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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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als nachtheilig für seine Souveränität hinzustellen. Noch einmal bemühte sich
Albert, dem der Herzog dieses noch am Abend erzählte, die von Dresden
drohende Gefahr der Wahrheit gemäß darzustellen, indem er Dabelow's
eigene Angaben darüber anführte: "Welch' eine Schwindelei!" rief da der Her¬
zog aus, "Ich sehe wohl, daß ich einem Unwürdigen mein Vertrauen ge¬
schenkt habe! Ich werde mich durch Nichts von meinen Vorsätzen abbringen
lassen, und der Generalprocureur Albert soll heute noch meine Befehle, die
mir das Vertrauen meiner Unterthanen erwerben werden, schriftlich aufsetzen,
um sie morgen früh schon publiciren zu können."

Sogleich schickte er zum Generalvrocureur und erwartete ihn, als er
länger ausblieb, mit Ungeduld. Ohne Wiederspruch ließ er sich mehrere
Mängel in der Verfassung darstellen; er klagte nur bitter über Berghauer
und Dabelow, um deren Willen er treue Diener fortgeschickt habe. Sein
Gemüth war aufs Tiefste erschüttert. "Ein unglücklicher Wahn" schreibt
Albert,*) "er sei einer der besten Regenten Deutschlands, der ihn Jahre lang
beherrscht hatte, war verschwunden, und ein gekränktes Ehrgefühl machte ihm
die bittersten Vorwürfe.. Seine Augen rollten wild, und große Schwei߬
tropfen fielen ihm von der Stirn." "Ich hoffe" -- unterbrach er sich ein¬
mal -- "daß es meinem Louis dereinst besser gehen wird." Dann, nach einer
langen angstvollen Pause, sagte er: "Es giebt eine Vorsehung, ja, Albert,
eine Alles leitende Vorsehung!"

Und in diesem Augenblicke trat der Tod an das geängstigte Herz. Der
Herzog wurde von einem Schlaganfall betroffen, der ihn kraftlos und für
längere Zeit sprachlos machte. Er wurde ins Bett gebracht, dort verlangte
er sogleich' mit stammelnder Zunge Bleistift und Papier. Und so arbeitete
er noch in den wenigen Augenblicken, für welche ihm das Bewußtsein blieb,
an der Ausführung seiner Pläne, indem er mit Bleistift, freilich unleserlich!
viel auf das Papier niederschrieb, was er sodann mit den Worten: "betet
für mich" Albert überreichte. Nach trostlosen Stunden der Kraftlosigkeit und
des Irreredens verschied er am 6. Mai,**) nach Angabe seines Jägermeisters H.
mit den Worten: "meine armen Unterthanen! meine armen Unterthanen!" --

Das Versprechen des Herzogs gegen den Finanzrath Albert, einen Theil
seiner Civilliste aufzugeben, war kein leeres gewesen. In den Acten der
Stände findet sich folgendes Schreiben vom 5.-7. Mai 1812, von Dabelows
eigener Hand flüchtig geschrieben; nach dem Vorausgeschickten läßt sich an¬
nehmen, daß auch der bittere Ton dieses Schreibens nur aus dem Gemüth
des Schreibenden geflossen ist:




") Erinnerungen Seite os.
") Nach der Darstellung Alberts ist der Todestag am ü. Mai gewesen, nach Ur. 1!" der
Staatszeitung von 1812 ist das obige Datum das richtige.
Grenzboten I. 1873. 49

als nachtheilig für seine Souveränität hinzustellen. Noch einmal bemühte sich
Albert, dem der Herzog dieses noch am Abend erzählte, die von Dresden
drohende Gefahr der Wahrheit gemäß darzustellen, indem er Dabelow's
eigene Angaben darüber anführte: „Welch' eine Schwindelei!" rief da der Her¬
zog aus, „Ich sehe wohl, daß ich einem Unwürdigen mein Vertrauen ge¬
schenkt habe! Ich werde mich durch Nichts von meinen Vorsätzen abbringen
lassen, und der Generalprocureur Albert soll heute noch meine Befehle, die
mir das Vertrauen meiner Unterthanen erwerben werden, schriftlich aufsetzen,
um sie morgen früh schon publiciren zu können."

Sogleich schickte er zum Generalvrocureur und erwartete ihn, als er
länger ausblieb, mit Ungeduld. Ohne Wiederspruch ließ er sich mehrere
Mängel in der Verfassung darstellen; er klagte nur bitter über Berghauer
und Dabelow, um deren Willen er treue Diener fortgeschickt habe. Sein
Gemüth war aufs Tiefste erschüttert. „Ein unglücklicher Wahn" schreibt
Albert,*) „er sei einer der besten Regenten Deutschlands, der ihn Jahre lang
beherrscht hatte, war verschwunden, und ein gekränktes Ehrgefühl machte ihm
die bittersten Vorwürfe.. Seine Augen rollten wild, und große Schwei߬
tropfen fielen ihm von der Stirn." „Ich hoffe" — unterbrach er sich ein¬
mal — „daß es meinem Louis dereinst besser gehen wird." Dann, nach einer
langen angstvollen Pause, sagte er: „Es giebt eine Vorsehung, ja, Albert,
eine Alles leitende Vorsehung!"

