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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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wir werden bald sehen, wie Herr von Dabelow das Wort "Steuerbewilligungs¬
recht" verstand.

Trotz aller ungünstigen Verhältnisse haben jedoch die Stände ihr Amt
freudig angetreten und unter ihrem einsichtsvollen, gewandten und uner¬
schrockenen Präsidenten, dem Kriegsrath Braunbehrens aus Jlberstedt, mit
ausgezeichneter Pflichttreue verwaltet. Ehre diesen Männern! Vom 27. Mai
1811 an, wo die ordentlichen, nicht öffentlichen Sitzungen begannen, war die
Wirksamkeit der Ständeversammlung ein beständiger Kampf, bald gegen die
Ansprüche des Herzogs bezüglich seines Etats, bald gegen die neue Verfassung
und die damit in Verbindung stehende fortdauernde Creirung neuer Aemter,
bald gegen die immer wieder auftauchenden, von Dabelow nicht zurückge¬
drängten Wünsche einer Vermehrung der Soldaten u. s. w. Der Herzog kam
den Ständen gleich nach ihrer Constituirung mit der Proposition entgegen,
ihm einen jährlichen Etat von anfänglich 100,000 Thlr., in der Folge, nach
eingetretener Besserung der Finanzen, von 134,000 Thlr. zu bewilligen und
ihm außerdem alle Schlösser, die Domäne Roßlau, alle Jagden, die Roßlauer,
Meinsdorfer und Behrensdorfer Forst, die Fischereien in Dornburg, Diebzig
und Wulffen. die Fasanerie bei Cöthen und eine Anzahl Wiesen zu überlassen,
auch ihm alles erforderliche Getreide zu billigen Preisen zu liefern, wogegen
er dem Lande die übrigen Domänen und Forsten zur Benutzung überlassen
und die Erhaltung des Hoff, der Garde und aller Schlösser und natürlich die
Pflicht, das Land fernerweit zu regieren -- übernehmen wolle. -- Das war
zu viel. Denn die Stände ermittelten nach und nach eine Kammerschuld von
1.800,000 Thlrn. nebst einem hierauf rückständigen Zinsposten von 65.668
Thlr. bei einer jährlichen Kammereinnahme von 260.000 Thaler, resp,
nach Abzug der geforderten landesherrlichen Reservate, von nur 185,630
Thlr., welche, ohne Rücksicht auf die zum herzoglichen Etat geforderte baare
Summe, durch die nothwendigen jährlichen Kammerausgaben um 23,796
Thlr. überschritten wurde. Unter Hinzurechnung der Schulden der allgemeinen
Landeskasse, 36,000 Thlr., der Hofbuchschulden. 25.000 Thlr.. stellte sich ein Ge>
sammt-Schuldposten von 1,916,668 Thlr. heraus.*) Die Stände baten daher vor
allen Dingen um Einschränkungen im Hof-Haushalt, indem sie dem Herzoge
das Beispiel seines Ahnherrn Joachim Ernst vor Augen führten; um Ab¬
schaffung der neuen Verfassung, welche nach ihrer Berechnung einen Mehrauf¬
wand an Gehalten von 21.217 Thlr. (sonst 9089 Thlr., jetzt 30.346 Thlr.)
verursachte, und deren vielfache Unbequemlichkeiten sie in beredter Sprache dar¬
stellten; um Verpachtung einiger Jagden, um Herabsetzung der Gensd'armerie,
und um Reducirung des Zinsfußes der Kammerschulden von 4^ auf4pCt. Unter



") Wo diese Zahlen anders angegeben sind als bei Stenzel, Handbuch S. 29b. ist es auf
Grund besserer Kenntniß aus den Stände-Acten geschehen.

wir werden bald sehen, wie Herr von Dabelow das Wort „Steuerbewilligungs¬
recht" verstand.

Trotz aller ungünstigen Verhältnisse haben jedoch die Stände ihr Amt
freudig angetreten und unter ihrem einsichtsvollen, gewandten und uner¬
schrockenen Präsidenten, dem Kriegsrath Braunbehrens aus Jlberstedt, mit
ausgezeichneter Pflichttreue verwaltet. Ehre diesen Männern! Vom 27. Mai
1811 an, wo die ordentlichen, nicht öffentlichen Sitzungen begannen, war die
Wirksamkeit der Ständeversammlung ein beständiger Kampf, bald gegen die
Ansprüche des Herzogs bezüglich seines Etats, bald gegen die neue Verfassung
und die damit in Verbindung stehende fortdauernde Creirung neuer Aemter,
bald gegen die immer wieder auftauchenden, von Dabelow nicht zurückge¬
drängten Wünsche einer Vermehrung der Soldaten u. s. w. Der Herzog kam
den Ständen gleich nach ihrer Constituirung mit der Proposition entgegen,
ihm einen jährlichen Etat von anfänglich 100,000 Thlr., in der Folge, nach
eingetretener Besserung der Finanzen, von 134,000 Thlr. zu bewilligen und
ihm außerdem alle Schlösser, die Domäne Roßlau, alle Jagden, die Roßlauer,
Meinsdorfer und Behrensdorfer Forst, die Fischereien in Dornburg, Diebzig
und Wulffen. die Fasanerie bei Cöthen und eine Anzahl Wiesen zu überlassen,
auch ihm alles erforderliche Getreide zu billigen Preisen zu liefern, wogegen
er dem Lande die übrigen Domänen und Forsten zur Benutzung überlassen
und die Erhaltung des Hoff, der Garde und aller Schlösser und natürlich die
Pflicht, das Land fernerweit zu regieren — übernehmen wolle. — Das war
zu viel. Denn die Stände ermittelten nach und nach eine Kammerschuld von
1.800,000 Thlrn. nebst einem hierauf rückständigen Zinsposten von 65.668
Thlr. bei einer jährlichen Kammereinnahme von 260.000 Thaler, resp,
nach Abzug der geforderten landesherrlichen Reservate, von nur 185,630
Thlr., welche, ohne Rücksicht auf die zum herzoglichen Etat geforderte baare
Summe, durch die nothwendigen jährlichen Kammerausgaben um 23,796
Thlr. überschritten wurde. Unter Hinzurechnung der Schulden der allgemeinen
Landeskasse, 36,000 Thlr., der Hofbuchschulden. 25.000 Thlr.. stellte sich ein Ge>
sammt-Schuldposten von 1,916,668 Thlr. heraus.*) Die Stände baten daher vor
allen Dingen um Einschränkungen im Hof-Haushalt, indem sie dem Herzoge
das Beispiel seines Ahnherrn Joachim Ernst vor Augen führten; um Ab¬
schaffung der neuen Verfassung, welche nach ihrer Berechnung einen Mehrauf¬
wand an Gehalten von 21.217 Thlr. (sonst 9089 Thlr., jetzt 30.346 Thlr.)
verursachte, und deren vielfache Unbequemlichkeiten sie in beredter Sprache dar¬
stellten; um Verpachtung einiger Jagden, um Herabsetzung der Gensd'armerie,
und um Reducirung des Zinsfußes der Kammerschulden von 4^ auf4pCt. Unter



