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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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um die Stimmenmehrheit in der Stadtvertretung; um das Jahr 1860 waren
die polnischen Stadtverordneten noch so zahlreich, daß sie die Versammlung
durch ihre Entfernung beschlußunfähig machen konnten, als diese einen deutsch¬
patriotischen Beschluß fassen wollte, gegenwärtig ist ihre Zahl auf 3 unter
36 Vertretern herabgesunken. In den übrigen 62, meistens sehr kleinen und
unbedeutenden Städten der Provinz bilden die Polen die Mehrheit.

Wie man sich im Voraus denken kann, liegen diese überwiegend polni¬
schen Nester meistens in den mittlern und östlichen Kreisen der Provinz, in
denen auch auf dem Lande die Polen am dichtesten zusammengedrängt sitzen.
Am schwächsten ist das deutsche Element in den vier südöstlichen Grenzkreisen
Wreschen, Pleschen, Adelnau und Schildbcrg; es beträgt dort nur etwa den
zehnten Theil der Landbevölkerung. Ueber die Hälfte bildet es in 4 Kreisen des
Reg.-Bez.'s Bromberg, nämlich Tscharnikau, Chodziesen, Wirsitz und Brom¬
berg, und in 4 des Reg.-Bez.'s Posen. Meseritz, Birnbaum. Bomst und Frau¬
stadt, also 4 Grenzkreise an Westpreußen, 2 an der Neumark und 2 an
Niederschlesien. Am wenigsten Polen finden sich im Kreise Meseritz, der be¬
kanntlich die westlichste Ecke der Provinz bildet, nämlich im ganzen 11,16 und
auf dem Lande für sich 18,09 Prozent.

In ziemlicher Uebereinstimmung mit der Stärke der ländlichen Bevölke¬
rung ist auch der größere Grundbesitz zwischen den beiden Nationalitäten ver¬
theilt. Die Rittergüter sind in den genannten acht überwiegend deutschen
Kreisen in ihrer großen Mehrzahl in deutschen Händen, während die Polen
in den östlichen und mittlern Kreisen sich auf ihnen noch so leidlich halten.
Eine Ausnahme bildet nur der Landkreis Posen, wo 36 Rittergüter von
Deutschen und nur 24 von Polen besessen werden. Das günstigste Verhältniß
für jene findet sich ebenfalls im Kreise Meseritz, wo sie 26 von 30. für die Polen
im Kreise Sabrina, wo sie 46 von 59 Rittergütern besitzen. Für die-ganze
Provinz habe ich nach einem Adreßbuch vom Jahre 1872 folgende Zahlen
ermittelt. Sie enthält 1372 Rittergüter, nämlich 606 in Reg. Bez. Brom¬
berg und 866 im Reg. Bez. Posen. Davon gehören
Deutschen im Reg. Bez. Bromberg 260, im Reg Bez. Posen 366,
Polen " ., " " 246, " " .. ., 600,
also in der ganzen Provinz Deutschen 626 oder 46,6 Prozent, Polen 746 oder 64,4
Proz. Hieraus ergibt sich also, daß die Polen in dem einflußreichsten Grund¬
besitz den Deutschen noch überlegen sind, und das um so mehr, als letztere
mehr die weniger einträglichen Güter auf Sandboden erworben haben, auf
denen der Slawe sich nicht halten konnte und denen zum Theil nur
die größere Kunst und Mühe des Germanen einen Ertrag zu entlocken
versteht. Ueber die Vertheilung des kleinen, des bäuerlichen Grundbe¬
sitzes zwischen den beiden wettwerbenden Nationalitäten finden wir nirgends


um die Stimmenmehrheit in der Stadtvertretung; um das Jahr 1860 waren
die polnischen Stadtverordneten noch so zahlreich, daß sie die Versammlung
durch ihre Entfernung beschlußunfähig machen konnten, als diese einen deutsch¬
patriotischen Beschluß fassen wollte, gegenwärtig ist ihre Zahl auf 3 unter
36 Vertretern herabgesunken. In den übrigen 62, meistens sehr kleinen und
unbedeutenden Städten der Provinz bilden die Polen die Mehrheit.

Wie man sich im Voraus denken kann, liegen diese überwiegend polni¬
schen Nester meistens in den mittlern und östlichen Kreisen der Provinz, in
denen auch auf dem Lande die Polen am dichtesten zusammengedrängt sitzen.
Am schwächsten ist das deutsche Element in den vier südöstlichen Grenzkreisen
Wreschen, Pleschen, Adelnau und Schildbcrg; es beträgt dort nur etwa den
zehnten Theil der Landbevölkerung. Ueber die Hälfte bildet es in 4 Kreisen des
Reg.-Bez.'s Bromberg, nämlich Tscharnikau, Chodziesen, Wirsitz und Brom¬
berg, und in 4 des Reg.-Bez.'s Posen. Meseritz, Birnbaum. Bomst und Frau¬
stadt, also 4 Grenzkreise an Westpreußen, 2 an der Neumark und 2 an
Niederschlesien. Am wenigsten Polen finden sich im Kreise Meseritz, der be¬
kanntlich die westlichste Ecke der Provinz bildet, nämlich im ganzen 11,16 und
auf dem Lande für sich 18,09 Prozent.