Und in diesem Augenblicke trat der Tod an das geängstigte Herz. Der
Herzog wurde von einem Schlaganfall betroffen, der ihn kraftlos und für
längere Zeit sprachlos machte. Er wurde ins Bett gebracht, dort verlangte
er sogleich' mit stammelnder Zunge Bleistift und Papier. Und so arbeitete
er noch in den wenigen Augenblicken, für welche ihm das Bewußtsein blieb,
an der Ausführung seiner Pläne, indem er mit Bleistift, freilich unleserlich!
viel auf das Papier niederschrieb, was er sodann mit den Worten: „betet
für mich" Albert überreichte. Nach trostlosen Stunden der Kraftlosigkeit und
des Irreredens verschied er am 6. Mai,**) nach Angabe seines Jägermeisters H.
mit den Worten: „meine armen Unterthanen! meine armen Unterthanen!" —

Das Versprechen des Herzogs gegen den Finanzrath Albert, einen Theil
seiner Civilliste aufzugeben, war kein leeres gewesen. In den Acten der
Stände findet sich folgendes Schreiben vom 5.-7. Mai 1812, von Dabelows
eigener Hand flüchtig geschrieben; nach dem Vorausgeschickten läßt sich an¬
nehmen, daß auch der bittere Ton dieses Schreibens nur aus dem Gemüth
des Schreibenden geflossen ist:




") Erinnerungen Seite os.
") Nach der Darstellung Alberts ist der Todestag am ü. Mai gewesen, nach Ur. 1!» der
Staatszeitung von 1812 ist das obige Datum das richtige.
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[0393] als nachtheilig für seine Souveränität hinzustellen. Noch einmal bemühte sich Albert, dem der Herzog dieses noch am Abend erzählte, die von Dresden drohende Gefahr der Wahrheit gemäß darzustellen, indem er Dabelow's eigene Angaben darüber anführte: „Welch' eine Schwindelei!" rief da der Her¬ zog aus, „Ich sehe wohl, daß ich einem Unwürdigen mein Vertrauen ge¬ schenkt habe! Ich werde mich durch Nichts von meinen Vorsätzen abbringen lassen, und der Generalprocureur Albert soll heute noch meine Befehle, die mir das Vertrauen meiner Unterthanen erwerben werden, schriftlich aufsetzen, um sie morgen früh schon publiciren zu können." Sogleich schickte er zum Generalvrocureur und erwartete ihn, als er länger ausblieb, mit Ungeduld. Ohne Wiederspruch ließ er sich mehrere Mängel in der Verfassung darstellen; er klagte nur bitter über Berghauer und Dabelow, um deren Willen er treue Diener fortgeschickt habe. Sein Gemüth war aufs Tiefste erschüttert. „Ein unglücklicher Wahn" schreibt Albert,*) „er sei einer der besten Regenten Deutschlands, der ihn Jahre lang beherrscht hatte, war verschwunden, und ein gekränktes Ehrgefühl machte ihm die bittersten Vorwürfe.. Seine Augen rollten wild, und große Schwei߬ tropfen fielen ihm von der Stirn." „Ich hoffe" — unterbrach er sich ein¬ mal — „daß es meinem Louis dereinst besser gehen wird." Dann, nach einer langen angstvollen Pause, sagte er: „Es giebt eine Vorsehung, ja, Albert, eine Alles leitende Vorsehung!" Und in diesem Augenblicke trat der Tod an das geängstigte Herz. Der Herzog wurde von einem Schlaganfall betroffen, der ihn kraftlos und für längere Zeit sprachlos machte. Er wurde ins Bett gebracht, dort verlangte er sogleich' mit stammelnder Zunge Bleistift und Papier. Und so arbeitete er noch in den wenigen Augenblicken, für welche ihm das Bewußtsein blieb, an der Ausführung seiner Pläne, indem er mit Bleistift, freilich unleserlich! viel auf das Papier niederschrieb, was er sodann mit den Worten: „betet für mich" Albert überreichte. Nach trostlosen Stunden der Kraftlosigkeit und des Irreredens verschied er am 6. Mai,**) nach Angabe seines Jägermeisters H. mit den Worten: „meine armen Unterthanen! meine armen Unterthanen!" — Das Versprechen des Herzogs gegen den Finanzrath Albert, einen Theil seiner Civilliste aufzugeben, war kein leeres gewesen. In den Acten der Stände findet sich folgendes Schreiben vom 5.-7. Mai 1812, von Dabelows eigener Hand flüchtig geschrieben; nach dem Vorausgeschickten läßt sich an¬ nehmen, daß auch der bittere Ton dieses Schreibens nur aus dem Gemüth des Schreibenden geflossen ist: ") Erinnerungen Seite os. ") Nach der Darstellung Alberts ist der Todestag am ü. Mai gewesen, nach Ur. 1!» der Staatszeitung von 1812 ist das obige Datum das richtige. Grenzboten I. 1873. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/393>, abgerufen am 24.08.2024.