerufen am 24.08.2024.