In ziemlicher Uebereinstimmung mit der Stärke der ländlichen Bevölke¬
rung ist auch der größere Grundbesitz zwischen den beiden Nationalitäten ver¬
theilt. Die Rittergüter sind in den genannten acht überwiegend deutschen
Kreisen in ihrer großen Mehrzahl in deutschen Händen, während die Polen
in den östlichen und mittlern Kreisen sich auf ihnen noch so leidlich halten.
Eine Ausnahme bildet nur der Landkreis Posen, wo 36 Rittergüter von
Deutschen und nur 24 von Polen besessen werden. Das günstigste Verhältniß
für jene findet sich ebenfalls im Kreise Meseritz, wo sie 26 von 30. für die Polen
im Kreise Sabrina, wo sie 46 von 59 Rittergütern besitzen. Für die-ganze
Provinz habe ich nach einem Adreßbuch vom Jahre 1872 folgende Zahlen
ermittelt. Sie enthält 1372 Rittergüter, nämlich 606 in Reg. Bez. Brom¬
berg und 866 im Reg. Bez. Posen. Davon gehören
Deutschen im Reg. Bez. Bromberg 260, im Reg Bez. Posen 366,
Polen „ ., „ „ 246, „ „ .. ., 600,
also in der ganzen Provinz Deutschen 626 oder 46,6 Prozent, Polen 746 oder 64,4
Proz. Hieraus ergibt sich also, daß die Polen in dem einflußreichsten Grund¬
besitz den Deutschen noch überlegen sind, und das um so mehr, als letztere
mehr die weniger einträglichen Güter auf Sandboden erworben haben, auf
denen der Slawe sich nicht halten konnte und denen zum Theil nur
die größere Kunst und Mühe des Germanen einen Ertrag zu entlocken
versteht. Ueber die Vertheilung des kleinen, des bäuerlichen Grundbe¬
sitzes zwischen den beiden wettwerbenden Nationalitäten finden wir nirgends


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[0428] um die Stimmenmehrheit in der Stadtvertretung; um das Jahr 1860 waren die polnischen Stadtverordneten noch so zahlreich, daß sie die Versammlung durch ihre Entfernung beschlußunfähig machen konnten, als diese einen deutsch¬ patriotischen Beschluß fassen wollte, gegenwärtig ist ihre Zahl auf 3 unter 36 Vertretern herabgesunken. In den übrigen 62, meistens sehr kleinen und unbedeutenden Städten der Provinz bilden die Polen die Mehrheit. Wie man sich im Voraus denken kann, liegen diese überwiegend polni¬ schen Nester meistens in den mittlern und östlichen Kreisen der Provinz, in denen auch auf dem Lande die Polen am dichtesten zusammengedrängt sitzen. Am schwächsten ist das deutsche Element in den vier südöstlichen Grenzkreisen Wreschen, Pleschen, Adelnau und Schildbcrg; es beträgt dort nur etwa den zehnten Theil der Landbevölkerung. Ueber die Hälfte bildet es in 4 Kreisen des Reg.-Bez.'s Bromberg, nämlich Tscharnikau, Chodziesen, Wirsitz und Brom¬ berg, und in 4 des Reg.-Bez.'s Posen. Meseritz, Birnbaum. Bomst und Frau¬ stadt, also 4 Grenzkreise an Westpreußen, 2 an der Neumark und 2 an Niederschlesien. Am wenigsten Polen finden sich im Kreise Meseritz, der be¬ kanntlich die westlichste Ecke der Provinz bildet, nämlich im ganzen 11,16 und auf dem Lande für sich 18,09 Prozent. In ziemlicher Uebereinstimmung mit der Stärke der ländlichen Bevölke¬ rung ist auch der größere Grundbesitz zwischen den beiden Nationalitäten ver¬ theilt. Die Rittergüter sind in den genannten acht überwiegend deutschen Kreisen in ihrer großen Mehrzahl in deutschen Händen, während die Polen in den östlichen und mittlern Kreisen sich auf ihnen noch so leidlich halten. Eine Ausnahme bildet nur der Landkreis Posen, wo 36 Rittergüter von Deutschen und nur 24 von Polen besessen werden. Das günstigste Verhältniß für jene findet sich ebenfalls im Kreise Meseritz, wo sie 26 von 30. für die Polen im Kreise Sabrina, wo sie 46 von 59 Rittergütern besitzen. Für die-ganze Provinz habe ich nach einem Adreßbuch vom Jahre 1872 folgende Zahlen ermittelt. Sie enthält 1372 Rittergüter, nämlich 606 in Reg. Bez. Brom¬ berg und 866 im Reg. Bez. Posen. Davon gehören Deutschen im Reg. Bez. Bromberg 260, im Reg Bez. Posen 366, Polen „ ., „ „ 246, „ „ .. ., 600, also in der ganzen Provinz Deutschen 626 oder 46,6 Prozent, Polen 746 oder 64,4 Proz. Hieraus ergibt sich also, daß die Polen in dem einflußreichsten Grund¬ besitz den Deutschen noch überlegen sind, und das um so mehr, als letztere mehr die weniger einträglichen Güter auf Sandboden erworben haben, auf denen der Slawe sich nicht halten konnte und denen zum Theil nur die größere Kunst und Mühe des Germanen einen Ertrag zu entlocken versteht. Ueber die Vertheilung des kleinen, des bäuerlichen Grundbe¬ sitzes zwischen den beiden wettwerbenden Nationalitäten finden wir nirgends

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/428>, abgerufen am 25.08.2024.