Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aus den bisherigen dreißig machen, die Commission hat vierzig daraus gemacht,
wodurch also der mittlere Steuerprozentsatz höher geworden ist. Das Abge¬
ordnetenhaus ist dem Vorschlag der Commission beigetreten. Außerdem haben
die Abgeordneten den Vorschlag der Regierung angenommen, von 240,000
Thlr. an jede weitere 20,000 Thlr. mit 600 Thlr. zu besteuern. Dagegen hat
das Abgeordnetenhaus die Einsetzung einer Centralcommission abgelehnt.

In der Sitzung vom 4. März gelangte der Antrag der Abgeordneten von
Gronow und Rickert auf Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer zur Be¬
schlußnahme, über welchen ein Comissionsbericht vorlag. Die Commission, nach
deren Beschlüssen der Gesetzentwurf bei der zweiten Berathung angenommen
wurde, schlug vom Jahr 1874 an die Aufhebung der Mahl- und Schlacht¬
steuer als Staatsabgabe vor und deren Ersatz durch die Klassensteuer. Als
Gemeindeabgabe soll nur die Schlachtsteuer forterhoben werden dürfen,
und zwar nur in solchen Städten, welche bisher die Mahl- und Schlachtsteuer
hatten, wenn die betreffende Gemeinde Solches beschließt. Die desfallsigen
Gemeindebeschlüsse müssen zwar nach drei Jahren immer wieder erneuert wer¬
den, die Aufhebung der Schlachtsteuer erfolgt aber nur, wenn Magistrat und
Stadtvertretung dafür übereinstimmen. Auch von der Regierung soll das
Bedürfniß der Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe nach drei Jahren immer
wieder geprüft, und das Ergebniß dem Landtag vorgelegt werden. Die so¬
eben auf 11 Millionen contingentirte Klassensteuer wurde mit Rücksicht auf
die Einführung derselben in einer Anzahl Städten, wo sie noch nicht bestand,
aus 14 Millionen Thaler contingentirt. Endlich sollten die beiden untersten
Stufen der neuen Klassensteuer, welche das Einkommen von 140--300 Thlr.,
umfassen, in Berlin so lange nicht erhoben werden, als die Stadt bei der
Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe bleibt. Vielmehr sollte die Stadt während
dieser Zeit ein dem muthmaßlichen Ertrage dieser Stufe entsprechendes Aver-
sum an die Staatskasse entrichten, dessen Höhe der Finanzminister festsetzt.

Gegen diese Bestimmung hatte der Magistrat von Berlin eine Petition
eingereicht, der sich die Stadtverordneten anschlössen. Man sah darin eine
Ausnahmestellung und eine mißgünstige Behandlung für Berlin. Der Finanz¬
minister erklärte sich aber für den Paragraphen und ebenso der radikale Ab¬
geordnete Herr Eugen Richter. Das Haus nahm den Paragraphen an, wenn
auch mit kleiner Majorität. Die Motive waren verschiedenartige. Ein Theil
der Abgeordneten will vorzugsweise Berlin zwingen, die Schlachtsteuer bald¬
möglichst aufzuheben. Der Finanzminister ging von der großen Schwierig¬
keit aus, die beiden untersten Stufen der Klassensteuer in Berlin zur Hebung
ZU bringen. Hier liegt allerdings der von uns hervorgehobene große Fehler
des neuen Klassensteuergesetzes, daß diese beiden Stufen überhaupt besteuert
sind. Man muß dem Finanzminister Recht geben, wenn man hoffen kann,


Grenzboten 1873. I. SS

aus den bisherigen dreißig machen, die Commission hat vierzig daraus gemacht,
wodurch also der mittlere Steuerprozentsatz höher geworden ist. Das Abge¬
ordnetenhaus ist dem Vorschlag der Commission beigetreten. Außerdem haben
die Abgeordneten den Vorschlag der Regierung angenommen, von 240,000
Thlr. an jede weitere 20,000 Thlr. mit 600 Thlr. zu besteuern. Dagegen hat
das Abgeordnetenhaus die Einsetzung einer Centralcommission abgelehnt.

