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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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weniger übel nehmen, wenn diese ein Pfand in der Hand haben will, das sie
gegen später zu fordernde Sicherheiten mit einigem Erfolg als Tausch an¬
bieten kann.*) Das Abgeordnetenhaus nahm natürlich die Abschaffung der
Zeitungssteuer an, obwohl das Gesetz ohne die Zustimmung der Regierung
keine Aussicht aus Annahme im Herrenhaus hat.

Am 9. März wurde das Steuerreformgesetz in der dritten Berathung
bestätigt, bei dem Mahl- und Schlachtsteuergesetz dagegen der Paragraph,
welcher die Erhebung der untersten Stufen der Klassensteuer für Berlin even¬
tuell durch ein von der Stadt zu zählendes Aversum ersetzt, abgelehnt. In
Folge dieser Aenderung muß über das Gesetz im Ganzen nochmals in einer
spätern Sitzung abgestimmt werden, und es ist die Frage, ob dasselbe nun
schließlich die Majorität behält. In derselben Sitzung begann die zweite Be¬
rathung der ersten der kirchlichen Vorlagen: über die Vorbildung und An¬
stellung der Geistlichen. Die Arbeit der Commission, welche bei der ersten
Berathung eingesetzt worden, lag vor. Des Zusammenhangs wegen verspare
ich aber den Bericht über diese noch nicht beendigte Verhandlung auf den
0--r. nächsten Brief.




Line russische Stimme gegen Deutschland.

" Was hat Europa von Deutschlands Siegen gewonnen?" So fragt die "Peters¬
burger Börsenzeitung", und beantwortet diese Frage durch zwei Artikel in
ihren Nummern vom 26. und 27. Februar d. I. Wir hatten in Ur. 7 der
"Grenzboten" vom 14. Februar eine Darlegung gegeben, welchen Gewinn
Europa aus den deutschen Siegen gezogen. Wir hatten unsere Ausführung
nicht in das Gewand einer Frage gekleidet. Denn der Gewinn Europas
scheint uns gar nicht fraglich. Dieser Artikel ist es nun, welchen die "Peters¬
burger Börsenzeitung" auf das Korn nimmt. Es könnte immerhin lehrreich
sein, die Kehrseite der Medaille zu betrachten, den Gewinn, welchen Europa
von der neuen Stellung hat, abzuwägen gegen den Nachtheil. Aber manche
Dinge zeigen von allen Seiten dasselbe Antlitz; nicht jedem Gewinn steht ein
Nachtheil gegenüber. Verloren hat durch Deutschlands Siege nur Frankreich,
d. h. so lange man die Dinge äußerlich betrachtet. Ob in der sogenannten
prSponäeraneL IsZitime, welche die Franzosen fordern, ein wahrer Vortheil
für die französische Nation gelegen, das wäre erst noch zu untersuchen. Aber
wir sprachen in dem frühern Artikel gar nicht von Frankreich, sondern von
Europa, in welchem Frankreich neben den großen Gliedern der europäischen
Familie, aber nicht über ihnen steht. Und da ist der Artikel der Börsen¬
zeitung wirklich belehrend, denn er zeigt uns, daß Europa von dem, was



") Alle diese Bedenken unsres Herrn Korrespondenten berühren nicht die Nothwendigkeit
D. Red. der Aufhebung des Kalend erstempels.

weniger übel nehmen, wenn diese ein Pfand in der Hand haben will, das sie
gegen später zu fordernde Sicherheiten mit einigem Erfolg als Tausch an¬
bieten kann.*) Das Abgeordnetenhaus nahm natürlich die Abschaffung der
Zeitungssteuer an, obwohl das Gesetz ohne die Zustimmung der Regierung
keine Aussicht aus Annahme im Herrenhaus hat.

Am 9. März wurde das Steuerreformgesetz in der dritten Berathung
bestätigt, bei dem Mahl- und Schlachtsteuergesetz dagegen der Paragraph,
welcher die Erhebung der untersten Stufen der Klassensteuer für Berlin even¬
tuell durch ein von der Stadt zu zählendes Aversum ersetzt, abgelehnt. In
Folge dieser Aenderung muß über das Gesetz im Ganzen nochmals in einer
spätern Sitzung abgestimmt werden, und es ist die Frage, ob dasselbe nun
schließlich die Majorität behält. In derselben Sitzung begann die zweite Be¬
rathung der ersten der kirchlichen Vorlagen: über die Vorbildung und An¬
stellung der Geistlichen. Die Arbeit der Commission, welche bei der ersten
Berathung eingesetzt worden, lag vor. Des Zusammenhangs wegen verspare
ich aber den Bericht über diese noch nicht beendigte Verhandlung auf den
0—r. nächsten Brief.




Line russische Stimme gegen Deutschland.