") Wo diese Zahlen anders angegeben sind als bei Stenzel, Handbuch S. 29b. ist es auf
Grund besserer Kenntniß aus den Stände-Acten geschehen.
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[0386] wir werden bald sehen, wie Herr von Dabelow das Wort „Steuerbewilligungs¬ recht" verstand. Trotz aller ungünstigen Verhältnisse haben jedoch die Stände ihr Amt freudig angetreten und unter ihrem einsichtsvollen, gewandten und uner¬ schrockenen Präsidenten, dem Kriegsrath Braunbehrens aus Jlberstedt, mit ausgezeichneter Pflichttreue verwaltet. Ehre diesen Männern! Vom 27. Mai 1811 an, wo die ordentlichen, nicht öffentlichen Sitzungen begannen, war die Wirksamkeit der Ständeversammlung ein beständiger Kampf, bald gegen die Ansprüche des Herzogs bezüglich seines Etats, bald gegen die neue Verfassung und die damit in Verbindung stehende fortdauernde Creirung neuer Aemter, bald gegen die immer wieder auftauchenden, von Dabelow nicht zurückge¬ drängten Wünsche einer Vermehrung der Soldaten u. s. w. Der Herzog kam den Ständen gleich nach ihrer Constituirung mit der Proposition entgegen, ihm einen jährlichen Etat von anfänglich 100,000 Thlr., in der Folge, nach eingetretener Besserung der Finanzen, von 134,000 Thlr. zu bewilligen und ihm außerdem alle Schlösser, die Domäne Roßlau, alle Jagden, die Roßlauer, Meinsdorfer und Behrensdorfer Forst, die Fischereien in Dornburg, Diebzig und Wulffen. die Fasanerie bei Cöthen und eine Anzahl Wiesen zu überlassen, auch ihm alles erforderliche Getreide zu billigen Preisen zu liefern, wogegen er dem Lande die übrigen Domänen und Forsten zur Benutzung überlassen und die Erhaltung des Hoff, der Garde und aller Schlösser und natürlich die Pflicht, das Land fernerweit zu regieren — übernehmen wolle. — Das war zu viel. Denn die Stände ermittelten nach und nach eine Kammerschuld von 1.800,000 Thlrn. nebst einem hierauf rückständigen Zinsposten von 65.668 Thlr. bei einer jährlichen Kammereinnahme von 260.000 Thaler, resp, nach Abzug der geforderten landesherrlichen Reservate, von nur 185,630 Thlr., welche, ohne Rücksicht auf die zum herzoglichen Etat geforderte baare Summe, durch die nothwendigen jährlichen Kammerausgaben um 23,796 Thlr. überschritten wurde. Unter Hinzurechnung der Schulden der allgemeinen Landeskasse, 36,000 Thlr., der Hofbuchschulden. 25.000 Thlr.. stellte sich ein Ge> sammt-Schuldposten von 1,916,668 Thlr. heraus.*) Die Stände baten daher vor allen Dingen um Einschränkungen im Hof-Haushalt, indem sie dem Herzoge das Beispiel seines Ahnherrn Joachim Ernst vor Augen führten; um Ab¬ schaffung der neuen Verfassung, welche nach ihrer Berechnung einen Mehrauf¬ wand an Gehalten von 21.217 Thlr. (sonst 9089 Thlr., jetzt 30.346 Thlr.) verursachte, und deren vielfache Unbequemlichkeiten sie in beredter Sprache dar¬ stellten; um Verpachtung einiger Jagden, um Herabsetzung der Gensd'armerie, und um Reducirung des Zinsfußes der Kammerschulden von 4^ auf4pCt. Unter ") Wo diese Zahlen anders angegeben sind als bei Stenzel, Handbuch S. 29b. ist es auf Grund besserer Kenntniß aus den Stände-Acten geschehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/386>, abgerufen am 02.10.2024.