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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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zahl von Abdrücken herstellen kann, ohne den Original-Holzstock irgendwie zu
schädigen.

Durch die Einführung des Buchsholzes wurden also die Schranken, welche
die alte Technik der Kunst des Holzschnittes gesetzt hatte, beseitigt. Die Zeich¬
ner auf Holz können sich jetzt vollkommen frei bewegen; der Xylograph kann
dem Zeichner überall hin folgen, kann Alles schneiden, was jener zeichnet.
In Folge dessen tritt der Holzschnitt nun in erfolgreiche Concurrenz mit dem
Kupferstich und der Maler-Nadirung auf Kupfer oder Stahl. Weil nun das
Drucken mit Kupfer- und Stahlplatten schwieriger, daher theurer ist, als mit
Holzstöcken oder Clichi's, erstere sich auch nicht in Verbindung mit Typen
drucken lassen, ist es in vielen Fällen praktischer, eine Darstellung in Holz¬
schnitt als in Radirung auf Metall ausführen zu lassen. Denn in beiden
Techniken kann heute annähernd Gleiches geleistet werden.

Die Holzschnitte sind oft nicht nur in der Art der freien Radirung be¬
handelt, wie z. B. Menzel's berühmte Bilder zu Kugler's Geschichte Friedrich's
des Großen, sondern man copirt auch in Holzschnitt täuschend genau vorhan¬
dene Kupferstiche wie z. B. die von Bänder in Wien geschnittenen Illustra¬
tionen des schönen Ornamentstich-Katalogs des Oesterr. Museums für Kunst-
und Industrie in Wien oder die von Alphons Dürr in Leipzig publicirten
Holzschnitt-Copieen von Thaeter's Kupferstichen nach Schwind's Zeichnungen
zum Märchen von der Aschenbrödel beweisen, sondern man schafft mit vollster
Selbständigkeit auch Holzschnitte, welche an Exactheit, Kraft und Tiefe des
malerischen Tons Radirungen übertreffen und zum Höchsten gehören, was in
der vervielfältigenden Kunst je geleistet worden ist.

Die Aufgabe des Xylographen ist heute also in vielen Fällen eine ganz
andre als vor dreihundert Jahren. In alter Zeit hatte er die Zeichnung
des Künstlers sclavisch getreu nachzuschreiben. Jetzt wird von einem
guten Xylographen verlangt, daß er die von dem Künstler oft ohne Rücksicht
auf den Holzschnitt, aus den Holzstock gefertigte, meist nicht mehr in Linien
ausgeführte, sondern gewischte, ja in vielen Fällen getuschte oder gemalte
Zeichnung künstlerisch auffaßt und mit vollem Verständniß so in seine Technik
übersetzt, daß schließlich ein Abdruck des Stocks der Zeichnung des Malers
möglichst ähnlich ist. Seine Aufgabe hat jetzt also große Aehnlichkeit mit der¬
jenigen des Kupferstechers, welcher ein Gemälde in Kupferstich reproduciren
soll. Doch ist sie, nicht in technischer, wohl aber in künstlerischer Beziehung
noch schwieriger, denn während der Kupferstecher sein Orginal stets vor Augen
behält, und sich darnach richten kann, zerstört der Xylograph mit dem Fort¬
schritt der Arbeit sein Original, kann also seine Nachbildung nicht mit der
Originalzeichnung vergleichen.

Es ist jetzt möglich, in Holzschnitt die effeetvollsten Bilder, in welchen


zahl von Abdrücken herstellen kann, ohne den Original-Holzstock irgendwie zu
schädigen.

Durch die Einführung des Buchsholzes wurden also die Schranken, welche
die alte Technik der Kunst des Holzschnittes gesetzt hatte, beseitigt. Die Zeich¬
ner auf Holz können sich jetzt vollkommen frei bewegen; der Xylograph kann
dem Zeichner überall hin folgen, kann Alles schneiden, was jener zeichnet.
In Folge dessen tritt der Holzschnitt nun in erfolgreiche Concurrenz mit dem
Kupferstich und der Maler-Nadirung auf Kupfer oder Stahl. Weil nun das
Drucken mit Kupfer- und Stahlplatten schwieriger, daher theurer ist, als mit
Holzstöcken oder Clichi's, erstere sich auch nicht in Verbindung mit Typen
drucken lassen, ist es in vielen Fällen praktischer, eine Darstellung in Holz¬
schnitt als in Radirung auf Metall ausführen zu lassen. Denn in beiden
Techniken kann heute annähernd Gleiches geleistet werden.

Die Holzschnitte sind oft nicht nur in der Art der freien Radirung be¬
handelt, wie z. B. Menzel's berühmte Bilder zu Kugler's Geschichte Friedrich's
des Großen, sondern man copirt auch in Holzschnitt täuschend genau vorhan¬
dene Kupferstiche wie z. B. die von Bänder in Wien geschnittenen Illustra¬
tionen des schönen Ornamentstich-Katalogs des Oesterr. Museums für Kunst-
und Industrie in Wien oder die von Alphons Dürr in Leipzig publicirten
Holzschnitt-Copieen von Thaeter's Kupferstichen nach Schwind's Zeichnungen
zum Märchen von der Aschenbrödel beweisen, sondern man schafft mit vollster
Selbständigkeit auch Holzschnitte, welche an Exactheit, Kraft und Tiefe des
malerischen Tons Radirungen übertreffen und zum Höchsten gehören, was in
der vervielfältigenden Kunst je geleistet worden ist.