„ Was hat Europa von Deutschlands Siegen gewonnen?" So fragt die „Peters¬
burger Börsenzeitung", und beantwortet diese Frage durch zwei Artikel in
ihren Nummern vom 26. und 27. Februar d. I. Wir hatten in Ur. 7 der
„Grenzboten" vom 14. Februar eine Darlegung gegeben, welchen Gewinn
Europa aus den deutschen Siegen gezogen. Wir hatten unsere Ausführung
nicht in das Gewand einer Frage gekleidet. Denn der Gewinn Europas
scheint uns gar nicht fraglich. Dieser Artikel ist es nun, welchen die „Peters¬
burger Börsenzeitung" auf das Korn nimmt. Es könnte immerhin lehrreich
sein, die Kehrseite der Medaille zu betrachten, den Gewinn, welchen Europa
von der neuen Stellung hat, abzuwägen gegen den Nachtheil. Aber manche
Dinge zeigen von allen Seiten dasselbe Antlitz; nicht jedem Gewinn steht ein
Nachtheil gegenüber. Verloren hat durch Deutschlands Siege nur Frankreich,
d. h. so lange man die Dinge äußerlich betrachtet. Ob in der sogenannten
prSponäeraneL IsZitime, welche die Franzosen fordern, ein wahrer Vortheil
für die französische Nation gelegen, das wäre erst noch zu untersuchen. Aber
wir sprachen in dem frühern Artikel gar nicht von Frankreich, sondern von
Europa, in welchem Frankreich neben den großen Gliedern der europäischen
Familie, aber nicht über ihnen steht. Und da ist der Artikel der Börsen¬
zeitung wirklich belehrend, denn er zeigt uns, daß Europa von dem, was



") Alle diese Bedenken unsres Herrn Korrespondenten berühren nicht die Nothwendigkeit
D. Red. der Aufhebung des Kalend erstempels.
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[0443] weniger übel nehmen, wenn diese ein Pfand in der Hand haben will, das sie gegen später zu fordernde Sicherheiten mit einigem Erfolg als Tausch an¬ bieten kann.*) Das Abgeordnetenhaus nahm natürlich die Abschaffung der Zeitungssteuer an, obwohl das Gesetz ohne die Zustimmung der Regierung keine Aussicht aus Annahme im Herrenhaus hat. Am 9. März wurde das Steuerreformgesetz in der dritten Berathung bestätigt, bei dem Mahl- und Schlachtsteuergesetz dagegen der Paragraph, welcher die Erhebung der untersten Stufen der Klassensteuer für Berlin even¬ tuell durch ein von der Stadt zu zählendes Aversum ersetzt, abgelehnt. In Folge dieser Aenderung muß über das Gesetz im Ganzen nochmals in einer spätern Sitzung abgestimmt werden, und es ist die Frage, ob dasselbe nun schließlich die Majorität behält. In derselben Sitzung begann die zweite Be¬ rathung der ersten der kirchlichen Vorlagen: über die Vorbildung und An¬ stellung der Geistlichen. Die Arbeit der Commission, welche bei der ersten Berathung eingesetzt worden, lag vor. Des Zusammenhangs wegen verspare ich aber den Bericht über diese noch nicht beendigte Verhandlung auf den 0—r. nächsten Brief. Line russische Stimme gegen Deutschland. „ Was hat Europa von Deutschlands Siegen gewonnen?" So fragt die „Peters¬ burger Börsenzeitung", und beantwortet diese Frage durch zwei Artikel in ihren Nummern vom 26. und 27. Februar d. I. Wir hatten in Ur. 7 der „Grenzboten" vom 14. Februar eine Darlegung gegeben, welchen Gewinn Europa aus den deutschen Siegen gezogen. Wir hatten unsere Ausführung nicht in das Gewand einer Frage gekleidet. Denn der Gewinn Europas scheint uns gar nicht fraglich. Dieser Artikel ist es nun, welchen die „Peters¬ burger Börsenzeitung" auf das Korn nimmt. Es könnte immerhin lehrreich sein, die Kehrseite der Medaille zu betrachten, den Gewinn, welchen Europa von der neuen Stellung hat, abzuwägen gegen den Nachtheil. Aber manche Dinge zeigen von allen Seiten dasselbe Antlitz; nicht jedem Gewinn steht ein Nachtheil gegenüber. Verloren hat durch Deutschlands Siege nur Frankreich, d. h. so lange man die Dinge äußerlich betrachtet. Ob in der sogenannten prSponäeraneL IsZitime, welche die Franzosen fordern, ein wahrer Vortheil für die französische Nation gelegen, das wäre erst noch zu untersuchen. Aber wir sprachen in dem frühern Artikel gar nicht von Frankreich, sondern von Europa, in welchem Frankreich neben den großen Gliedern der europäischen Familie, aber nicht über ihnen steht. Und da ist der Artikel der Börsen¬ zeitung wirklich belehrend, denn er zeigt uns, daß Europa von dem, was ") Alle diese Bedenken unsres Herrn Korrespondenten berühren nicht die Nothwendigkeit D. Red. der Aufhebung des Kalend erstempels.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/443>, abgerufen am 22.07.2024.