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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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breitet, weil man damals durch ihn eine größere Eleganz der Zeichnung und
gewisse malerische Wirkungen erreichen konnte. Man benutzte den Kupferstich
auch zur Illustrirung von Büchern, was den Uebelstand hatte, daß man
dasselbe Blatt, wenn die Bilder im Text stehen sollten, durch die Kupfer- und
die Buchdruckerpresse gehen lassen mußte. Am Ende des siebzehnten und im
achtzehnten Jahrhundert verdrängte der Kupferstich fast ganz den Holzschnitt,
der dann endlich so sehr in Verfall gerieth, daß er am Anfang unsers Jahr¬
hunderts in tiefer Verachtung stand, nur in Verbindung mit der allerschlech-
testen Literatur angewendet wurde und die Kunst des Holzschnitts gänzlich
verloren gegangen war. Man hatte damals nicht das Bedürfniß, die Bücher
zu schmücken, sondern druckte sie meist sehr nachlässig auf schlechtem Papier.
Kunst und Industrie standen damals überhaupt auf einer unglaublich niedrigen
Stufe.

Dann aber trat eine Reaction ein. In den zwanziger Jahren unsers
Jahrhunderts fühlte man sich, zunächst durch das erhöhte Vaterlandsgefühl,
veranlaßt, auch den Denkmälern unsrer Vergangenheit, besonders den archi-
tectonischen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Müller nahm die deutschen
Bauwerke des Mittelalters auf, die Gebrüder Boisserie sammelten die Meister¬
werke altdeutscher Malerei, Cornelius betrachtete genauer die Kupferstiche und
Holzschnitte von A. Dürer. Man begann das Gute in den Werken früherer
Jahrhunderte zu erkennen, studirte es eingehender und lernte daran für die
modernen Zwecke. Da begann man sich auch wieder in künstlerisch behandelten
Holzschnitten zu versuchen. Doch fand Graf Raczynski, als er sein großes
Werk über die moderne deutsche Kunst herausgab, für Herstellung der dafür
erwünschten Holzschnitte, in Deutschland nur sehr wenig Kräfte. Er mußte
sie meist in England und Frankreich schneiden lassen.

Erst Ludwig Richter und Gader und nach ihnen besonders Oscar
Pietsch und B ürkner haben den deutschen Holzschnitt wieder gehoben und
ihn durch ihre schönen, volkstümlichen Bilder allgemein beliebt gemacht und
wieder zu Ehren gebracht. Sehr viel thaten dann auch die illustrirten Zeit¬
schriften, besonders die weltbekannte Leipziger "Jllustrirte Zeitung."

Die Holzschnitte nach Zeichnungen von Ludw. Richter sind in derselben
Art behandelt, wie jene nach Zeichnungen von A. Dürer. Doch konnten die
Zeichner jetzt schon weiter gehen, als in alter Zeit, da man die Technik we¬
sentlich vervollkommnet hatte. Man schneidet jetzt nicht mehr in Langholz,
sondern in das Hirnholz des sehr feinfasrigen Buchsbaum. Der Holzstock
hat jetzt weit mehr Haltbarkeit; die feinern Linien springen nicht mehr ab;
die Zeichnung kann in Folge dessen mehr durchgeführt werden. Bald lernte
man auch das Anfertigen von sogenannten Clichi's, d. h. galvanoplastische
Copieen der Holzstöcke, mit Hülfe deren man nun eine unbegränzt große An-


breitet, weil man damals durch ihn eine größere Eleganz der Zeichnung und
gewisse malerische Wirkungen erreichen konnte. Man benutzte den Kupferstich
auch zur Illustrirung von Büchern, was den Uebelstand hatte, daß man
dasselbe Blatt, wenn die Bilder im Text stehen sollten, durch die Kupfer- und
die Buchdruckerpresse gehen lassen mußte. Am Ende des siebzehnten und im
achtzehnten Jahrhundert verdrängte der Kupferstich fast ganz den Holzschnitt,
der dann endlich so sehr in Verfall gerieth, daß er am Anfang unsers Jahr¬
hunderts in tiefer Verachtung stand, nur in Verbindung mit der allerschlech-
testen Literatur angewendet wurde und die Kunst des Holzschnitts gänzlich
verloren gegangen war. Man hatte damals nicht das Bedürfniß, die Bücher
zu schmücken, sondern druckte sie meist sehr nachlässig auf schlechtem Papier.
Kunst und Industrie standen damals überhaupt auf einer unglaublich niedrigen
Stufe.

Dann aber trat eine Reaction ein. In den zwanziger Jahren unsers
Jahrhunderts fühlte man sich, zunächst durch das erhöhte Vaterlandsgefühl,
veranlaßt, auch den Denkmälern unsrer Vergangenheit, besonders den archi-
tectonischen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Müller nahm die deutschen
Bauwerke des Mittelalters auf, die Gebrüder Boisserie sammelten die Meister¬
werke altdeutscher Malerei, Cornelius betrachtete genauer die Kupferstiche und
Holzschnitte von A. Dürer. Man begann das Gute in den Werken früherer
Jahrhunderte zu erkennen, studirte es eingehender und lernte daran für die
modernen Zwecke. Da begann man sich auch wieder in künstlerisch behandelten
Holzschnitten zu versuchen. Doch fand Graf Raczynski, als er sein großes
Werk über die moderne deutsche Kunst herausgab, für Herstellung der dafür
erwünschten Holzschnitte, in Deutschland nur sehr wenig Kräfte. Er mußte
sie meist in England und Frankreich schneiden lassen.

Erst Ludwig Richter und Gader und nach ihnen besonders Oscar
Pietsch und B ürkner haben den deutschen Holzschnitt wieder gehoben und
ihn durch ihre schönen, volkstümlichen Bilder allgemein beliebt gemacht und
wieder zu Ehren gebracht. Sehr viel thaten dann auch die illustrirten Zeit¬
schriften, besonders die weltbekannte Leipziger „Jllustrirte Zeitung."

Die Holzschnitte nach Zeichnungen von Ludw. Richter sind in derselben
Art behandelt, wie jene nach Zeichnungen von A. Dürer. Doch konnten die
Zeichner jetzt schon weiter gehen, als in alter Zeit, da man die Technik we¬
sentlich vervollkommnet hatte. Man schneidet jetzt nicht mehr in Langholz,
sondern in das Hirnholz des sehr feinfasrigen Buchsbaum. Der Holzstock
hat jetzt weit mehr Haltbarkeit; die feinern Linien springen nicht mehr ab;
die Zeichnung kann in Folge dessen mehr durchgeführt werden. Bald lernte
man auch das Anfertigen von sogenannten Clichi's, d. h. galvanoplastische
Copieen der Holzstöcke, mit Hülfe deren man nun eine unbegränzt große An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/419>, abgerufen am 24.08.2024.