In der Sitzung vom 4. März gelangte der Antrag der Abgeordneten von
Gronow und Rickert auf Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer zur Be¬
schlußnahme, über welchen ein Comissionsbericht vorlag. Die Commission, nach
deren Beschlüssen der Gesetzentwurf bei der zweiten Berathung angenommen
wurde, schlug vom Jahr 1874 an die Aufhebung der Mahl- und Schlacht¬
steuer als Staatsabgabe vor und deren Ersatz durch die Klassensteuer. Als
Gemeindeabgabe soll nur die Schlachtsteuer forterhoben werden dürfen,
und zwar nur in solchen Städten, welche bisher die Mahl- und Schlachtsteuer
hatten, wenn die betreffende Gemeinde Solches beschließt. Die desfallsigen
Gemeindebeschlüsse müssen zwar nach drei Jahren immer wieder erneuert wer¬
den, die Aufhebung der Schlachtsteuer erfolgt aber nur, wenn Magistrat und
Stadtvertretung dafür übereinstimmen. Auch von der Regierung soll das
Bedürfniß der Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe nach drei Jahren immer
wieder geprüft, und das Ergebniß dem Landtag vorgelegt werden. Die so¬
eben auf 11 Millionen contingentirte Klassensteuer wurde mit Rücksicht auf
die Einführung derselben in einer Anzahl Städten, wo sie noch nicht bestand,
aus 14 Millionen Thaler contingentirt. Endlich sollten die beiden untersten
Stufen der neuen Klassensteuer, welche das Einkommen von 140—300 Thlr.,
umfassen, in Berlin so lange nicht erhoben werden, als die Stadt bei der
Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe bleibt. Vielmehr sollte die Stadt während
dieser Zeit ein dem muthmaßlichen Ertrage dieser Stufe entsprechendes Aver-
sum an die Staatskasse entrichten, dessen Höhe der Finanzminister festsetzt.

Gegen diese Bestimmung hatte der Magistrat von Berlin eine Petition
eingereicht, der sich die Stadtverordneten anschlössen. Man sah darin eine
Ausnahmestellung und eine mißgünstige Behandlung für Berlin. Der Finanz¬
minister erklärte sich aber für den Paragraphen und ebenso der radikale Ab¬
geordnete Herr Eugen Richter. Das Haus nahm den Paragraphen an, wenn
auch mit kleiner Majorität. Die Motive waren verschiedenartige. Ein Theil
der Abgeordneten will vorzugsweise Berlin zwingen, die Schlachtsteuer bald¬
möglichst aufzuheben. Der Finanzminister ging von der großen Schwierig¬
keit aus, die beiden untersten Stufen der Klassensteuer in Berlin zur Hebung
ZU bringen. Hier liegt allerdings der von uns hervorgehobene große Fehler
des neuen Klassensteuergesetzes, daß diese beiden Stufen überhaupt besteuert
sind. Man muß dem Finanzminister Recht geben, wenn man hoffen kann,


