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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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zip der Gemeindebildung war. Aber wir werden und müssen dahin kommen.
Bis dahin kommt wenig darauf an, von welchem Staatssteuerbetrag das
Gemeinderecht abhängig ist; denn die Staatssteuer steht entweder in keinem
sachlichen Zusammenhang zum Gemeinderecht oder, wo dieser Zusammenhang
dadurch besteht, daß die Gemeindesteuer als Zuschlag zur Staatssteuer erhoben
wird, ist derselbe ein höchst nachtheiliger, je eher je lieber zu beseitigender.
Die Commission hatte vorgeschlagen, das Gemeindewahlrecht von einem
Klassensteuerbetrag von 2 Thlr. an zu gewähren, und Festsetzungen, welche
einen höheren Betrag als 4 Thlr. erforderten, gradezu zu verbieten. Mit
Recht verwahrte sich die Regierung gegen die gelegentliche Entscheidung einer
wichtigen Frage, aber die Majorität entschied für den Vorschlag der Com¬
mission. Wir wiederholen, daß wir darin keinen Gewinn, aber auch keinen
wesentlichen Nachtheil erblicken. Auf der jetzigen Basis können gute Gemein¬
dewahlen überhaupt nur durch Zufall zu Stande kommen.

Es ensteht für den Leser die Frage, worin sich die neue nach zwölf Ein¬
kommensstufen von 140--1000 Thlr. aufgelegte Klassensteuer noch unterscheidet
von der sogenannten klassifieirten Einkommensteuer, deren Erhebung bei einem
Einkommen von über 1000 Thlr. beginnt. Der Unterschied sollte nach dem
Regierungsentwurf in zwei der Klassensteuer eigenthümlichen Bestimmungen
liegen. Einmal in dem Prozentsatz, welcher von dem klassensteuerpflichtigen
Einkommen zu erheben ist, und der mit ^ °/<> beginnend in der höchsten Stufe
noch unter 3 "/<> bleibt. Der Prozentsatz des einkommensteuerpflichtigen Ein¬
kommens beträgt dagegen 3 °/o, die allerdings insofern nicht zur vollständigen
Erhebung kommen, als das einkommensteuerpflichtige Einkommen ebenfalls
in Stufen getheilt ist, wodurch nur der mittlere Prozentsatz zwischen den
Grenzen je zweier Stufen als Durchschnittsbelastung einer Stufe angenommen
werden kann. Die andre der Klassensteuer eigenthümliche Bestimmung sollte
nach dem Regierungsentwurf darin liegen, daß in der Klassensteuer neben dem
Einkommen auch die gesammten wirthschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflich¬
tigen, insofern sie etwa geeignet, seine Steuerfähigkeit wesentlich zu vermindern,
zu berücksichtigen wären. Die Commission hat indeß diese Bestimmung auch
auf die beiden ersten Stufen der Einkommensteuer ausgedehnt, und das Ab¬
geordnetenhaus ist der Ausdehung beigetreten.

Auch für die klassifieirte Einkommensteuer hatte der Regierungsentwurf
einige Veränderungen vorgeschlagen, hauptsächlich bestehend in einer Vermeh¬
rung der Stufen und in der Bildung einer Centralcommission als oberster
Instanz für die Einschätzungen. Bisher umfaßte die Einkommensteuer das Ein¬
kommen von 1000 Thlr. bis 240,000 Thlr. jährlich in dreißig Stufen, und
hörte mit 240,000 Thlr. insofern auf, als von da an keine höhere Belastung
eintrat. Die Regierung wollte bis 240,000 Thlr. drei und Dreißig Stufen


zip der Gemeindebildung war. Aber wir werden und müssen dahin kommen.
Bis dahin kommt wenig darauf an, von welchem Staatssteuerbetrag das
Gemeinderecht abhängig ist; denn die Staatssteuer steht entweder in keinem
sachlichen Zusammenhang zum Gemeinderecht oder, wo dieser Zusammenhang
dadurch besteht, daß die Gemeindesteuer als Zuschlag zur Staatssteuer erhoben
wird, ist derselbe ein höchst nachtheiliger, je eher je lieber zu beseitigender.
Die Commission hatte vorgeschlagen, das Gemeindewahlrecht von einem
Klassensteuerbetrag von 2 Thlr. an zu gewähren, und Festsetzungen, welche
einen höheren Betrag als 4 Thlr. erforderten, gradezu zu verbieten. Mit
Recht verwahrte sich die Regierung gegen die gelegentliche Entscheidung einer
wichtigen Frage, aber die Majorität entschied für den Vorschlag der Com¬
mission. Wir wiederholen, daß wir darin keinen Gewinn, aber auch keinen
wesentlichen Nachtheil erblicken. Auf der jetzigen Basis können gute Gemein¬
dewahlen überhaupt nur durch Zufall zu Stande kommen.

Es ensteht für den Leser die Frage, worin sich die neue nach zwölf Ein¬
kommensstufen von 140—1000 Thlr. aufgelegte Klassensteuer noch unterscheidet
von der sogenannten klassifieirten Einkommensteuer, deren Erhebung bei einem
Einkommen von über 1000 Thlr. beginnt. Der Unterschied sollte nach dem
Regierungsentwurf in zwei der Klassensteuer eigenthümlichen Bestimmungen
liegen. Einmal in dem Prozentsatz, welcher von dem klassensteuerpflichtigen
Einkommen zu erheben ist, und der mit ^ °/<> beginnend in der höchsten Stufe
noch unter 3 "/<> bleibt. Der Prozentsatz des einkommensteuerpflichtigen Ein¬
kommens beträgt dagegen 3 °/o, die allerdings insofern nicht zur vollständigen
Erhebung kommen, als das einkommensteuerpflichtige Einkommen ebenfalls
in Stufen getheilt ist, wodurch nur der mittlere Prozentsatz zwischen den
Grenzen je zweier Stufen als Durchschnittsbelastung einer Stufe angenommen
werden kann. Die andre der Klassensteuer eigenthümliche Bestimmung sollte
nach dem Regierungsentwurf darin liegen, daß in der Klassensteuer neben dem
Einkommen auch die gesammten wirthschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflich¬
tigen, insofern sie etwa geeignet, seine Steuerfähigkeit wesentlich zu vermindern,
zu berücksichtigen wären. Die Commission hat indeß diese Bestimmung auch
auf die beiden ersten Stufen der Einkommensteuer ausgedehnt, und das Ab¬
geordnetenhaus ist der Ausdehung beigetreten.

Auch für die klassifieirte Einkommensteuer hatte der Regierungsentwurf
einige Veränderungen vorgeschlagen, hauptsächlich bestehend in einer Vermeh¬
rung der Stufen und in der Bildung einer Centralcommission als oberster
Instanz für die Einschätzungen. Bisher umfaßte die Einkommensteuer das Ein¬
kommen von 1000 Thlr. bis 240,000 Thlr. jährlich in dreißig Stufen, und
hörte mit 240,000 Thlr. insofern auf, als von da an keine höhere Belastung
eintrat. Die Regierung wollte bis 240,000 Thlr. drei und Dreißig Stufen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/440>, abgerufen am 25.08.2024.