Die Aufgabe des Xylographen ist heute also in vielen Fällen eine ganz
andre als vor dreihundert Jahren. In alter Zeit hatte er die Zeichnung
des Künstlers sclavisch getreu nachzuschreiben. Jetzt wird von einem
guten Xylographen verlangt, daß er die von dem Künstler oft ohne Rücksicht
auf den Holzschnitt, aus den Holzstock gefertigte, meist nicht mehr in Linien
ausgeführte, sondern gewischte, ja in vielen Fällen getuschte oder gemalte
Zeichnung künstlerisch auffaßt und mit vollem Verständniß so in seine Technik
übersetzt, daß schließlich ein Abdruck des Stocks der Zeichnung des Malers
möglichst ähnlich ist. Seine Aufgabe hat jetzt also große Aehnlichkeit mit der¬
jenigen des Kupferstechers, welcher ein Gemälde in Kupferstich reproduciren
soll. Doch ist sie, nicht in technischer, wohl aber in künstlerischer Beziehung
noch schwieriger, denn während der Kupferstecher sein Orginal stets vor Augen
behält, und sich darnach richten kann, zerstört der Xylograph mit dem Fort¬
schritt der Arbeit sein Original, kann also seine Nachbildung nicht mit der
Originalzeichnung vergleichen.

Es ist jetzt möglich, in Holzschnitt die effeetvollsten Bilder, in welchen


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[0420] zahl von Abdrücken herstellen kann, ohne den Original-Holzstock irgendwie zu schädigen. Durch die Einführung des Buchsholzes wurden also die Schranken, welche die alte Technik der Kunst des Holzschnittes gesetzt hatte, beseitigt. Die Zeich¬ ner auf Holz können sich jetzt vollkommen frei bewegen; der Xylograph kann dem Zeichner überall hin folgen, kann Alles schneiden, was jener zeichnet. In Folge dessen tritt der Holzschnitt nun in erfolgreiche Concurrenz mit dem Kupferstich und der Maler-Nadirung auf Kupfer oder Stahl. Weil nun das Drucken mit Kupfer- und Stahlplatten schwieriger, daher theurer ist, als mit Holzstöcken oder Clichi's, erstere sich auch nicht in Verbindung mit Typen drucken lassen, ist es in vielen Fällen praktischer, eine Darstellung in Holz¬ schnitt als in Radirung auf Metall ausführen zu lassen. Denn in beiden Techniken kann heute annähernd Gleiches geleistet werden. Die Holzschnitte sind oft nicht nur in der Art der freien Radirung be¬ handelt, wie z. B. Menzel's berühmte Bilder zu Kugler's Geschichte Friedrich's des Großen, sondern man copirt auch in Holzschnitt täuschend genau vorhan¬ dene Kupferstiche wie z. B. die von Bänder in Wien geschnittenen Illustra¬ tionen des schönen Ornamentstich-Katalogs des Oesterr. Museums für Kunst- und Industrie in Wien oder die von Alphons Dürr in Leipzig publicirten Holzschnitt-Copieen von Thaeter's Kupferstichen nach Schwind's Zeichnungen zum Märchen von der Aschenbrödel beweisen, sondern man schafft mit vollster Selbständigkeit auch Holzschnitte, welche an Exactheit, Kraft und Tiefe des malerischen Tons Radirungen übertreffen und zum Höchsten gehören, was in der vervielfältigenden Kunst je geleistet worden ist. Die Aufgabe des Xylographen ist heute also in vielen Fällen eine ganz andre als vor dreihundert Jahren. In alter Zeit hatte er die Zeichnung des Künstlers sclavisch getreu nachzuschreiben. Jetzt wird von einem guten Xylographen verlangt, daß er die von dem Künstler oft ohne Rücksicht auf den Holzschnitt, aus den Holzstock gefertigte, meist nicht mehr in Linien ausgeführte, sondern gewischte, ja in vielen Fällen getuschte oder gemalte Zeichnung künstlerisch auffaßt und mit vollem Verständniß so in seine Technik übersetzt, daß schließlich ein Abdruck des Stocks der Zeichnung des Malers möglichst ähnlich ist. Seine Aufgabe hat jetzt also große Aehnlichkeit mit der¬ jenigen des Kupferstechers, welcher ein Gemälde in Kupferstich reproduciren soll. Doch ist sie, nicht in technischer, wohl aber in künstlerischer Beziehung noch schwieriger, denn während der Kupferstecher sein Orginal stets vor Augen behält, und sich darnach richten kann, zerstört der Xylograph mit dem Fort¬ schritt der Arbeit sein Original, kann also seine Nachbildung nicht mit der Originalzeichnung vergleichen. Es ist jetzt möglich, in Holzschnitt die effeetvollsten Bilder, in welchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/420>, abgerufen am 24.08.2024.