Grenzboten 1873. I. SS
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129433"/>
          <p xml:id="ID_1409" prev="#ID_1408"> aus den bisherigen dreißig machen, die Commission hat vierzig daraus gemacht,<lb/>
wodurch also der mittlere Steuerprozentsatz höher geworden ist. Das Abge¬<lb/>
ordnetenhaus ist dem Vorschlag der Commission beigetreten. Außerdem haben<lb/>
die Abgeordneten den Vorschlag der Regierung angenommen, von 240,000<lb/>
Thlr. an jede weitere 20,000 Thlr. mit 600 Thlr. zu besteuern. Dagegen hat<lb/>
das Abgeordnetenhaus die Einsetzung einer Centralcommission abgelehnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1410"> In der Sitzung vom 4. März gelangte der Antrag der Abgeordneten von<lb/>
Gronow und Rickert auf Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer zur Be¬<lb/>
schlußnahme, über welchen ein Comissionsbericht vorlag. Die Commission, nach<lb/>
deren Beschlüssen der Gesetzentwurf bei der zweiten Berathung angenommen<lb/>
wurde, schlug vom Jahr 1874 an die Aufhebung der Mahl- und Schlacht¬<lb/>
steuer als Staatsabgabe vor und deren Ersatz durch die Klassensteuer. Als<lb/>
Gemeindeabgabe soll nur die Schlachtsteuer forterhoben werden dürfen,<lb/>
und zwar nur in solchen Städten, welche bisher die Mahl- und Schlachtsteuer<lb/>
hatten, wenn die betreffende Gemeinde Solches beschließt. Die desfallsigen<lb/>
Gemeindebeschlüsse müssen zwar nach drei Jahren immer wieder erneuert wer¬<lb/>
den, die Aufhebung der Schlachtsteuer erfolgt aber nur, wenn Magistrat und<lb/>
Stadtvertretung dafür übereinstimmen. Auch von der Regierung soll das<lb/>
Bedürfniß der Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe nach drei Jahren immer<lb/>
wieder geprüft, und das Ergebniß dem Landtag vorgelegt werden. Die so¬<lb/>
eben auf 11 Millionen contingentirte Klassensteuer wurde mit Rücksicht auf<lb/>
die Einführung derselben in einer Anzahl Städten, wo sie noch nicht bestand,<lb/>
aus 14 Millionen Thaler contingentirt. Endlich sollten die beiden untersten<lb/>
Stufen der neuen Klassensteuer, welche das Einkommen von 140&#x2014;300 Thlr.,<lb/>
umfassen, in Berlin so lange nicht erhoben werden, als die Stadt bei der<lb/>
Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe bleibt. Vielmehr sollte die Stadt während<lb/>
dieser Zeit ein dem muthmaßlichen Ertrage dieser Stufe entsprechendes Aver-<lb/>
sum an die Staatskasse entrichten, dessen Höhe der Finanzminister festsetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1411" next="#ID_1412"> Gegen diese Bestimmung hatte der Magistrat von Berlin eine Petition<lb/>
eingereicht, der sich die Stadtverordneten anschlössen. Man sah darin eine<lb/>
Ausnahmestellung und eine mißgünstige Behandlung für Berlin. Der Finanz¬<lb/>
minister erklärte sich aber für den Paragraphen und ebenso der radikale Ab¬<lb/>
geordnete Herr Eugen Richter. Das Haus nahm den Paragraphen an, wenn<lb/>
auch mit kleiner Majorität. Die Motive waren verschiedenartige. Ein Theil<lb/>
der Abgeordneten will vorzugsweise Berlin zwingen, die Schlachtsteuer bald¬<lb/>
möglichst aufzuheben. Der Finanzminister ging von der großen Schwierig¬<lb/>
keit aus, die beiden untersten Stufen der Klassensteuer in Berlin zur Hebung<lb/>
ZU bringen. Hier liegt allerdings der von uns hervorgehobene große Fehler<lb/>
des neuen Klassensteuergesetzes, daß diese beiden Stufen überhaupt besteuert<lb/>
sind. Man muß dem Finanzminister Recht geben, wenn man hoffen kann,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1873. I. SS</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0441] aus den bisherigen dreißig machen, die Commission hat vierzig daraus gemacht, wodurch also der mittlere Steuerprozentsatz höher geworden ist. Das Abge¬ ordnetenhaus ist dem Vorschlag der Commission beigetreten. Außerdem haben die Abgeordneten den Vorschlag der Regierung angenommen, von 240,000 Thlr. an jede weitere 20,000 Thlr. mit 600 Thlr. zu besteuern. Dagegen hat das Abgeordnetenhaus die Einsetzung einer Centralcommission abgelehnt. In der Sitzung vom 4. März gelangte der Antrag der Abgeordneten von Gronow und Rickert auf Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer zur Be¬ schlußnahme, über welchen ein Comissionsbericht vorlag. Die Commission, nach deren Beschlüssen der Gesetzentwurf bei der zweiten Berathung angenommen wurde, schlug vom Jahr 1874 an die Aufhebung der Mahl- und Schlacht¬ steuer als Staatsabgabe vor und deren Ersatz durch die Klassensteuer. Als Gemeindeabgabe soll nur die Schlachtsteuer forterhoben werden dürfen, und zwar nur in solchen Städten, welche bisher die Mahl- und Schlachtsteuer hatten, wenn die betreffende Gemeinde Solches beschließt. Die desfallsigen Gemeindebeschlüsse müssen zwar nach drei Jahren immer wieder erneuert wer¬ den, die Aufhebung der Schlachtsteuer erfolgt aber nur, wenn Magistrat und Stadtvertretung dafür übereinstimmen. Auch von der Regierung soll das Bedürfniß der Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe nach drei Jahren immer wieder geprüft, und das Ergebniß dem Landtag vorgelegt werden. Die so¬ eben auf 11 Millionen contingentirte Klassensteuer wurde mit Rücksicht auf die Einführung derselben in einer Anzahl Städten, wo sie noch nicht bestand, aus 14 Millionen Thaler contingentirt. Endlich sollten die beiden untersten Stufen der neuen Klassensteuer, welche das Einkommen von 140—300 Thlr., umfassen, in Berlin so lange nicht erhoben werden, als die Stadt bei der Schlachtsteuer als Gemeindeabgabe bleibt. Vielmehr sollte die Stadt während dieser Zeit ein dem muthmaßlichen Ertrage dieser Stufe entsprechendes Aver- sum an die Staatskasse entrichten, dessen Höhe der Finanzminister festsetzt. Gegen diese Bestimmung hatte der Magistrat von Berlin eine Petition eingereicht, der sich die Stadtverordneten anschlössen. Man sah darin eine Ausnahmestellung und eine mißgünstige Behandlung für Berlin. Der Finanz¬ minister erklärte sich aber für den Paragraphen und ebenso der radikale Ab¬ geordnete Herr Eugen Richter. Das Haus nahm den Paragraphen an, wenn auch mit kleiner Majorität. Die Motive waren verschiedenartige. Ein Theil der Abgeordneten will vorzugsweise Berlin zwingen, die Schlachtsteuer bald¬ möglichst aufzuheben. Der Finanzminister ging von der großen Schwierig¬ keit aus, die beiden untersten Stufen der Klassensteuer in Berlin zur Hebung ZU bringen. Hier liegt allerdings der von uns hervorgehobene große Fehler des neuen Klassensteuergesetzes, daß diese beiden Stufen überhaupt besteuert sind. Man muß dem Finanzminister Recht geben, wenn man hoffen kann, Grenzboten 1873. I. SS

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/441
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/441>, abgerufen am 25.08.2024.